Nachdem ich gerade in dem Buch "EasyRiders, Raging Bulls" von Peter Biskind, daß sich mit der Geschichte des New Hollywood von Easy Rider bis zum Heaven's Gate Debakel befaßt, die Passage über die Easy Rider Dreharbeiten durchgelesen habe, hat es mich unter meinem Bonanzasattel gejuckt, einen der Lieblingsfilme meiner ersten Jugend noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen und zu beobachten, welche Wirkung er Heute noch bei mir erzielt.
Und zu meiner Erleichterung habe ich festgestellt, daß er bis Heute nichts von seiner Aura eingebüßt hat. Noch immer wird hier das Hohelied auf die Freiheit angestimmt und das ungezwungene Leben ohne Gesellschaftliche und Lebenserhaltene Zwänge zelebriert.
Das dieser Lebenstil von einem nicht abreißenden Fluß von Bewußtseinserweiternden und -verändernden Drogenkonsum unterlegt ist, ist dabei dem Nonkonformen Tenor des Filmes zuträglich und gewinnt durch die Tatsache, daß jeder Joint am Set echt war und LSD am Set alles andere als ein No Go war, noch an Authentizität.
Der Traum jedes nach Selbstverwirklichung und Eigenbestimmung strebenden Lebewesens, und das war in den 60's die gesamte Jugend (außer in Texas!) findet in Easy Rider seine Idole. Sei es in den auf dem Choppersattel der Sonne entgegenfahrenen Drogencowboys oder in den sich in einer Hippiekommune gestrandeten Aussteigern.
Das Leben ohne Wenn und Aber, ohne Sicherungsseile und doppelten Boden und ohne soziale Ängste, daß ist seit jeher die Sehnsucht und das Ziel aller Freiheitsträume gewesen und das ist der Geist, den Easy Rider auf archtypische Weise verkörpert.
Die fundamentale Erkenntniss aber, daß die Freiheit, nachdem sich der Geist so sehnt, für das Fleisch nicht möglich ist und daß das Hippiemärchen, ebenso wie die Love Peace und Happiness Kultur nur für einen bestimmten Zeitrahmen und in einem eng abgeschotteten sozialem Kontext funktioniert und bloß durch Persönlichkeitsentwicklung hemmende Drogen, sowie der Unterdrückung unerwünschter Charaktereigenschaften aufrecht erhalten werden kann, trägt aber ebenso zum legendären Ruf von Easy Rider bei, da viele soziale Experimente zu jener Zeit schon als gescheitert galten und der Ruf nach einem praxistauglicheren Realitätskonzept immer Lauter wurde.
So war Easy Rider die ideale Visualisierung der Seelenstruktur einer ganzen Generation, die sich sich um Ihre von der Obrigkeit und der eigenen Natur, die nicht so war wie gewollt, betrogen gefühlt hatte.
Die logische Konsequenz findet Easy Rider denn auch in dem als Nachfolgefilm legitimierten "Fluchtpunkt San Francisco", indem die Hippiewelle schon abgeebbt ist und sich alle sinngebenden Lebensentwürfe und Ideale als gebrochene Versprechen entpuppt haben und nichts mehr übrigbleibt als auf die empfundene Leere mit Selbstvernichtung zu reagieren.
Aber außer dem unendlichen Freiheitsdrang und der Unfähigkeit der Protagonisten, diese Freiheit konstruktiv zu nutzen (Fonda: We blew it), hat der Film eine solche Vielzahl an soziokulturellen Facetten, daß man Ihn aus Filmanalytischer Sicht zur Lebensbeschäftigung machen kann, zumahl er auf einen Schlag die Art und Weise, wie Hollywood arbeitete auf den Kopf gestellt hat.
Bleibt noch zu erwähnen, daß, wenn man sich etwas näher mit den Hintergründen der Entstehung des Filmes beschäftigt, der Lack von Easy Rider arge Kratzer bekommt: Denn was der Film verkauft, nämlich eine Art von Heroisierung der Hippiekultur, wurde von der Crew, allem voran von Dennis Hopper ad absurdum geführt.
Mögen die Drogeneskapaden während der Dreharbeiten noch zur Legendenbildung beigetragen und die Fahne der Hippieideale hochgehalten haben, so waren die Produktion und die Dreharbeiten das genaue Gegenteil: Hopper erwies sich schon beim ersten Meetig mit der Crew als cholerischer Egomane, mit dem nicht zu scherzen ist: Ein Teil der Crew verschwand deßhalb schon schleunigst, um Ihre körperliche unversehrtheit bangend, nach seiner ersten Ansprache.
Die Streitigkeiten mit Fonda über die prozentuale Gewinnbeteiligung und wer im Abspann als Drehbuchautor genannt werden durfte können nur als kleingeistig und feindseelig bezeichnet werden. Die Freundschaft der beiden zerbrach bei den Dreharbeiten und die gemeinsamen Auftritte danach hatten nur noch ökonomische Hintergründe.
Auch die psychopathische Art im Umgang mit seiner Frau, die während der Postproduktion für immer von Ihm geflohen ist und seiner diktatorische Art am Set, Kritik oder Anregungen als Majestätsbeleidigung zu empfinden, vergifteten die Stimmung auf ein unerträgliches Maß, so daß im Nachhinein keine Anstrengungen mehr unternommen werden dürften, sich um Dennis Hopper als Identitätsfigur der Hippiebewegung zu bemühen.
Eine Interessante Randnotiz dabei ist die Tatsache, daß die eigens für diesem Film zusammenmontierten Motorräder scheiße unbequem waren und das Biken auf Ihnen einer Tortur gleichkam und daß Hopper nach einem Unfall in New York Motorräder insgesamt haßte...
Aber unabhängig von allen Querelen am Set und analytischen Betrachtungen, ist und bleibt Easy Rider, nicht nur auf Grund des legendären Soundtracks und seiner einfachen, Vertrautheit schaffenden Bildsprache, ein Film für die Ewigkeit, der so gut wie kaum ein anderer den Zeitgeist der wohl beneidenswertesten Jugendkulutur der Geschichte eingefangen hat und dem, ähnlich wie "Spiel mir das Lied vom Tod" etwas geschafft hat, was zweifelsohne genial ist: Ein längst bekanntes, fast schon Tod geglaubtes Genre, neu zu erfinden; und besser noch: Seine Archetypen zu erschaffen!
So sollte man denn auch beim betrachten von Easy Rider all den Ballast seines Hintergrundwissens komplett fallen lassen, um sich den Spaß an einem der faszinierendsten Trips der Filmgeschichte nicht zu verderben, da man diese Ikone nicht intellektuell genießen kann, sondern nur dann, wenn man es schafft die freiheitlichen Tendenzen seiner Seele zu reaktivieren und sie in Harmonie mit der Aura dieses Filmmonumentes erklingen zu lassen...
Was früher leider noch viel einfacher war als heute...
bewertet am 28.08.11 um 12:46