Einst war Jimmy Conlon (Liam Neeson) ein berüchtigter und gefürchteter Profikiller und arbeitete für den irischen Gangsterboss Shawn Maguire (Ed Harris), inzwischen jedoch ist der abgewrackte Alkoholiker mehr Lachnummer als Legende. Einzig seine immer noch währende Freundschaft zum Boss Maguire ist es, die Jimmy noch über Wasser hält, denn von seiner eigenen Familie hat er sich schon längst abgewendet. Als Jimmy gezwungenermaßen Maguire´s Sohn erschießen muss, um seinen eigenen Sohn Mike (Joel Kinnaman) zu retten, wird die Freundschaft der beiden Männer jedoch auf eine harte Bewährungsprobe gestellt, denn Maguire will Rache und Mike tot sehen. Jimmy muss sich nun entscheiden auf welcher Seite er letztlich steht und will seinen Sohn um jeden Preis schützen. Allen steht eine sehr lange Nacht bevor…
"Run All Night" ist nach "Unknown Identity" und "Non-Stop" nun schon die dritte Zusammenarbeit zwischen dem spanischen Regisseur Jaume Collet-Serra und dem spät zum Actionstar avancierten Liam Neeson. Wo "Unknown Identity" und "Non-Stop" auf hakenschlagende Stories und überraschende Wendungen setzen, ist "Run All Night" ein beinahe schon klassisch geradlinig inszenierter Actionthriller, ein bisschen altmodisch vielleicht, was dem Film aber gut steht, schnörkellos und weitestgehend ohne Kompromisse. Die Geschichte selbst bietet zwar nichts Neues und viel Altbekanntes, aber vor allem die beiden starken Hauptdarsteller Liam Neeson und Ed Harris wissen das mühelos auszugleichen. Collet-Serra inszeniert sein urbanes Gangsterszenario rasant genug, um immer mitreißend zu sein, weiß sehr wohl Spannung aufzubauen und beweist ein starkes Gespür für Dramaturgie. Wie gesagt, große Überraschungen bleiben aus, das macht aber nichts, wenn die Atmosphäre so dicht ist wie hier und das nächtliche New York in solch präzise Bilder eingefangen wird. So verzichtet Collet-Serra bis auf die GoogleMaps-artigen Ausflüge durch die Topographie der Stadt überwiegend auf inszenatorische Spielereien und konzentriert sich lieber auf seine Figuren und deren Konstellationen untereinander, denn genau diese sind es auch, welche die Geschichte spannend halten und zu tragen wissen.
Liam Neesons Jimmy Conlon ist zwar auch nur eine weitere Variation seiner letzten paar Leinwandauftritte als charismatisches Raubein, aber diese Rolle versteht er nach wie vor gekonnt auszufüllen. Verzweifelt und traumatisiert durch seine Vergangenheit, versoffen und gebrochen, getrennt von denen, die er liebt und die nichts mehr von ihm wissen wollen. So begreift er diese eine Nacht auf der Flucht mit seinem Sohn auch als vielleicht letzte Möglichkeit auf so etwas wie Wiedergutmachung und versucht, zum ersten Mal seit langer Zeit eine Sache nicht völlig zu verbocken. Der Ausgang dieser Nacht ist zwar schnell ersichtlich, aber das schmälert keinesfalls den Unterhaltungswert dieser Reise, die Conlon antreten muss auf seiner Suche nach Vergebung. Ed Harris hingegen als Gegenpart verleiht seinem Shawn Maguire eine geradezu bestechende Präsenz auf der Leinwand. Er beweist in der Rolle des irischen Gangsterbosses erneut sein Können, einerseits mit sehr menschlichen Zügen ausgestattet, andererseits aber auch unbarmherzig bei seiner Jagd nach Jimmy und Mike Conlon. Eines der Highlights in der Dramaturgie von "Run All Night" ist dann auch ein persönliches Aufeinandertreffen der beiden Männer in einem Restaurant, wie sie sich beide dort gegenüber sitzen und in die Augen schauen, das ist spannender als die meisten Actionszenen im Film. Ein weiteres Aufeinandertreffen von Conlon und Maguire verläuft beinahe ebenso ruhig, geradezu leise, nachts zwischen stillstehenden Güterzügen, und verleiht dem Ganzen eine beinahe schon philosophische Note. Überhaupt wohnt dieser Figurenkonstellation eine tiefgreifende Tragik inne, ist ihre langjährige Freundschaft doch von großem gegenseitigen Respekt geprägt, verläuft aber dennoch aufgrund der Ereignisse und eines beide Männer bestimmenden Ehrenkodex zwangsläufig verhängnisvoll. Dass angesichts zweier solch wuchtigen Hauptfiguren und ihrer Verbindung miteinander der Rest des Cast vergleichsweise holzschnittartig und blaß bleibt, ist nicht weiter verwunderlich und wirkt sich nie wirklich störend aus.
"Run All Night" ist trotz eines bekannten Plots überraschend intensiv geraten, was vor allem an den beiden starken Hauptdarstellern und deren Zusammenspiel liegt, die mit ihrer Performance die eher mittelmäßige und überraschungsarme Story deutlich aufwerten. Collet-Serra inszeniert seine dritte Zusammenarbeit mit Liam Neeson grundsolide, temporeich und schnörkellos und trotz der Laufzeit von 114 Minuten und einigen durchaus ruhigeren Momenten ist die Dramaturgie der Geschichte so gut ausbalanciert, dass es nie droht langweilig zu werden...
(Story 8 von 10 Punkten)
Bild ist leider für einen neuen Film nicht sehr gut geraten, es stören Unschärfen und teilweise rauscht es auch sichtbar (8 von 10 Punkten). Dagegen ist die deutsche Tonspur im 7.1 HD-Sound richtig gut, wobei die Surroundkulisse aber noch intensiver sein könnte (9 von 10 Punkten). Ärgerlich sind aber die wenigen Extras, die noch dazu fast nur Lobhuddeleiungen an alle Beteiligten beinhalten (4 von 10 Punkten).
bewertet am 09.06.17 um 16:03