The Artist
Dieser Film hat schon seit einiger Zeit in meinem Filmregal gestanden. Ein Film im Format 1,37:1 (gemäß IMDB Datenbank nicht 1,33:1) dazu ein Stummfilm und noch dazu ein schwarz-weiß Film, boh, das ist eigentlich zu schwere Kost. Der Film wurde aber immerhin mit 5 Oscars ausgezeichnet und das soll ja nun schon einmal etwas heißen. Gut muss der Film also sein.
Folgende Oscars hatte der Film 2012 erhalten:
Bester Film
Beste Regie (Michel Hazanavicius)
Bester Hauptdarsteller (Jean Dujardin)
Beste Filmmusik (Ludovic Bource)
Bestes Kostümdesign (Mark Bridges)
Nun lag er da so vor mir in der Verpackung. Jean Dujardin, was für ein Name, grinst mich mit einem entwaffnenden Lächeln an, sodass der Film unweigerlich in der Ladeluke meines Players verschwindet.
Oh man, dachte ich so bei mir. Das ist bestimmt schwere Kost. Den Player stellte ich schnell auf 16:9 um nur ja keine Balken zu haben.
Der Film startet und es wird ein Stummfilm gezeigt. Das Lichtspielhaus ist aufgebaut wie ein Operntheater. Die Musik wird live gespielt und das Publikum erscheint im besten Anzug oder gar im Smoking. Die Leinwand erscheint wirklich riesig. "Wurde damals wirklich die Musik noch live eingespielt". "Schau mal die Leute tragen sogar einen Smoking". "Wahnsinn das waren noch Zeiten", fragte oder sagte mein Sohn 1. Hinter der Bühne wartet der Protagonist und der Produzent bzw. Regisseur und alle anderen Darsteller auf den großen Moment. Der Film ist zu Ende und das Publikum applaudiert wie verrückt. Der Hauptdarsteller tritt vor den Vorhang und lässt sich Minutenlang feiern. So etwas gibt es natürlich auch noch heute bei einigen Premieren im Kino. Aber die Art und Weise von damals war einfachnoch wirklich authentisch.
Dieses Gredo wirklich in einer Art einzufangen, dass das Publikum auch hier am Ende den Film mit Applaus überschüttet ist eine Herausforderung dem es sich zu stellen git, soll der Film in einer Zeit des Overacting noch eine Rolle spielen.
Diese Rolle hat der Film zweifellos eingenommen und präsentiert uns einen extrem kurzweiligen und dennoch beschaulichen Blick zurück zu den Anfängen des Filmtons, den wir heute im 5.1 oder 7.1 bis hinauf in 3D frönen können und der lauter und prächtiger nicht sein kann. Damals mussten die Artists noch selbst für das Spektakel auf der Leinwand sorgen und mit ihrer Mimik und "Gebärdensprache" das Publikum für sich einnehmen. Der Ton diente zwar auch damals schon der dramartugischen Unterstützung, wurde jedoch nur in den großen Premieren live von einem Orchester eingespielt. In Hollywoodland, wie damals das heutige Hollywood noch hieß, war das natürlich Pflicht. In den kleinen Orten, wo der Film in Kopie lief, musste man sich eher mit einem einfachen Klavier zufrieden geben. Heute braucht das niemand mehr. Der Film hat es in die Wohnzimmer der Menschen bis hin zu wirklich beeindruckenden Heimkinos geschafft.
Nach einer kurzen Zeit empfand ich es als einen Verrat an dem Gesamtkunstwerk, dass ich das Bildformat geändert habe und so stellte ich das Bild wieder auf 1,37:1 zurück und fühlte mich wie in einer Zeitkapsel, die mich zurück in die 20er Jahre transportierte.
George Valentin- Jean Dujardin- spielt in The Artist die damalige Stummfilmgröße, dem das Publikum hinsichtlich seines entwaffnenden Charmes zu Füssen lag. Am Ende der o.a. Filmpremiere stürzt eine junge Frau auf ihn zu und gibt ihm einen Kuss auf die Wange.
Who`s that Girl, fragt man sich danach in allen Printmedien. Der Film findet seine Erwähnung nur noch auf Seite 5 und stellt schon hier die damalige Macht des Wortes heraus.
Regisseur Michel Hazanavicius, der Jean Dujardin schon in den Filmparodien "0SS 117" besetzte, die Spionagefilme der Sechzigerjahre aufs Korn nahmen und damals schon an den französischen Kinokassen für Furore sorgte, hat hier ebenfalls ein gutes Händchen bewiesen und mit "The Artist" eine herzliche Hommage an das Kino der Stummfilm Ära erschaffen.
Obwohl der Film als ein Stummfilm mit den typischen Worttafeln daher kommt, hat er es geschafft den Spagat zwischen dem Neuzeitlichen Kino und dem Stummfilm zu zelebrieren.
Mit ein paar schönen tontechnischen Eskapaden wird der Übergang von Stummfilm zum Tonfilm vorbereitet, alles eingebettet in eine zu Herzen gehende Liebesgeschichte (wer sein Herz am rechten Fleck hat) mit Bérenice Bejo ( der Lebensgefährtin von M.H.), die sehr schwer startet und dann……..am Ende in der Ära des Stepptanzfilmes endet. Dieser Film hat alles was einen grandiosen Film ausmacht und das auch ganz ohne Krawall und Brimborium.
Ein paar schöne Bilder möchte ich euch natürlich nicht vorenthalten:
Ton:
Natürlich hat auch ein Stummfilm letztendlich einen Ton, zumindest im Kino.
Aber auch hier wird dem Zuschauer kein lupenreines Stummfilmchen präsentiert sondern ein Film, der zwar in seinen Grundzügen dem Stummfilm treu bleibt, jedoch hier und da ausbüchst um den Zuschauer mit Klangeinstreuungen zu überraschen. Der Soundtrack ist nicht umsonst mit einem Oscar geadelt worden. Dieser verbindet mit einem wunderbaren Gefühl die Zeit zwischen Chaplin und Citizen Kane. Die Orchestrale Musik ist grandios und unterstützt den Film wie es sonst kein Soundtrack schaffen kann, hier konzentriert sich alles wie eben zu Stummfilmzeiten auf die Musikuntermalung und die Konzentration darauf.
Bild:
Das Bild liegt wie bereits bekannt im Format 1,37:1 vor. Da Filme der späten Stummfilm Ära mit 22 Bildern pro Sekunde aufgenommen wurde, musste man versuchen diese Frequenz auf die „Artisten“ zu übertragen. Die Bewegungen verlaufen daher etwas schneller wie heute gewohnt. Dieser Bildkniff, der einem zunächst gar nicht so auffällt, transportiert den Film tatsächlich in die Stummfilmzeit und lässt ihn dadurch sehr homogen wirken. Auch die Angleichung der etwas verwaschenen Schwarz-weiß Töne wirken sehr Zeitreal. Trotzdem ist das Bild von hoher Güte und schafft den Übergang zwischen „Altem Film“ und HD Medium sehr gut. Die Kontraste und die Details sind sehr gut ohne jedoch hier zu übertreiben, so verbleibt immer ein positiver Nostalgiefaktor zurück. Ein immer vorherrschendes leichtes Korn ist vorhanden, das die Stimmung des Filmes atmosphärisch unterstützt.
Ansichtssache:
Film: 5 von 5
(und das nicht wegen den Oscars, wer sich traut dem Film eine Chance zu geben, der wird ein berührendes Filmjuwel erleben, das sehr lange nachwirkt)
Ton: 5 von 5
(trotz der teilweisen Stille, jedoch bezüglich der grandiosen Filmmusik)
Bild: 4 von 5
(eigentlich kann man dieses Bild nicht mit den heutigen Maßstäben messen).
Fazit:
Das sich jemand getraut hat, in der heutigen Zeit einen Stummfilm zu drehen und zudem dazu noch einen solchen wunderbaren, mit Protagonisten, die es schaffen, einen wirklich in diese Zeit zurück zu versetzten und dazu ohne Action und sonstigem Brimborium einfach eine Film aus Liebe zum Film zu drehen, ist schon ein Oscar wert. Das dann daraus gleich 5 werden, haben die Filmemacher auch nicht für möglich gehalten.
Warum haben sie diesen Film gedreht? "Ich hatte einfach Lust dazu"
Eure C.T.
Top Angebote
Mein Avatar
Kommentare
....gut dann werde ich mich dem Ruf des Kollektiv´s aus dem hohen Norden fügen ("Widerstand ist zwecklos")
Werde das sogar Punkt für Punkt genauso umsetzen... (inkl. Rotwein!)
Wenn der Film tatsächlich so gut ist drohe ich einen Erfahrungsblog an!
:-)))
Aber nochmals sei hier Charys Tante erwähnt...
Deine Gestaltung dieses Blogs ist einfach wunderschön und seeehr passend. Richtig zum Genießen und Schwelgen und ganz wie "BTTony" schon gesagt hat, dieser Artikel gehört in ein Hochglanzmagazin (die hätten das auch nicht besser hinbekommen)
Da neige ich doch gerne mein kleines rundes kahles Köpfchen in Ehrfurcht, aber noch viel mehr in ehrlich empfundener Dankbarkeit!
Für mich...der Blog des Jahres!
Wieder einmal ein sehr schöner Blog von Dir, der vor allem optisch sehr gefällig ist und "im Stil" des Films gehalten wurde.
Du hast - wie man so schön sagt - die Seele des Films eingefangen und lupenrein wiedergegeben.
GENAU so habe ich den Film auch empfunden und ich war (wohl einer der wenigen hier) sogar jemand, der den Film einem kleinen Programmkino gesehen hat.
Als ich aus dem Kino kam, war ich mir noch nicht so sicher, wie ich den Film finden sollte. Aber er wirkt, wie Du schon gesagt hast, seeehr lange nach und nach der Zeit wurde mir klar, daß der auf jeden Fall den Weg in meine Blu-Ray-Sammlung finden wird.
Gesagt - getan... und dann lag er da. Ungesehen auf meinem SUV. Aber warum?
Nun - ich wollte unbedingt (!), daß meine Frau den Film auch mit mir guckt - eben, weil er so ist wie er ist.
Aber "Stummfilm" & "Schwarz/weiß" schreckte sie monatelang ab und sie verneinte ein ums andere mal.
Dann aber irgenwann - ich glaubte schon gar nicht mehr dran - sagte sie ja und wir guckten uns den Film zusammen an!
Fazit: Meine Frau und ich sind begeistert und freuen uns, dies Juwel in unserem Regal zu wissen!
@Kodijak@: Schäm Dich! Anweisung aus dem Norden Deutschlands: Film holen, Raum verdunkeln, Glas Wein einschenken (vorzugsweise Rotwein), Klappe halten, Film angucken und verdammt nochmal genießen! ;-)
Vielen Dank für diesen/deinen, herausragenden, hervorragend gestellten Blog.
Besser geht es fast nimmer. Gefällt mir.
Noch am Samstag bei meinem Besuch mit der Krankenschwester im Saturn,
hatte ich ihn, mal wieder im Visier.
Aber nach diesen/deinen Blog, werde ich ganz bestimmt zuschlagen.
Ganz ehrlich.
Mit diesem gemeinsamen Gedanken, (nicht mehr, in diesem Sinne),
dein old harry.
Ein solcher Blog, derart bebildert und geschrieben, hat wirklich einen leichteren Zugang und viele Hits verdient. Den Blog könnte man so nehmen und ins Magazin stecken. Ganz toll, wieviel Mühe du dir gemacht hast!
Auch inhaltlich dem Film entsprechend - "Kino für die Ewigkeit"!
DANKE - für ein echtes visuell-interlektuelles Erlebnis!
Wäre neben mir jemand aufgesprungen (da saß keiner) und hätte wild applaudiert, hätte ich das auch gemacht.
Das liegt vor allem am herausragenden Hauptdarsteller. Diese Rolle ist ihm auf den Leib geschnitten.
Ganz großes Kino!
Und eine sehr schöne Rezension! Du triffst genau den Film. Danke!