Mein Review der "Super Deluxe Edition", die auch die BD enthält, ursprünglich fürs Forum von u2tour.de geschrieben:
Das Konzert:
U2 präsentieren uns die aktuelle 360°-Tour in der Rose Bowl, Pasadena. Die Wahl ausgerechnet dieser Show für die Aufzeichnung wurde vielfach kritisiert. Schon wieder USA, und dann noch ein eher schlechteres Konzert.
Und ja, es stimmt, es war mit Sicherheit nicht das beste Konzert der 360°-Tour welches U2 da mitgeschnitten haben. Insbesondere Bono war stimmlich in Europa und Anfangs des US-Legs besser bei Stimme und kratzt dann und wann etwas, was aber eher authentisch als störend wirkt. Nun bedarf ein derart aufwendiger Mitschnitt aber einiges an Vorbereitung und im Vorfeld kann niemand sagen wie die Band genau an diesem Abend in Form ist. Und so schlimm, wie es in einigen Forenbeiträgen dargelegt wird, war die Performance wahrlich nicht, zudem wurden einige Missklänge wie z. B. der Anfang von „Sunday Bloody Sunday“ für die BD auch nachträglich überarbeitet.
Warum es ausgerechnet die Rose Bowl sein musste wird beim Ansehen der Show schnell klar. Das Stadion ist relativ flach und die Bühne ist tatsächlich inmitten dessen platziert. Und wenn „The Claw“ rot beleuchtet am Anfang von „Where The Streets Have No Name“ wie ein Fels in einem Meer von Fans steht kann man kaum leugnen, dass dies 360° at its best ist. U2 umrahmt von 97.000 Fans, das ist Gänsehaut pur.
Die Aufzeichnung wäre vermutlich (noch) besser geworden wenn man zwei Abende in der Rose Bowl gastiert und mitgeschnitten hätte, aber dem war ja nun mal nicht so. Das jeder sein persönlich bestes Konzert hat und ausgerechnet dieses nicht veröffentlicht wird ist auch klar, ich kann mit der Wahl der Rose Bowl allerdings sehr gut leben.
Nächster umstrittene und auch von mir heftig kritisierte Entscheidung : „Breathe“, der Opener der Show, fehlt tatsächlich und ist nur als Bonustrack vorhanden. Stattdessen empfängt uns das Zooropa-Baby auf seiner Raumstation und fliegt zur Rose Bowl, man von sieht von „Kingdom“ unterlegt kurze Bilder vom Einmarsch, bei Publikums-Shots verkündetet Bono dass die Zukunft einen „Big Kiss“ needet und ab geht’s mit „Get On Your Boots“.
Schwer einzuräumen, aber auch dieser, nennen wir ihn mal “alternativer“ Anfang, funktioniert. Die Show beginnt so zwar mit weniger Atmosphäre, aber mit mehr Drive, denn „Get On Your Boots“ geht gleich voll auf die 12. Wer nur die Aufzeichnung kennt wird „Breathe“ kaum vermissen. Wer allerdings wie ich und wohl die meisten hier auf einem oder gar mehreren Konzerten war dem wird die wunderbare Anspannung, die schon mit David Bowie’s „Space Odditiy“ vor dem eigentlichen Intro „Kingdom“ begann, fehlen.
So bleibt es diesbezüglich bei einem faden Nachgeschmack und Minuspunkt, insbesondere weil dieser Original-Anfang nicht mal im Bonus-Material komplett ist. Wenigstens das wäre Pflicht gewesen.
Ansonsten ist die Setlist bekannt, mir persönlich gefiel die des EU-Legs mit „No Line On The Horizon“ als 2. Song, dem schönen langen Intro von „Beautiful Day“ und dem in den USA gestrichenen „Pride (In The Name Of Love)“ besser, aber das ist Geschmackssache. Das Publikum geht für US-Verhältnisse zumindest bei den „Greatest Hits“ erstaunlich gut mit, erheblich besser als bei den letzten beiden Mitschnitten aus Boston und Chicago. Die Illusion der Begeisterung wird noch dadurch gefördert, dass teilweise EU-Publikum reingeschnitten wurde (London vor „Vertigo“), dies fällt jedoch wirklich nur auf wenn man die Clips von U2.com kennt und ist als übliche Trickserei abzutun.
Visuell ist die Aufzeichnung sehr gelungen. Trotz des sehr rasanten (und dort passenden) Schnitts bei “Vertigo“ wirkt sie insgesamt etwas ruhiger als die letzten DVDs unter der Regie von Hamish Hamilton. Regisseur Tom Krueger führt das Bild stimmig. Dennoch ist der Schnitt im Vergleich zu älteren Aufzeichnungen wie „Zoo TV“ oder gar dem Spielfilm „Rattle And Hum“ eher schnell und erinnert an den Zeitgeist moderner Hollywood-Blockbuster. Ganz ruhige, länger andauernde Shots auf einzelne Bandmitglieder sind selten.
Die nach wie vor beeindruckende Bühne ist mit ihren Effekten gut in Szene gesetzt, vor allem die Helikopter-Shots (von denen es gerne mehr hätten sein können) sind spektakulär, und der Mittelteil mit „The Unforgettable Fire“, „City Of Blinding Lights“ und „Vertigo“ ist ein Rausch sondergleichen. Einen Teil des Schnitts kennt man schon von YouTube, aber er wurde mehr als dezent überarbeitet. Insgesamt macht es einfach nur Spaß die Show anzusehen und man wünscht sich eigentlich sofort wieder vor einem Stadion zu stehen und auf Einlass zu warten.
Die Technik:
Das Bild:
„U2360° At The Rose Bowl“ ist die erste aktuelle Veröffentlichung von U2 in High Definition auf Blu-ray. Und aus technischer Sicht gibt sich das Bild keine Blöße. In 16:9 und 1080i wird hier eindrucksvoll demonstriert was Blu-ray kann.
Ein kleiner Ausflug in die Niederungen der Bildformate: Die Auflösung entspricht auch bei 1080i FullHD, das „i“ steht für interlaced und bedeutet, dass mit einer Zwischenbildberechnung gearbeitet wird, tatsächlich nur jede zweite Bildzeile übertragen wird und das Display dann aus zwei Übertragungen für das menschliche Auge kaum wahrnehmbar ein Vollbild mit allen Bildzeilen errechnet. „p“ würde bedeuten dass immer alle Bildzeilen übertragen werden. Ich kann nur vermuten dass die Produktion bereits in 1080i erfolgt ist, wie bei etlichen Konzertmitschnitten (z. B. auch „The Killers Live At The Royal Albert Hall“, „Die Fantastischen Vier : Heimspiel“ oder Sportübertragungen in HD. Nachteil eines Bildes in „i“ ist dass es etwas unruhiger und flimmerig wirken kann, entsprechendes ist mir aber nicht aufgefallen.
Die Schärfe des Bildes ist über jeden Zweifel erhaben. Es wirkt teilweise beinah dreidimensional, als würden U2 direkt vor einem stehen, und in Close-Ups sieht man nahezu jede Pore. Hier zeigt der Vergleich zur DVD schon deutlich den Vorsprung der Blu-ray, wobei das Bild der DVD hier nicht schlecht, sondern halt detailärmer wirkt. Richtig krass wird es aber bei Shots aus weiterer Entfernung auf die Bühne. Sind auf der Blu-ray Band und Publikum noch klein, aber scharf und deutlich wahrzunehmen, ist auf der DVD kaum mehr als eine verpixelte Masse zu erkennen. Technisch geht das Bild „für eine DVD“ natürlich in Ordnung, hier stoßen einfach die technischen Gegebenheiten der DVD mit niedriger Auflösung und MPEG2-Codec an ihre Grenzen.
Vereinzelt ist digitales Bildrauschen wahrnehmbar, dies ist aber ein generelles Problem bei Nachtaufnahmen, egal ob digital und in HD oder auf klassischem analogen Film, und besser als das Material was von den Kameras aufgezeichnet wird kann das Endresultat nicht sein. Die Kompression der Blu-ray ist jedenfalls tadellos.
Wer die Bildqualität der BD kritisiert der möge sie bitte mit der DVD vergleichen - da liegt die BD deutlich vorne. Filmkorn ist schon mal per se kein Fehler. Die Schwierigkeit der Aufnahme liegt halt darin dass sie nachts in einer schlecht ausgeleuchteten Außen-Location gemacht wurde. Mit ähnlichen "Problemen" hat ja z. B. auch der Spielfilm "Collateral" zu kämpfen. Aufgenommen wurde das Konzert bereits in HD, da ist nichts hochskaliert.
Wer einen HDTV sein eigen nennt und noch keinen BD-Player sollte wahrlich überlegen ob die Zeit für einen Umstieg nicht gekommen ist. Medienpreise für BD und DVD haben sich nahezu angeglichen, die BD von U2 ist bei Amazon sogar 2 € billiger als die Doppel-DVD (ganz zu schweigen von dem 14,90 € Kampfpreis bei Media Markt), und die Preise für Player sind mit ca. 150 € auch im akzeptablen Bereich angelangt. Aber das ist nur ein persönlicher Einwurf von jemanden den auch schon Spielfilme sowie andere Konzerte auf BD hellauf begeistern ;).
Der Ton:
Auch hier hat man sich nicht lumpen lassen. Sowohl DVD als auch BD bieten eine unkomprimierte Stereo-Spur und zwei hervorragende Surround-Tonspuren. Insgesamt ist der Mix eher frontlastig, wobei Rock-Musik im Stil von U2 auch nicht sonderlich viel Futter für Surround-Effekte hergibt. Bei „Get On Your Boots“ aber z. B. ist das zweite Solo von Edge schön auch auf die hinteren Lautsprecher verteilt. Die Instrumente sind klar und wesentlich besser zu differenzieren als auf früheren DVDs, die leicht dumpf klangen.
Die BD enthält anstelle der dts-Spur der DVD eine verlustfrei komprimierte Spur in dts-HD MA (die wiederum auch den Kern der normalen dts-Spur in höchster Auflösung enthält, für diejenigen die keinen HD-AV-Receiver besitzen).
Alle Surround-Spuren sind sehr gut, der Unterschied zwischen dem HD-Ton der BD und dem „normalen“ Ton der DVD ist zwar hörbar, aber die Unterschiede sind bei weitem nicht so groß wie beim Bild.
Die Extras:
Das Bonusmaterial ist durchaus reichhaltig, aber größtenteils bekannt. Es beinhaltet „Breathe“ als Bonustrack, Clips von u2.com, die Videos zu den Singles des Albums „No Line On The Horizon“ sowie die durchaus interessante Dokumentation „Squaring The Circle - Creating U2 360°“. Hier wäre mehr gegangen, keine Frage, allerdings gibt es wenige Musik-DVDs oder BDs die wirklich gut ausgestattet sind. Insgesamt aber deutlich besser als die Bonus-DVD bei der Vertigo-DVD.
Die BDLive-Extras für BD-Player die online sind können noch nicht überzeugen. Ehrlich gesagt haben sie das bisher bei keiner BD, zumindest mich nicht. Hier heißt es abwarten ob es in Zukunft wirklich interessantes, exklusives Material oder gar Live-Streams von Konzerten gibt. Ich bezweifle es und rechne mit den Clips als Extra, die ohnehin bei u2.com auftauchen. Letztlich ist man hier in der Hand des Service-Anbieters, der die Inhalte jederzeit ändern oder den Server abschalten kann. BDLive mag zwar eine nette Ergänzung sein, für mich zählt am Ende aber nur was auf der Disc ist.
Die Super Deluxe Edition:
Ja, sie ist schweineteuer. Aber sie ist auch ein Schmuckstück . Hochwertig verarbeitet, eine robuste Box mit Prägedruck, Doppel-DVD und BD im Digipak, ein 32seitiges Hardcoverbuch sowie diverse Goodies wie Plektron, Tourprogramm, eine 7“-Vinyl mit dem Track „Soon“ (die ich nicht mal abspielen kann) sind genau das, was man sich als Sammler von Medien-Editionen ins Regal stellt. Eigentlich sinnloses, in der Produktion preiswertes Zeug, was aber irgendwie cool und eigentlich zu schade zum anfassen ist. Ich stehe - nicht nur bei U2 - auf so einen Kram und kann sagen dass ich den Preis von 90 € rückblickend doch als etwas zu teuer ansehe (hoffentlich liefert bol.de noch für 32,99 €), bekommt man auf BD und DVD doch letztlich das Material doppelt. Wer verzichtet kann aber beruhigt sein, ihr verpasst nichts weltbewegendes und den „neuen“ Song „Soon“ muss ich mir mangels Plattenspieler selbst illegal runterladen....
Fazit:
Bis auf das Manko mit „Breathe“ eine wirklich runde Veröffentlichung, die für jede technische Ausstattung und jeden Geldbeutel etwas bietet und insbesondere auf BD eine Augen- und Ohrenweide sondergleichen ist.
Ich mache bald nochmal einen Flug mit dem Zooropa-Baby. Hardti
bewertet am 04.06.10 um 22:32