Roger Waters: This is not a drill - Live und auf Blu-ray. Eine kleine Retrospektive!
Roger Waters – This Is Not a Drill (Live in Prague)
Wenn die Welt brennt, spielt er keine Zugaben.
Als Roger Waters im Frühjahr 2023 die Bühne der Kölner Lanxess Arena betrat, war die Spannung im Raum greifbar. Die Debatte um seine Israel-Kritik hatte längst den eigentlichen Anlass – das Konzert – überschattet. Im Vorfeld gab es Proteste gegen das Konzert. In Köln. Sogar die Bürgermeisterin von Köln ha sich hinreißen lassen unreflektiert ihr Veto einzulegen. Natürlich habe ich das mitbekommen und verfolgt und kann die Kritik zum damaligen Zeitpunkt auch verstehen. Gerade deswegen, habe ich mich in der Pflicht gesehen, mir dieses ganz spiele Konzert anzusehen, um mir einen ganz persönlichen Einblick zu verschaffen. ICH HABE MICH also auf den Weg gemacht um die Musik von Pink Floyd und natürlich auch Roger Waters zu erleben. Von 14000 verkauften Eintrittskarte (ausverkauft) wurden dann 11000 in die Lanxess Arena vorgelegt.
Ich habe mich auch deshalb auf den Weg gemacht, habe ich doch die Us & Them Tour 2018 verpasst und wollte Pink Floyd und natürlich Roger Waters Musik Original mal wieder live erleben.Vielleicht das letzte mal. Was dann in der Lanxess Arena folgte, war kein gewöhnlicher Musikabend für mich, sondern eine emotionale Achterbahnfahrt, eine Überforderung im besten wie im schmerzhaftesten Sinne. Bilder, Botschaften, Klänge: alles verschmolz zu einem apokalyptischen Requiem auf die Menschheit. Roger mag aus unserem speziellen Blickwinkel teilweise krude Ansichte haben, er spricht aber auch einige Wahrheiten aus. Das tat er eigentlich schon immer. Ich hatte das Gefühl, dass viele Zuschauer nicht genau wussten, wie sie mit der Reizüberflutung umgehen sollten. Der Aplaus war oft eher verhalten als enthusiastisch trotz der grandios vorgetragenen Stücke.
Man kann sich natürlich fragen, ob es Aufgabe eines Musikers ist so extrem Musikkunst mit der Politik zu vermischen. Kommen die Fans wegen durchaus nachvollziehbarer Friedensbekundungen oder steht die grandiose Musik im Vordergrund. Politik ist das eine, Musik das andere. Einige Stücke hat Roger während der Pandemie geschrieben und natürlich in das Konzert eingebunden.
Ich saß dort, fasziniert und erschlagen zugleich, zwischen Bewunderung und Beklemmung, da ich nicht alles verstehen konnte in diesem Moment.
Dieses Konzert hatte mich damals im Nachgang lange beschäftigt. Daher war ich um so erfreuter, dass es so wie bei Roger Waters eigentlich üblich, eine CD bzw. eine Blu-ray Disc gibt. Ich habe mir zwar eine UHD Disc gewünscht. Nunja, man kann nicht alles haben. Was HDR ausmacht, habe ich zuletzt bei Hans Zimmer Live gesehen.
Originalfotos vom Konzert!
Erst jetzt, mit der Blu-ray-Auswertung von "This Is Not a Drill" – Live in Prague, erschließt sich das ganze Ausmaß dieser damaligen Erfahrung.
Die filmische Aufzeichnung ist kein reines Konzerterlebnis, sondern ein Schlüssel zum Verständnis eines Werkes, das live eher wie ein Sturm über mich und vermutlich viele andere hinwegfegte. Ich habe mit meinem Sohn (Geschichtslehrer) nach dem Konzert ein paar Dinge diskutiert auf dem Nachhausweg. Insgesamt waren wir beide aber zunächst eher sprachlos. Eigentlich wollte ich nach dem Konzert ein Konzertreview machen. Es war mir damals aber nicht möglich. Jetzt in Verbindung mit der Disc, kann ich einiges besser erfassen.

“This Is Not a Drill” ist wie ein Theaterstück mit Soundtrack.

Waters selbst nennt „This Is Not a Drill“ „a warning, not a celebration“ – und das trifft es.
Roger hat keine Best-of-Show inszeniert, das ist glaube ich nicht sein Ansatz bei diesem Konzert, sondern ein multimediales Mahnmal: eine Mischung aus politischem Theater, Rockoper und dystopischer Vision.
Schon die erste Leinwandbotschaft macht klar, worum es geht:
> „If you’re one of those people who love Pink Floyd but can’t stand Roger Waters’ politics, you might do well to fuck off to the bar right now.“
Mit dieser Ansage zieht Waters eine klare Linie – wer hier bleibt, bekommt keine Nostalgie, sondern eine Anklage.
Das war für mich in der Lanxess Arena schon harter Tubak und dort konnte ich damals mit der Aussage nicht so gut umgehen, war ich doch auch wegen der Pink Floyd Musik hier. Nun gut ich bin natürlich nicht an die Bar gegangen. Ich wollte schon authentisch sehen, was Roger Waters damals mit 79 Jahre zu sagen hat.
Einige Berichte hatte ich vorher gelesen. Natürlich weiß jeder das Roger ein durch und durch politischer Mensch ist und dass er durchaus gewillt ist, seine Meinung und Statements öffentlich zu machen. Nur so klar und öffentlich war es bisher noch nie. Ich hatte einige seiner Konzerte im Regal und auch live gesehen und konnte bisher alles, auch während des Konzertes, das ich gesehen habe, ganz gut einordnen.
Bereits 2002 "In The Flesh" Tour habe ich Roger Waters in seiner Solotour gesehen. Da war er noch nicht so offensiv politisch unterwegs und spielte hauptsächlich die Klassiker seiner Ära. Leider hatte ich damals keine guten Plätze mehr bekommen.
Am 18. Juni 2011 war ich ebenfalls in der Esprit Arena in Düsseldorf bei der “The Wall” Tour dabei. Auch hier gab es schon eine gigantische Leinwand und politische Statements, wenn auch noch stark verklausuliert.
Für Kölner Waters-Fans war "This Is Not a Drill" mehr als nur ein weiteres Konzert – es sollte sich anfühlen wie das Wiedersehen mit einem alten Bekannten, der sich nie gescheut hat, Wahrheiten (seine Wahrheiten) auszusprechen.
Waters’ Geschichte mit dem Rheinland reicht weit zurück: Schon in den Achtzigern stand er mit Pink Floyd im Müngersdorfer Stadion in Köln auf der Bühne, als Songs wie Comfortably Numb und Money ganze Generationen prägten.
2002 kehrte er mit seiner In The Flesh-Tour in die damalige Kölnarena zurück, wo ich selbst im Publikum gesessen habe, er zum ersten Mal als Solokünstler in dieser Dimension – souverän, kompromisslos, mit einem Repertoire zwischen melancholischer Erinnerung und politischem Statement.
Es folgten monumentale Shows wie The Wall Live 2011 und 2013 leider in Düsseldorf, bei denen er die Grenzen zwischen Konzert und Theater endgültig sprengte.
Dann 2017 die Us & Them Tour. Auch hier war Roger am 11.Juni 2018 in der mit 18000 Zuschauern ausverkauften Lanxess Arena zu Gast. Hier wurde bereits kontrovers über seinen Auftritt diskutiert. Leider habe ich dieses Konzert nur auf Blu-ray Disc. Ich habe dieses Konzert aber etwas später dann im.Kino gesehen und war.durchaus ebenfalls beeindruckt.
Und als Waters 2023 mit This Is Not a Drill wieder in Köln auftrat, schloss sich ein Kreis – musikalisch wie thematisch.
Was früher die Mauer zwischen Menschen symbolisierte, ist heute der Spiegel einer Welt, die sich selbst spaltet.
Man spürt: Roger Waters war nie hier, um zu unterhalten – sondern um zu erinnern.
Beim aktuellen Konzert oder wie auch immer man das nennen soll, steht die Bühne kreuzförmig inmitten der Arena, flankiert von gewaltigen LED-Screens, auf denen Kriegsbilder, Propagandacollagen und Textzeilen flackern.

Das Ganze wirkt weniger wie ein Rockkonzert, sondern wie ein dystopisches Gesamtkunstwerk – präzise choreografiert, bildgewaltig und bedrückend schön.
Waters agiert hier nicht als Rockstar, sondern als Chronist einer Welt im moralischen Ausnahmezustand. Als er dieses Konzert entwickelt hat, war die Welt noch eine andere. Er hat der Zeit bereits vorausgegriffen.
Musikalische Visionen zwischen Vergangenheit und Zukunft:
Die Setlist, hier verbindet Pink-Floyd-Klassiker mit Solomaterial zu einem großen, thematisch geschlossenen Bogen über 50 Jahre hinweg.
Another Brick in the Wall, Wish You Were Here, Sheep, Us and Them – sie alle erklingen neu kontextualisiert, politisch aufgeladen und filmisch verdichtet.
Das Highlight: Comfortably Numb, direkt zu Beginn, hat Roger bereits 2022 radikal neu interpretiert – ohne Gitarrensolo, ohne Pathos, dafür mit gespenstisch-schweren Synthyflächen und dystopischem angelegtem Chor, welches einigen Zuschauern die Tränen in die Augen trieb.

Waters dekonstruiert hier nicht seine Vergangenheit, sondern transformiert sie zur Gegenwartskommentierung. Das ist ganz großes Kino, was der eine oder die andere auch immer davon halten mag. Grundsätzlich weiß man spätestens seit Final Cut wie Roger Waters tickt. Man darf also nicht überrascht sein. Ich war es nicht und war dennoch erstaunt und schlicht überwältigt. Danach habe ich erst einmal gefragt, was das war, was ich da erlebt habe.
Seine Band agiert auf Weltklasseniveau:
Jonathan Wilson als kongenialer Gilmour-Ersatz, Joey Waronker am präzisen Schlagzeug, Gus Seyffert am Bass, und das Duo Lucius (Jess Wolfe & Holly Laessig) als stimmlich-ätherische Verstärkung. Die Chorsängerinnen Amanda Belair und Shanay Johnson machen hier einen perfekten Job.
Das Zusammenspiel wirkt organisch, fast kammermusikalisch – trotz der gigantischen Inszenierung.

Politik, Pathos, Provokation
"**Comfortably Numb**" kam zur Eröffnung
Wer nun dachte, es kommt gleich das ikonischste Gitarrensolo der Rockgeschichte, der dürfte sich verwundert die Ohren reiben. Nix war mit Gitarrensolo. David Gilmours Solo wurde durch eine durchaus bewegende und emotionale Gesangseinlage einer Sängerin ersetzt – schön, aber einfach nicht dasselbe. Ok, geschenkt, obwohl, wenn schon Gitarre streichen, dann bitte nicht dieses Solo. Doch dann kommen Momente, in denen man alles vergisst:"**Wish You Were Here**" als Hommage an [Syd Barrett] durchzogen von eingeblendeten Zeilen – hier zeigt sich Waters für einen Moment nahbar. Gänsehautmoment sowohl im Konzert als auch in meinem Kino."*When you lose someone you love, it does serve to remind you: this is not a drill*". Es ist einer der raren Augenblicke echter Demut. Bei "**Have A Cigar**" glänzt Dave Kilminster an der Gitarre – ein Spiel, das der Originalaufnahme in nichts nachsteht. Live war es schon eine kleine Offenbarung. Auf Disc ist es grandios.
Über meine 14 Lautsprecher im Kino, einfach sensationell. Auch das Solowerk "**Is This The Life We Really Want?**" fügt sich nahtlos in den Floyd-Kosmos ein. Hier darf Waters dann auch endlich wieder das tun, was er am liebsten macht: die Welt verbessern. Zumindest lyrisch. "**Another Brick In The Wall Pt. 2 und 3**" überraschen mit ordentlich Live-Energie, bei "**The Powers That Be**" und "**The Bravery Of Being Out Of Range**" glänzen vor allem die Background-Sängerinnen. Schon nach dem ersten Drittel merkt man: Es ist nicht Waters, der durch den Abend trägt – es ist die Band, diese macht einen perfekten Job. Zwischendrin gibt's dann auch, natürlich, Ansprachen. Plötzlich ist "**The Bar**" an der Reihe, ein Song, der über den Abend aufgeteilt wurde. Er entstand während der Corona Pandemie, plötzlich soll die ganze Halle eine Bar sein – Was folgt, sind perfekt arrangierte Versionen alter Klassiker und neuer Soloprojekte. Roger hat zwischen den Songs auch meistens seine Rethorik gut im Griff. Bei "**Shine On You Crazy Diamond**" und "**Money**" glänzt dann auch das Saxophon so richtig. Mit "**Two gibt's kurz vor Schluss nochmal einen schönen Klassiker. Dass "This Is Not A Drill" zur musikalischen Extraklasse gehört, wird nach dem Hören spätestens klar – nur leider bietet dieser Rahmen auch wenig Platz für Individualität. Waters bleibt der politische Feuerkopf, der er immer war. Man kann seine Positionen streitbar finden, ja sogar als überzogen empfinden, aber seine Konsequenz ist für mich beeindruckend und ich möchte hier keinerlei Wertung vornehmen, sondern nur nüchtern festhalten, was jeder sehen konnte.
„This Is Not a Drill“ ist kein Wohlfühlkonzert, sondern eine visuelle und akustische Mahnung – unbequem, provokant, fordernd.
Auf Blu-ray entfaltet sich die Botschaft nun deutlicher als live. Untertitel und klare Schnittführung ermöglichen es, die komplexen Texte und Zwischeneinblendungen endlich vollständig zu begreifen.
Das, was in Köln noch als Reizüberflutung erschien, wird hier zum bewusst inszenierten Narrativ.
Dass Waters die Show ausgerechnet in Prag aufzeichnen ließ, wirkt fast symbolisch. Eine Stadt, die in ihrer Geschichte für Aufbruch und Unterdrückung zugleich steht – vom Prager Frühling bis heute ein Ort zwischen Freiheit und Kontrolle. Es passt perfekt zu Waters’ Botschaft: Widerstand gegen das Vergessen.
Was wäre, wenn …?
Manchmal stellt sich die Frage, wie diese Tour gewirkt hätte, wäre sie wie geplant bereits 2020 gestartet – vor Covid, vor der Eskalation im Nahen Osten, vor der nächsten Welle globaler Erschütterungen. Roger Waters war immer politisch, immer laut, Vielleicht wäre „This Is Not a Drill“ damals weniger umstritten gewesen – oder schlicht weniger relevant. Heute, in einer Welt, die sich täglich neu entzündet, trifft Waters’ Wut einen Nerv, sowohl in die eine als auch in die andere Richtung.
Er überzieht bisweilen bewusst, er will polarisieren, nur so wird man noch gehört, das ist natürlich schade, aber Realität, keine Frage. Aber genau das macht ihn aus: Er redet nicht, um zu gefallen, sondern um zu bewegen. Auch wenn seine Argumente manchmal unbequem und narzzistisch anmuten.
Bild & Ton: Eine audiovisuelle Wucht
Bild:
Technisch ist die Blu-ray ein echtes Erlebnis. Das in 4K gefilmte Ausgangsmaterial zeigt aich auf Blu-ray mit einer beeindruckenden Schärfe und Tiefenwirkung, die Kameraarbeit fängt sowohl die gigantische Bühnenarchitektur als auch intime Momente detailreich ein.
Die Kontraste sind ausgewogen, das Mastering zurückhaltend, aber präzise – Schwarztöne bleiben satt, Hauttöne natürlich. Die LED-Wände erstrahlen farbstark, ohne zu überstrahlen. Einfach superb.
Ton:
Der Dolby-Atmos-Mix gehört zum Besten, was das Konzertfilm-Genre derzeit zu bieten hat. Instrumente und Stimmen sind punktgenau ortbar, der Surroundraum öffnet sich weit und fließend. Waters’ Stimme steht klar im Zentrum, Gitarren schweben durch den Raum, der Bass rollt physisch spürbar durch den Körper und Raum. Das Ende von Comfortably Numb, stellt selbst mein ausgewachsenes Kino mit 4 Subwoofer auf die Probe, einfach sensationell. Hiermit habe ich neues Tiefbass Testmaterial. Ich erinnere mich, dass ich in der Lanxess Arena auch extrem beeindruckt war. Ich dachte aber, es könnte ein Abstimmungsproblem mit der Halle sein. Dem war scheinbar nicht so.
Auch Eclipse und Sheep demonstrieren die Referenzqualität des Mixes: raumgreifend, druckvoll, transparent – wie ein auditives Hologramm.
Wie schon bei Hans Zimmer – Live in Prague ist der Klang nicht Effekthascherei, sondern immersive Klangkunst. Scheinbar ist auch die Konzerthalle in Prag dafür prädestiniert.
Fazit:
Roger Waters verabschiedet sich nicht – er warnt. This Is Not a Drill - übersetzt- Das ist keine Übung- ist kein Konzertfilm im klassischen Sinn, sondern eine multimediale Anklage, ein Spiegel unserer Zeit und daher durchaus relevant zeitgeschichtlich einzuordnen.
Was in Köln noch als emotionale Überforderung auf mich wirkte, offenbart sich auf Blu-ray als geschlossenes, durchaus fesselndes Gesamtkunstwerk – politisch, bildgewaltig, technisch brillant. Es wird nicht jedem gefallen.
> „Waters inszeniert die Apokalypse als Rock-Oper für Erwachsene – und beweist, dass Rebellion auch mit 79 noch eindringlicher klingen kann als je zuvor.“
Roger Waters zeigt sich einmal mehr als radikaler Humanist, als Musiker zwischen Pathos, Politik und Perfektion. Technisch makellos, musikalisch grandios, emotional überfordernd und unbequem, aber gerade das macht diese Produktion so sehenswert.
Petsönliche Wertung:
Konzert / Inhalt: 9 / 10
Bild: 9.5 / 10
Ton: 10 / 10
Bonusmaterial: 3/ 10 hier gibt's scheinbar in anderen Fassungen mehr

In diesem Sinne!
Eure Charlys Tante
Schade, das man immer noch keine Kommentare einfügen kann. Jedoch gibt es die Möglichkeit mir eine Nachricht zu schreiben. Ich könnte diese Kommentare dann in das Review, wenn man es so nennen mag, einfügen. Also traut euch. Dieses Konzert ist es auf jeden Fall wert.
Vielleicht kümmert sich ja noch mal einer von den Admins darum.
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