„Der Film stützt sich in den wesentlichen Handlungssträngen auf das klassische Volksmärchen von Schneewittchen, ist jedoch zwecks des Erzählflusses und filmischer Dramaturgie mit einigen zusätzlichen Elementen versehen“.
Bei dieser Aussage geht es nicht um den Film Snow White and the Huntsman, sondern um den Klassiker von Schneewittchen aus dem Jahre 1937. Interessant!
Noch weiter zurückblickend (1812 etc.) ergeben sich weitere Urfassungen des Märchens sowie verschiedene Interpretationen (z. B. die von Alexander Puschkin).
Hierbei wird
• Schneewittchen nicht als solches bezeichnet, sondern ist eine namenlose Prinzessin.
• Statt zu sieben Zwergen flüchtet sie zu sieben Rittern. Dort fehlen die Episoden mit dem geschnürten Mieder und dem vergifteten Kamm. Die Ritter gehen auf die Jagd statt in ein Bergwerk und würden das Mädchen gerne selbst ehelichen, geben sich aber mit ihrer Freundschaft zufrieden
• Im Wald soll das Mädchen statt von einem Jäger von einer Kammerfrau getötet werden; der Mordanschlag im Haus der Ritter wird von ihr im Auftrag der Königin als Wiedergutmachung für ihren Betrug beim ersten Mordauftrag verübt
• Die Heldin ist mit dem Prinzen, der sie am Ende rettet, bereits aus der Zeit im Königsschloss verlobt
• Die böse Königin stirbt vor Gram, schon wieder nicht die Schönste zu sein.
Teile dieser alten Interpretation finden sich auch in Snow White and the Huntsman wieder.
Betrachtet man die Ursprungsillustrationen des Märchens aus dem 18.Jahrhundert so findet man auch hier Gemeinsamkeiten, z. B. Blutstropfen im Schnee in der Eröffnungsszene etc.
Diese ganzen Interpretationen sind von dem Klassischen uns bekannten und in den Kindertagen prägenden Erzählstil natürlich weit entfernt.
Erzählforscher merken zu der erotischen Ebene des Märchens an, dass Schönheit in Märchen immer mit Liebe in Zusammenhang steht, was in Schneewittchen aber ausschließlich in einer abnormen Form geschieht. In Grimms Märchen seien die Vorgänge vergleichsweise asexuell geschildert im Gegensatz zu anderen Darstellungen, diese Tendenz würde in späteren Ausgaben sogar weiter zunehmen.
Es gibt viele neuere Märchenverfilmungen, mit dem Anspruch der künstlerischen Interpretation.
Bei dem Film Snow White and the Huntsman, wurde diese Interpretation weiterentwickelt und wieder einmal ein Märchen der Gebrüder Grimm surrealisiert.
Hierbei spielt die Wahl der Protagonisten eine entscheidende Rolle, mit Charlize Theron wurde die böse Königin hervorragend besetzt. Kirsten Stewart als Snow White ist nett anzusehen. Chris Hemsworth als Huntsman, ist Thor geschuldet, zumal er auch hier ums sich schwingt.
Nun gut, diese lange zusammen gesuchte Besetzung, schafft es dennoch einen prächtigen Film in Szene zu setzen, dessen Schauwerte grandios inszeniert wurden. Die gesamte Geschichte ist sehr dunkel angelegt und passt in das derzeitige Muster der Filmemacher gut hinein. Im Vergleich hierzu ist Spieglein, Spieglein, eine humoristisch angelegte Interpretation und so als Gegenpol zu sehen. Leider bleibt bei der Inszenierung die Seele des Filmes etwas auf der Strecke, denn gerade Snow White als die Gralshüterin des Guten, kann diese Rolle Storyline bedingt nicht wirklich ausfüllen. Im Gegensatz hierzu schafft es Charlize Theron durchaus Akzente zu setzen und ihr Talent zu untermauern, den Weg von der Schönen zum Biest verkörpert sie wie keine andere und spielt diese Rollen, wenn man sie lässt hervorragend. Die stark unterkühlt angelegte Rolle des Huntsman, dessen Wunden scheinbar nicht heilen können, lässt keinen Platz für eine Romanze zwischen durch, jedoch wird mit vielen kleinen fast unscheinbaren Bildmetaphern, die Grundsubstanz des Märchen beibehalten.
Diese Neuinterpretation des Märchens hat mir sehr gut gefallen. Zunächst düstern und mittelalterlich geprägt, dann im zweiten Akt kommt die Reinheit von Snow White zum Tragen und der Streifen bekommt eine Frischzellenkur, im dritten Akt wieder zurück zum düsteren mit dem märchenhaften Ende, welches man glaubt, es kaum eine Öffnung für eine Fortsetzung lässt, die für 2012 auch bereits geplant ist.
Hierzu noch einmal eine mögliche Erzählrichtung:
Zitat aus Wikipedia:
„Robert Walser erzählt mit seinem 1901 in „Die Insel“ veröffentlichten „Schneewittchen“ eine Schneewittchengeschichte, die zeitlich nach dem Ende der Märchenhandlung spielt.
Der Film war in seiner Grundstruktur tolle Action - Fantasy mit einem Hauch Märchenwelt und für ein Erstlingsprojekt im Team sehr gelungen.
Das Bild war auf hohem HD Niveau, manchmal etwas weicher aber immer mit hervorragendem Kontrast und sehr gutem Schwarzwert auf meiner Leinwand, gab das Bild sich keine Blöße. Die vielen dunklen Bilder geben dem Film etwas Dämonisches und transportieren die Erzählzeit sehr glaubhaft auf die Leinwand. Hier hat der Regisseur gute Arbeit geleistet, in dem er den Zuschauer mit grandiosen Bildern unterhält und im Feenland mit exzellenter Bildschärfe punkten kann.
Der Sound ist phänomenal. Einen besseren DTS-Ton habe ich noch nicht gehört, die dramaturgisch angelegten grollenden extrem tiefen Bässe, die teilweise schon zu viel des Guten waren, kamen aus meiner Erinnerung im Kino nicht so gut rüber, wie nunmehr im Heimkino. Das Klangpanorama war superb und die Direktionaleffekte Extraklasse. Mehr geht eigentlich nicht. Zu alledem sind die Dialoge immer präsent und gut verständlich in das Gesamtklangkunstwerk eingebetet. Alle Speaker bekommen hier wirklich genug zu tun, sodass diesen keine Langeweile aufkommt.
Die Extras geben einen Einblick in die Herangehensweise und decken sich mit meinem Empfinden. Man sieht, dass sehr viel mit Capture Motion gearbeitet wurde und CGi zum Einsatz gekommen ist. Der 360°-Rundblick ist ebenfalls sehr gelungen und zeigen das Set und viele kleine Zugaben. Hinzu kommt ein Kommentar Modus.
Fazit.
Ein Märchen, dass im modernen Erzählstil des 21. Jahrhunderts und gleichzeitig mit Rückblick auf den Ursprung umgesetzt wurde, wenn man den Film nur im Kino gesehen hat, kann man keine dem Film gerecht werdende Beurteilung abgeben, da die Erinnerungsprägung uns hier einen Strich durch die Rechnung macht. Diesen Streifen muss man als Neustart sehen, das Altertum der Märchenerzählungen mit der Erzählstruktur der Neuzeit zu verbinden. Der Film Spieglein, Spieglein, ist sicher auch nicht schlecht, bedient aber ein anderes Publikum. Wer mittelalterliche Sagen mag, der muss diese Grimm-Märcheninterpretation ansehen und vergisst einfach, dass es sich um ein Grimmmärchen handelt.
bewertet am 18.12.12 um 11:33