[15 Dublonen] Kopfkino: Timeline von Michael Crichton

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6. November 2011


Hallo liebe Blog-Gemeinde,

wieder einmal möchte ich euch ins Kopfkino entführen, meiner Bücher-Film-Erzählecke. Dieses Mal geht es um den Roman "Timeline" von Michael Crichton, sowie die sagenhaft-unglaublich-schlechte filmische Umsetzung, hierzu aber später mehr.


Zum Autor
Michael Crichton wurde am 23. Oktober 1942 in Chicago geboren. Er studierte in Harvard u.a. Medizin, und war danach als Schriftsteller und Drehbuchautor tätig.
Zu seinen bekanntesten Romanen gehört zweifelsfrei Jurassic Park (zu dem er auch das Drehbuch verfasste), aber auch Congo, Sphere und Next. Zu den Filmen Die Wiege der Sonne und Twister verfasste Crichton die Drehbücher, und bei Twister, Sphere und Der 13. Krieger war er als Produzent mit an Bord.
Nicht zu vergessen ist natürlich auch seine Beteiligung als Ideen-Geber, Drehbuchschreiber und Produzent bei der mehr als erfolgreichen TV-Serie Emergency Room.
Michael Crichton verstarb am 4. November 2008 in Los Angeles an einem Krebsleiden.



Der Roman
Das Buch beginnt mit einer vierseitigen Einführung, in der Crichton auf "die Wissenschaft am Ende des Jahrhunderts" eingeht. Er listet auf (mit Quellenverweis!), dass immer zum Ende eines Jahrhunderts die Wissenschaftler überzeugt sind, alle großen Erkenntnisse der Naturwissenschaften seien gefunden, die Formeln geschrieben, es sei "alles erklärt". Und dann, im neuen Jahrhundert, eröffnet sich ein neuer Zweig, eine neue Idee, die alles noch besser erklären kann als das Althergebrachte. Und in unserem Jahrhundert ist das die Quantenphysik.
Geschickt listet Crichton die Forschungsbemühungen der großen, international tätigen Firmen wie IBM und ITC auf dem Feld der Quantenphysik auf, nicht ohne aber auf die Probleme einzugehen, welche die Forschungen mit sich bringen können...
An die Einführung schließt sich eine einseitige Beschreibung einer typischen kriegerischen Auseinandersetzung an, die sich im südlichen Frankreich im 14. Jahrhundert ereignete. Was dieser kleine Ausflug wiederum mit Quantenphysik zu tun hat, darum geht es in dem Roman.

Um es kurz und schmerzlos zu beschreiben: Einer Gruppe von Archäologie-Studenten wird es ermöglicht, in das finstere Mittelalter zu reisen, und "ihre" Zeit live zu erleben. Das geschieht aber nicht durch Zeitreise, sondern durch die Erkenntnisse aus der Quantenphysik, dass wir in einem Multi-Universum leben. Durch die Nutzung eines Quantencomputers, der von ITC erfunden und realisiert wurde, ist es möglich, in Parallelwelten zu reisen, und diese hautnah zu erforschen. Doch diese Technik der "Aktiven Geschichtsforschung" hat auch ihre Nachteile, wie die Gruppe schnell lernen muss: Das Mittelalter ist eine grausame, tödliche Zeit. Die Gruppe verliert ihre Rückreisemöglichkeit, nur um dann auseinander gerissen zu werden. Und die Zeit tickt, es bleiben nur 37 Stunden, bis sich ihr Weg zurück für immer schließt.

Crichton schafft es mit "Timeline", ein äußerst faszinierendes Buch vorzulegen, in dem es eben nicht nur um Computer und Forschung auf höchsten Niveau geht. Das er diese Dinge glaubhaft und verständlich erklären kann, wissen wir seit Jurassic Park und Emergency Room. Nein, Crichton schickt uns außerdem noch auf einen irrsinnigen Tripp durchs Mittelalter, bei dem er uns viel über die damalige Zeit, die Lebensweise, die Ideologien und der Gefahren erzählt. Ebenso wie die Charaktere darf sich der Leser erstaunt zeigen, was er nicht alles über das Mittelalter wußte, oder welche falschen Informationen über das "dunkle Zeitalter" in den Köpfen festsitzen.

Das Buch springt immer wieder zwischen den beiden Orten, der Gegenwart bei ITC und die Vergangenheit in Südfrankreich, hin und her und hält die Spannung erfolgreich aufrecht, da an beiden Orten Probleme gelöst werden müssen. Sozusagen bis zur letzten Seite, den Epilog einmal ausgenommen, bleibt die Spannung auf höchstem Niveau, und fesselt den Leser bis zum Schluss.
Im Epilog dann endlich die ersehnt Entspannung: die Geschichte kann auf mehreren Seiten "ausatmen", und kommt zu einem harmonischen Ende.

Die Danksagung von Michael Crichton umfassen anderthalb Seiten, was allerdings von viereinhalb Seiten (!) an Quellenverweisen locker in den Schatten gestellt wird. Hier hat man - wie zuvor wiederholt beim Lesen des Buches - ganz klar vor Augen, dass Crichton wußte, worüber er schreibt, und zwar sowohl bei den Physik- als auch bei den Mittelalter-Themen. Diese Echtheit ist es dann auch schließlich, die den Leser an das Buch fesselt, und sowohl in den Gegenwarts-Passagen bei Quantencomputer, als auch in den Passagen der Vergangenheit bei Burgbelagerungen erfolgreich bei der Stange bleiben lässt.



Die filmische Umsetzung
... ist grauenhaft, um es so kurz wie möglich zusammen zu fassen. Wer das Buch kennt, und dann den Film sieht, wird irgendwann wimmernd zusammenbrechen, und ob der Grausamkeit unserer Welt als heulendes Bündel auf dem Sofa einschlafen. Echt, ist mir so passiert...
Übrig bleibt bei der filmischen Umsetzung, an der Crichton übrigens auch beteiligt war, nur der Name des Buchs/Films, und die grobe Geschichte "Leute reisen in die Vergangenheit, und haben Probleme zurück zu kommen" (d'oh).
Die Quantenphysik wird komplett über Bord geworfen, Charaktere werden umbenannt oder tauchen gar nicht erst auf, die komplette Hintergrundgeschichte im Mittelalter wird ignoriert. Die Story ist flach, und nur auf Action ausgelegt. Die Charaktere wirken eindimensional und unglaubwürdig.
Gesamtfazit: *gähn*hust*würg*

Gott sei dank bisher auch nur auf DVD erschienen, und nicht auf BluRay.



Persönlicher Epilog
"Timeline" ist das einzige Buch, dass ich sowohl auf Englisch als auch auf Deutsch besitze. Wo das herkommt? Nun, zuerst hatte ich das Buch nur für mich gekauft, auf Englisch. Dann bei einem Bücher-Ausverkauf eines Bekannten an die deutsche Version herangelaufen, drin rumgeblättert und gesehen, dass die deutsche Übersetzung ziemlich gut ist. Die Version hab ich dann mitgenommen, für meine Frau (sie ist nicht so der Englisch-Leser). Und, siehe da, wie von mir vorhergesagt: ihr hat das Buch ebenso sehr gut gefallen, obwohl weder Quantenphysik noch das Mittelalter ihr Ding sind.

"Timeline" ist eines meiner absoluten Lieblingsbücher, und mindestens einmal im Jahr muss ich es lesen! Die Welten, die Crichton erschafft, sind so überzeugend beschrieben, die Geschichte atemberaubend-spannend-gut, die Charaktere vielschichtig und realistisch dargestellt. Ein absoluter Must-Have-Tipp für alle Geeks, Nerds, Rollenspieler, LARPer, The Big Bang Theory - Gucker sowie (siehe meine Frau) für jeden anderen auch.


Für mehr "mal die Kiste auslassen": Geh ins Kopfkino!


Viele Grüße,
der Baschti


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Yup, stimme dir zu, es gibt hier viele "alte Schätze" zu heben. ;) Danke fürs Nachstöbern, ich hätte dir natürlich auch direkt den Link schicken können...
tantron
21.05.2014 um 14:33
#9
Wow! Ich sags doch, dass unsere Blog zeitlose Nachschlagewerke darstellen. Vielen DANK für die Info, sonst hätte ich diesen gar nicht entdeckt!

Zum Glück weiß der Otto-Normal Seher nichts über das Buch und kann hier nicht vergleichen, ich fand den Film ohne dies aber auch nicht als das gelbe vom Ei, ist fast so ein zwischendurch-Snack(er), auch wenn mich die Sci-Fi Elemente begeistern.
Aber das hier dann das Thema völlig umgebastelt wurde (Quantenphysik) is schon erstaunlich. Das Buch wäre also ein richtiges Highlight!

DANKE!
MoeMents
21.05.2014 um 13:01
#8
Habe das Buch schon seit Längerem auf dem Radar. Eigentlich schon, seit es erschienen ist, haha. Ich mag Crichton auch sehr gern (übrigens hieß die Romanvorlage zu "Jurassic Park" lange Zeit "Dino Park". War mir gar nicht bewusst, dass der Band mittlerweile den Titel des Films trägt).
Jedenfalls, bei Büchern geht\'s mir genau wie mit Filmen. Einfach zu wenig Zeit, mir alles reinzuziehen, was mich interessiert :).
Dash_HB
08.11.2011 um 08:47
#7
Tolles Review!

Den Film hab ich auch mal irgendwann gesehen und ok, geguggt und gut war´s :) Daher bin iach auch nie auf die Idee gekommen, mal nach dem Buch hinter dem Film ausschau zu halten. Sollte es mir mal zufällig über den Weg laufen, wird es meins werden und ich beim Lesen an Dich denken ;)
Olorin
07.11.2011 um 23:03
von Olorin
#6
Ich fand den Film eigentlich gar nicht so schlecht. Es ist aber auch schon eine ganze Weile her, dass ich den das letzte Mal gesehen habe.
Coach Taylor
07.11.2011 um 20:15
#5
Hab TIMELINE auch gelesen und viele Jahre später den Film angesehen. Wenn man das Buch nicht mehr im Kopf hat, ist der Film garnicht so schlecht. Andererseits kann er, wie so oft, nicht den Vergleich zum Buch standhalten.

Aber so ist das bisher bei fast allen Crichton-Romanen gewesen. Außer DER 13.KRIEGER, dessen Filmische Umsetzung wirklich gelungen war, sind die Verfilmungen weit unter dem Niveau der Bücher. Die Filme, die Crichton selbst gedreht hat (DER GROSSE EISENBAHNRAUB, WESTWORLD) zeigen allerdings, dass er man auch was gutes aus seinen Werken machen kann...

Schade das er tot ist.
Michael Speier
07.11.2011 um 19:43
#4
Allen zukünftigen Lesern: Freut mich, euch "scharf" gemacht zu haben, wünsche viel Spaß. :)
tantron
07.11.2011 um 10:32
#3
:thumps up: - thanxxx, nu weiß der Schnitzi schon was das nächste Buch sein wird das er schmökert....
Schnitzi76
07.11.2011 um 08:54
#2
Cooler Vergleich zwischen Roman und Film, kannte bisher nur den Film (und jab der war schlecht)
Sawasdee1983
07.11.2011 um 07:54
#1

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