Tombstone vs Wyatt Earp

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20. Juni 2012
Ich wollte eigentlich eine Tombstone-Bewertung abgeben, habe aber gemerkt, dass ich nahezu automatisch alles mit Wyatt Earp verglich, daher schreibe ich das lieber in dieser Form.
 
Es handelt sich bei den Filmen "Tombstone" (1993) und "Wyatt Earp" (1994) um zwei Western, die beide den Gesetzeshüters Wyatt Earp und dessen Familie im Kampf gegen Schurken zum Thema haben. Anfangs wollte wohl Costner Tombstone produzieren, aufgrund von Unstimmigkeiten kam es aber zu diesem Konkurrenz-Dreh. Es bleibt zu sagen, dass beide Filme im Kino floppten, Wyatt Earp aber deutlich höhere Produktionskosten hatte.
 
Vom Bild her sind beide Blurays excellent. Da möchte ich keinen Vergleich anstellen. Ton können andere besser beurteilen. Es geht mir nur um den Film solchen.
 
Tombstone und Wyatt Earp sind lange Filme (über zwei Stunden). Wobei Costner mit 190 Minuten einen Dreistünder und 60 Minuten mehr hinlegt. Die Grundhandlung beider Filme ist die gleiche. Die Earps legen sich als relativ (selbst-)gerechte aber auch skrupellose Gesetzhüter mit einem Haufen Schurken an. Es gibt einen blutigen Showdown und danach noch eine Stunde in der die Bösen verfolgt werden. Beide Filme legen viel Wert auf WE (Wyatt Earp) und dessen Familie. Hierbei geht Costner aber deutlich weiter. Er widmet eine Menge Laufzeit, den Hintergrund WEs darzustellen. Auch die Bedeutung der Familienbande wird noch stärker in den Vordergrund gestellt als im Tombstone. Die Freundschaft zu Doc Hollywood wird von beiden Filmen deutlich zum Ausdruck gebracht. Im Tombstone scheint sie zum Ende des Filmes Hauptthema zu werden. Unstimmigkeiten in der Handlung gibt es kaum. Hier wirkt aber Costners Film insgesamt schlüssiger als Tombstone. Vom jungen WE zum alten Verbitterten Rächer ist die Wandlung stehts nachvollziehbar. Dies wird behutsam vollzogen und in vielen einzelnen Szenen dargestellt.
In Tombstone dagegen geschieht bei WE eine Wandlung, die sich innerhalb kurzer Zeit vollzieht. WE wollte sich erst aus dem Gesetzehüten zurückziehen, lässt sich aber von seinen Brüdern dazu bewegen, es mit den Schurken aufzunehmen. Hierbei ist zwar klar, dass der Beweggrund Familienverbundenheit ist, aber die Wandlung von Ablehnung zu Teilnahme zu Rache ist in der Person WEs nicht immer nachvollziehbar. Mal wirkt er kontrolliert, dann verliert plötzlich die Fassung in einem Maße, das man nicht erwartet. Dies liegt bestimmt daran, dass Tombstone einen deutlich höheren Wert auf die Personen um WE legt. Allerdings nutzt die Handlung das nicht aus. Beispielsweise wird die Person des Anführers der Schurken schon anfangs umfangreich eingeführt. Trotzdem gewinnt sie nie die Tiefe, die man erwartet.
 
Als Fazit muss ich Costners Darstellung den Vorteil zusprechen. Er hat das Thema und die Charaktere fesselnd und glaubwürdig aufbereitet. Die Zweischneidigkeit des Verhaltens WEs Gerechtigkeitssinn/Skrupellosigkeit-Selbstgerechtigkeit spiegelt sich im Verhalten gegenüber Schurken und Familie gut erkennbar wieder. Tombstone bleibt hier zurück. Es fehlt zudem ein wenig der rote Faden.
 
In Tombstone ist im Cast zu nennen: Kurt Russell als WE, Val Kilmer als Doc Hollywood, Sam Elliot als Virgil Earp, Charlton Heston und Powers Boothe (zu sehen auch in Deadwood) u.a. Der Cast von Costners Film ist ebenso beeindruckend: Neben Costner als WE, Michael Madsen als Virgil, Dennis Quaid als Doc Hollywood, Gene Hackmann, Bill Pullman u.a. Beiden Darstellerriegen ist schön zuzuschauen. Tombstone hat es geschafft, einen Earp-Cast zu schaffen, der äußerlich recht ähnlich ist. Das kann aber auch an den dominierenden Bärten liegen. Keine der beiden Besetzungen geht schauspielerisch unter. Herausragend sind in beiden Filmen die Darstellter des Doc Hollywood. In Erstaunen versetzt hat mich aber hierbei Dennis Quaid. Optisch schon kaum zu erkennen (aber gut getroffen) spielt er den kranken Doc hervorragend. Die moralische Fehlbarkeit und die Verbundenheit zu WE transportiert Quaid sicher. Kilmer tut dies nur wenig schlechter. Zu Kilmers Nachteil wurden die Dialoge des Docs in Tombstone schlechter geschrieben. Da findet im tiefsten Westen ein Disput lateinischer Sprichwörter statt, der fehlplatziert wirkt. Leider geht durch solche Einlagen die Glaubwürdigkeit ein bißchen flöten.
 
Was sind die größten Mankos beider Filme? Bei Tombstone sind es mehrere kleine Unstimmigkeiten im Konzept - eine zu gleichmäßige Gewichtung vieler Personen, zum Teil unglaubwürdige Dialoge und die nicht immer nachvollziehbaren Handlungsmotivationen. Bei Costners Film ist es der Pathos (typisch Costner?). Hieran wird sich der Zuschauer spalten. Auf der einen Seite ist westerntypischer Heroismus bestimmt ein wichtiges Element und die Werte von Familie, Gerechtigkeit und Vergeltung erfordern Pathos. Auf der anderen Seite wirkt es aber manchmal beschämend und führt dazu, dass man sich von der Hauptperson zurückzieht. So ist das Ende von Costners Film mit WE und dessen Frau auf dem Dampfer kaum zu ertragen.
 
Was ist hervorzuheben bei diesen Filmen? Tombstone hat einen sehr guten Cast und viele gute Nebendarsteller. Costners WE zieht den Zuschauer in den Bann. Die Charaktere wachsen ans Herz und jeder Verlust tut weh. Die Beweggründe WEs sind immer präsent und nachvollziehbar. Es ist keine Charakterstudie, aber hat gute Elemente davon.
 
Der aufmerksame Leser wird wissen, dass ich Costner den Vorzug gebe. Die tolle Darsteller-Riege von Tombstone konnte er mitgehen und hat dabei den stimmigeren Film gedreht, der nicht zuletzt auch emotional stark berührt. Ich habe beide Filme gerne gesehen, aber während "Wyatt Earp" Westernpflicht ist, ist "Tombstone" ein guter Film, den man sehen kann, aber nicht muss.
 
Gruß, Christian
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Oh, habe gerade erst deinen Kommentar gelesen: Das dir viele Situationen gleich vorkommen könnte daran liegen, dass es sich dabei um "wahre Ereignisse" handelt. Und die Schießerei am O.K.Corral ist eine der best-dokumentiertesten Gunfights der amerikanischen Geschichte. Ich habe in einem Westernbuch über Revolverhelden einen Ausschnitt aus der damaligen Tageszeitung. Da steht genau wer welche Waffen hatte, wer wann auf wen geschossen und wo getroffen hat... Da ist es keine Kunst, die Sache authentisch darzustellen... Nur wirkt es dann bei allen relativ gleich.
Michael Speier
22.06.2012 um 19:07
#3
Ich finde auch beide Filme sehr gut, wobei ich die Dramatik und die Darstellung des Kampfes in TOMBSTONE vorziehe. Hier wird vor allem auch viel mehr auf die Claytons eingegangen, was man bei Costner völlig unter den Tisch fallen lässt.
Außerdem finde ich die Darstellung von Doc Hollyday (nicht Hollywood!) in TOMBSTONE um Längen besser. Val Kilmer gibt den arroganten und doch todkranken Mann in einer nahezu gespenstischen Realität...
Michael Speier
22.06.2012 um 19:03
#2
Was ich wirklich erstaunlich finde ist, dass die Drehbücher zum Teil unglaublich nah bei einander liegen in manchen Situationen. Auf dem Weg zum OK-Corral kommt dieser Marshall dazu und sagt, er habe die bösen entwaffnet. Da gabs noch ein paar Situationen.

Auch generell diese Einstellung: ph, ihr wollt nicht so wie ich, dann dreh ich eben genau zur selben Zeit genau den selben Film. Und Costner soll ja noch allen Verleiher ausgeredet haben, Tombstone zu kaufen...
BTTony
21.06.2012 um 09:37
von BTTony
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