Liberal Arts

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3. Juni 2014

Ihr kennt Josh Radnor und Zach Braff?

Den Serienjunkies unter uns dürften sie jedenfalls bekannt sein, zumindest müssten bei JD aus Scrubs (Zach Braff) und TED aus How i met your Mother! (Josh Radnor) die Glocken läuten. Was einige jedoch nicht wissen ist, dass beide den Weg als Independent Regisseure bestritten, weshalb ich sie gerne mal vergleiche…

Zach Braff setzte 2004 mit dem Regiedebüt "Garden State" sogar einen kleinen Kultfilm in die Welt und hat für seinen zweiten Film auf ein Crowdfundingprojekt (Finanzierung, Sammlung von Spenden durch Fans, Internetnutzer etc.) zurückgegriffen, um einige Studio-Vorschriften zu umgehen und unabhängig zu bleiben. Auch um die Rollen nach seiner Idealvorstellung zu besetzen. So tauchen in seinem neuen Film zum Beispiel auch Scrubs Kollege Donald Faison und erneut Jim Parson aus TBBT auf. Er selbst und Kate Hudson übernahmen die Hauptrollen. Der Film kommt heuer, 10 Jahre nach seinem Debüt, 2014, unter dem Titel "Wish I Was Here" in unsere Programmkinos.

Aber nun zu Josh Radnor, der nicht untätig war und 2010 sein Spielfilmdebüt mit "HappyThankYouMorePlease" setzte. Ein gelungener ruhiger Streifen, in dem er sich in Hauptrolle um einen auf der Straße aufgelesenen Jungen sorgt. Unterteilt in drei erzählerische Parallelstränge, verwoben über Freundschaften.

Zwei Jahre später (2012) legte er mit "Liberal Arts" schon seinen zweiten Titel nach. Was übersetzt für "geisteswissenschafltich" oder "freie Künste" steht und inhaltlich kongenial zum Film passt. Der in den Staaten nur in selektierten Kinos gezeigt wurde und bei uns im Dezember 2013 gleich direkt auf Tonträger erschien.

Hier findet die Erzählstruktur nun eine Linie und bereichtert die Main-Story nur mehr mit Nebensträngen. Was mir persönlich etwas besser gefällt, da mich beim Erstlingswerk (neben der großartigen musikalischen Untermalung) nicht alle drei Geschichten gleich ansprachen. "Liberal Arts" schneidet demnach im persönlichen Vergleich leicht besser ab. Sehen wir uns diesen mal genauer an:




Jesse Fisher (Josh Radnor) wird von seinem alten Professor Peter (Richard Jenkins)  eingeladen bei seiner Abschiedsfeier (Pensionierung) einige Worte über ihn zu verlieren. Da Jesse seine Zeit auf dem College als eine der besten Zeiten seines Lebens sieht, bietet sich die Gelegenheit wunderbar an, um in Erinnerungen zu schwelgen. In den Tagen seines Trips lernt der 35jährige auch die 19Jahre Zibby (Elisabeth Olson) kennen, welche gerade mitten in ihrem Studium steckt und mehr den kreativen Studienrichtungen zugewandt ist. Aus gemeinsamer Sympathie entwickelt sich zusehends eine Anziehung, die in der Altersdifferenz manch Hürde finden könnte...



Radnor in seiner Rolle gerade erst frischer Single und auch von seinem Job in der College-Zulassungstelle nicht mehr wirklich angetan, bietet sich die Unzufriedenheit geradezu an um alten Tagen nachzusinnieren! Das erneute Schnuppern von Campusluft bringt demnach neben einer Midlife-Crisis noch ein kleines Coming-Of-Age Element ein, aber ganz speziell aus einer Art Retrospektive! Was man so nicht gewohnt ist, weil ER die Zeit schon erlebt hat, gleichzeitig aber im direkten Bezug steht durch die Begegnungen mit Menschen die eben gerade in dieser Phase stecken. Was einen weiteren realistischen Blickwinkel in Kontext zur Erinnerung setzt.



Dieser angenehme Ausbruch aus Gewohntem, raus aus seinem tristen Alltag, stellt ein freiheitliches Gefühl dar, welches den Film durchwegs erfrischend wirkend lässt. Bildlich gesehen liefert der Unterschied von der Stadt New York zur ländlichen Campusidylle auch ein abwechslungsreiches Spektrum, mit der Vorliebe für saftig grüne Wiesen und gemütliches Campus/Kleinstadt-Feeling. Das lässig geschriebene Dialogs- und Szenenskript streift nicht nur interessante Themen, (Pseudo-)Intellektuelles und sogar Spirituelles, sondern überzeugt gleichermaßen mit witzigen Sprüchen und humorvollen Arrangements. Dadurch hält "Liberal Arts" eine gute Balance zu den menschlichen Schattenseiten, die in Form von Lebenskrisen, Depression oder zwischenmenschlichen Problemen aufgegriffen werden.



Was die aufkeimende Liebesgeschichte und somit den Film sehr bereichert, sind die geschwätzigen und individuellen Kleinigkeiten. Kleinigkeiten wie der altmodische Briefverkehr, das Philosophieren (über Musik und vieles mehr) oder zum Beispiel ein Streit über eine Vampirgeschichte (ein Buch), in dessen Meinungsdiskrepanz über die abwertende Kategorisierung von Mainstream - vermeintlich hoher Anspruch - geglaubt wird einen Entwicklungsstandpunkt zu erkennen. So ergeben sich immer wieder beachtliche Situationen! Welche herzerfrischend die Verbindung traditioneller Liebenswürdigkeiten mit modernen Nuancen verwebt, einer Differenz dich sich durch die unterschiedlichsten Gesinnungen eben auch im Altersunterschied der Liebesgeschichte widerspiegelt.



Was jedoch besonders positiv auffällt, sind die lehrreichen Erfahrungen durch Begegnungen, welche unabhängig jeglichen irdischen Alters zum Tragen kommen! Denn so wirken Zibby oder die Figur des Nat in manchen Bereichen (speziell emotional) oftmals weiser und reifer, als die Figur des älteren Jesse, jedoch auch bemerkbar wird, dass andererseits manch praktische Lebenserfahrung noch nicht vollzogen wurde. So kann jeder von jeden (oder für sich) etwas erkennen, was völlig unabhängig eines Alters stattfindet. Was den Film besonders/erfahren macht und man Radnor für solch ein Skript, welches vielerlei Entwicklungsschichten und auch kleine Lebensweisheiten/Botschaften inne trägt, nur gratulieren kann!!

Zusammengefasst brauch ich wohl stimmungstechnisch nicht mehr extra erwähnen, dass man sich in einem rein gemütlichen Dialogsfilm befindet der in seiner ruhigen Erzählart seine Höhepunkte in den Begegnungen seiner Figuren findet und natürlich auch mal genauso belanglos ausfällt – weshalb jegliche Erwartungshaltung gleich mal angepasst werden sollte. Eben ein astreiner SloMo(e)!


Ein Fauxpas hätte mir jedoch fast den ganzen schönen Film verhauen,…

[SPOILER]  Denn in der Szene als sich Jesse und Zibby dann wirklich nahe kommen, kommt es zu einem kleinen emotionalen Fiasko. Was mich hier aber störte war, dass beide hieraus einen echt primitiven unbedachten Fehler begehen, indem sie noch IN DER SELBEN NACHT mit anderen Leuten schlafen. Ok, bei Zibby ist es wohl nicht gänzlich so, da man nur sieht wie sie sich aus Trotz an ihren alten Freund ranschmeißt, aber Jesse schläft am selben Abend, in Form einer pubertären traumhaften Eroberung, noch mit seiner alten Professorin.
Das störte mich momentan, da alles so schön nachvollziehbar war und das irgendwie ein primitiver, fast stereotyper Kurzschlussakt war, der mir ihre eigentlich vernünftigen oder zumindest bedachten Rollen sowie auch die liebherzige Erzählweise spontan sehr durcheinander schmiss. Andererseits zeigt es natürlich auch nur, dass wir Menschen sind …die eben auch Fehler machen. Aber das kam sehr unerwartet!  [SPOILER ENDE]

…aber der Film bekommt dann nochmals die Kurve, da er zeigt, dass es für beide in ihren Entwicklungsschritten nachvollziehbar, vielleicht auch notwendig war. Was nochmals eine nette Erkenntnis darstellt, die anders endet als womöglich erwartet.



Darstellungstechnisch mimt Josh Radnor den Intellektuellen, lesehungrigen Mittdreißiger. Er muss in seiner Rolle nun nichts Großartiges leisten, wirkt selten auch ein wenig teilnahmslos, banal, was aber perfekt für seinen Rollentypus passt. Da er im menschlichen Vergleich vielleicht sogar eine einseitig charakteristische Position einnimmt. Elizabeth Olson ist ein wahrer Glücksgriff, sie strahlt nicht nur eine geniale Warmherzigkeit aus, sondern ist in ihrer jugendlichen, noch ungezwungenen, leichtfüßigen Art noch voller frischem Esprit. Ihre großen strahlenden Augen und ihre liebreizende Mimik sind für den Film eine enorme Bereicherung!



Eine spezielle Begegnung anbei ist auch Nat (Zac Efron), der auf den ersten Blick für viele in die Kifferlade zu stecken wäre, jedoch eine Art universellen, modernen Hippie darstellt. Der mit witziger Haube ausgestattet, einen tollen naturbezogenen, fast schamanischen Part einnimmt und nicht nur für gute Laune, sondern auch manch außergewöhnliche Erfahrung bereitsteht. Obwohl Efron für manche etwas schmalzbeladen ist, ist seine Figur ein einschneidender und geglückter Zusatz!



Die beiden Professoren, Peter (Richard Jenkins) der angehende Rentner, und die Professorin Judith (Allison Janney), eine alte Femme Fatale für Jesse, sind auch bestens gewählt. Beide bringen in ihren Rollen eine ähnliche Problematik mit, die sich nach und nach hervorragend abzeichnet. Die Begegnungen mit Dean (John Margaro), einem depressiven aber stark intellektuellen Jungen, fügen sich homogen ins Gesamtbild ein. Ein weiterer Nebenstrang wurde zum Glück geschnitten (sieht man in den Deleted Scenes) sodass nichts abdriftet und auf einer Linie bleibt, dessen roten Faden grundsätzlich Jesse durch den Film beschreitet.




Ein Film der harmonisch in seinem Tempo dahin gleitet und trotz eventuell erscheinender Belanglosigkeit auch noch manch Wendung bereithält, die womöglich sogar unerwartete Überraschungen darstellen. Eine Romanze, die sich wie der Film selbst, erst nach und nach erwärmt und in kleinen maßgeschneiderten Details ihre Persönlichkeit findet - die eben auch nicht gewöhnlich sein muss. Alles wunderbar leger aus dem Alltag heraus erzählt und seiner Zeit womöglich sogar ein Stück voraus.

Vielleicht sogar nachhaltig beschäftigt, da man sich am Ende (nicht nur) die Frage stellen könnte ob Jesse diese besondere Begegnung trotz seiner neuen Beziehung schon loslassen hat können? Oder hatte er vielleicht sogar von vornherein nie stärkere Absichten als eine liebreizende Freundschaft? Manchmal passiert ja Leben auch einfach nur!

Das Bild der Blu-Ray ist durchgehend sauber, besitzt eine gute Schärfe und wenn nicht gerade ein Raum vernebelt wirkt, ist auch der Kontrast astrein. Diese Nebelschwaden fallen aber dennoch manchmal auf, leider auch dort wo eigentlich gerade kein Dunst im Raum steht. Bei einem reinen Dialogsfilm wird in Sachen Surround-Sound nicht viel erwartet, erfreulicherweise fügt sich dieser aber bei musikalischen Einlagen schön räumlich ein.




 
Für mich war "Liberal Arts" ein unerwartet, bemerkenswertes Highlight!! Falls er auch ein Fall für euch ist, dann freu ich mich enorm, wenn ihr mir nach irgendwann stattfindender Sichtung eure Meinung da lässt, egal ob diese von völlig langweilig, schwachsinnigen Werk bis hin zum genial, gemütlichen Geheimtipp reicht! DANKE!!

 
 

Bildquellen: blu-ray.com (Bildrechte: Koch Media)
Textbanner selbst kreiert, diese stellen Zitate aus dem Film dar!
Coverbild BD: bluray-disc.de
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MoeMents
03.06.2014 um 18:40
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