Geteilte Meinungen gibt es immer, wird es immer geben und es wäre ja auch langweilig, wenn alle das Gleiche denken würden. Für mich ist der Film ein Meisterwerk. Vielleicht gleich zu Anfang mal eine Liste von Eigenschaften, die man benötigt um den Film tatsächlich gut zu finden. Wer mit dieser Liste schon nichts anfangen kann, wird den Film vermutlich auch nicht sonderlich toll finden.
Man braucht sehr viel Aufmerksamkeit und Interesse an philosophischen und stylistischen Mitteln, die der Film bedient. Weiterhin Interesse an einer kompakten Story, aus der jedes Element ausführlich geformt wird und viel Mühe darin investiert wurde. Und letztendlich auch eine Aufmerksamkeitsspanne von mehr als 90 Minuten, da der Film an die 2 Stunden und 30 Minuten dauert! Es ist definitiv nicht jedermanns Sache, deswegen einfach nur gucken, wenn ein Interesse daran vorhanden ist. Kein Sonntag-Nachmittag-Film! Wer von vornherein meint, kurze Story, zu lange Spielzeit, sollte sich eventuell etwas anderes suchen.
Hier einfach mal ein paar Punkte, die auf den Film am meisten zutreffen (alles meine Meinung):
Punkt 1 - Das Projekt: Das Projekt gab es schon mehrere Jahre. Die Problematik an der Sache war vor allem das Wetter und das Klima an den Drehorten. Der Film wurde ohne jegliche Verwendung von künstlichen Wetterverhältnissen und künstlichem Licht gedreht und produziert. Ich für meinen Teil habe so etwas noch nicht oft gehört, denn hier und da wird immer mal etwas getrickst für ein schönes Bild. Hier nicht. Das halte ich dem Film zu Gute. Das merkt man den phänomenalen Bildern auf jeden Fall an!
Punkt 2 - Kamera und Bild: Die Kameraführung offenbart sich bereits in den ersten Minuten und beeindruckt auf voller Linie. So eine Kameraführung, übrigens im ganzen Film, habe ich noch nie gesehen. Besonders beeindruckend gleich in der Schlachtszene am Anfang, in der der Kameramann einzelnen Personen folgt, die Kamerafahrten explizit auf das Geschehen und die Emotionen lenkt und das alles ohne viele Schnitte. In vielen anderen Produktionen hätte man mit vielen Schnitten auf rasante Action gesetzt. Ähnliche wundervoll arrangierte Kamera-Arbeit findet man im ganzen Film. Zurecht bekam Emmanuel Lubezki hierfür seinen Oscar. Seine Kamera-Innovation ist bereits bekannt. Seine Arbeit an dem Film ist maßgeblich für das Gesamtwerk.
Punkt 3 - Plot: Die Geschichte nimmt sich Zeit für die wichtigsten Charaktere des Films und die Geschichte selbst. Entgegen den Hollywood-Konventionen hält sich der Film nicht an 90 oder 100 Minuten, sondern erzählt was er erzählen will und wie lang er es will. Der Plot selbst verspricht eine kleine Geschichte. Allein beim Namen Alejandro Gonzáles Inarritu weiß man aber, man bekommt nicht etwas konventionelles, sondern etwas anspruchsvolleres. So erzählt der Film die Geschichte von Hugh Glass, die zum größten Teil Survival-Elemente bietet. Da das jedoch kein einfacher Film ist, bleibt er nicht dabei und versucht auch das Innenleben des Charakters zu beleuchten und ihm näher zu kommen. So werden philosophische und stylistische Mittel harmonierend miteinander verknüpft.
Auch einfach skizzierte Figuren, wie die des Fitzgerald, werden optimal dargestellt und leisten Ihre Aufgabe. Ich habe über die Laufzeit keine Langeweile gehabt. Ich finde sogar, die fast schon dokumentarisch gefilmten Naturaufnahmen zwischendurch sehr entspannend. Fast wie eine kleine Pause.
Punkt 4 - Bild: Das Bild besticht durch wunderschöne Naturaufnahmen und wie oben bereits erwähnt, kommt der Film prächtig ohne künstliches Licht aus, sondern größtenteils durch den hellen weißen Schnee, der genug Licht erzeugt. Oder in dunkleren Szenen auch einfach ein Lagerfeuer. Das Bild ist gewaltig, die Naturaufnahmen ein Hochgenuss, neben den schauspielerischen Leistungen eine beeindruckende Idee, die voll aufgeht. Ich finde das Bild einzigartig, habe ich bisher alles so miteinander verknüpft noch nicht gesehen!
Punkt 5 - Die Schauspieler: Allen voran natürlich Leonardo Di Caprio trägt den Film zu einem großen Teil mit seiner Präsenz, seinem Mut und seinem unbeugsamen Willen. Manche meinen er kriecht und stöhnt den meisten Teil des Films. Diese haben anscheinend nicht verstanden, worum es in dem Film geht und kein Interesse an Authentizität und Leistung. Schließlich geht es um einen Mann, der nach einem Bären-Angriff nur noch kriechen und stöhnen kann, von allen zurückgelassen wird, sein Kind verloren hat und versucht zu überleben und Gerechtigkeit zu finden. Und Di Caprio hängt sich rein, versucht auch kleinere Szenen mehr auszukosten und bietet eine Leistung, für die er sein überfälligen Oscar verdient hat. Das zweite Prunkstück bietet ohne Zweifel Tom Hardy, der aus einer einfach skizzierten Rolle im Drehbuch ein wesentlichen Anteil am Gesamtwerk bietet. Ihm stehen solche Rollen schon immer. Er fügt seiner Figur gute Akzente zu und spielt fantastisch. Der übrige Cast, bestehend aus Franzosen, Amerikanern und echten Indianern sorgt für pure Authentizität.
Punkt 6 - Musik: Die Musik besticht durch ihre Einfachheit. Das Hauptthema, das aus wenigen langgezogenen Tönen besteht, mit kleinen Pausen zwischen den Tönen, fügt sich mehr als nahtlos, authentisch und passend in den Film ein. Sie drückt Nachdenklichkeit aus und weiß immer im richtigen Moment zu erscheinen.
Alles in allem sage ich: Ein Film von Alejandro Gonzáles Inarritu. Guckt euch vielleicht vorab ein paar seiner Filme an, dann sieht man vorab schon mal, worauf man sich hier einlässt.
Meine Meinung: Eines der best fotografierten Meisterwerke, das ich je gesehen habe...
Zum Schluss noch die technische Wertung: Bild ist absolute Referenz, Ton zwar nur DTS, aber völlig ausreichend mit tollen direktionalen Effekten. Extras leider nur ein "Making of", das aber leicht das Thema verfehlt, sind eher die Gedanken des Regisseurs...
bewertet am 15.05.19 um 13:08