Ich habe bei einer Freigabe ab 12 Jahren und einem Film von Steven Spielberg, dem Meister des Mainstream, keine große Erwartungshaltung gehabt. Doch was der Mann hier abliefert, ist die Anpassung eines Films an den Massengeschmack in höchster Vollendung. Spielberg hat sein Zenit erreicht! Der Meister zeigt nicht einmal die Geburt des bzw. eines Pferdes! Dieser Vorgang muss natürlich im Off stattfinden. Ebenfalls finden etliche andere Szenen im Off oder „hinter irgendwas“ statt, was mich gleich an JURASSIC PARK erinnert hat („es passierte hinter den Büschen“!). Warum der Film nicht ab 0 Jahren freigegeben wurde, ist mir ein Rätsel, denn das Zielpublikum scheinen Kleinkinder zu sein. Der Knüller in Sachen Zugeständnis an das Mainstream Publikum ist, dass in der Originalfassung die Deutschen doch tatsächlich Englisch mit hartem deutschen Akzent sprechen. Klingt wirklich schlimm, geradezu lächerlich. Wozu dann überhaupt echte Deutsche für diese Szenen? Konsequenterweise sprechen dann auch der Großvater und das Mädchen, die waschechte Franzosen sind, ebenfalls Englisch und das mit tollem französischen Akzent. Die Amis hassen Untertitel und Spielberg macht eben einfach ALLES, um dem Markt gerecht zu werden. Und: kleine Kinder können ja noch nicht lesen! Der Film hat in Amerika nämlich ein „G“ als Altersfreigabe bekommen, was meine Theorie der Kleinkinder als Zielpublikum unterstützt. Diese Englisch sprechenden Deutschen und Franzosen fallen dem durchschnittlichen Blu-ray Konsumenten natürlich nicht auf, da er es so ähnlich wie die Amis hält und zu bequem ist, Filme im Original zu schauen, auch wenn Untertitel zur Verfügung stehen und die Anlage mehrere tausend Euro gekostet hat, um ALLES aus einer Blu-ray rauszuholen.
Trotz 7.1 DTS HD Master Audio ist auf der Originaltonspur bis auf die Szenen im Schützengraben, wo die sieben Lautsprecher effektiv im Einsatz sind, die überwiegenden Laufzeit des Films so gut wie nichts los. Hin und wieder zirpt ein Vogel von irgendwo her, ein Gewitter grummelt vor sich hin, ein wenig Regen, aber das war es dann schon. Langweilig plätschert der Score von Spielbergs Haus- und Hofkomponist, John Williams, dahin. Es gibt sehr gute und effektive ruhige Tonspuren, doch diese gehört nicht dazu. Die ganze Akustik klang unnatürlich. Mir war es zu digital.
Das Bild ist sehr gut, wirkt jedoch an einigen Stellen – besonders am Anfang auf der Farm – irgendwie außerordentlich künstlich. Für mich kam da immer wieder dieses gewisse THE WIZARD OF OZ Gefühl auf. Ich dachte, gleich muss er kommen, der Twister! Kommt er aber nicht und so wird Pferd, das den Namen Joey bekommen hat, zwar nicht nach Oz transportiert, findet sich stattdessen aber unvermittelt in den Geschehnissen des 1. Weltkrieges wieder. Dort geht es natürlich schlimm zur Sache. So schlimm, wie es ein Film dieser Art zulässt. Es gibt zwar keine böse Hexe und auch keine fliegenden Affen, aber seltsam geschminkte englische Offiziere und böse Deutsche, für die die Pferde zum Beispiel riesige Kanonen ziehen müssen. Machen die Tiere schlapp, werden sie erschossen (ein ganzer Haufen toter Pferde ist kurz zu sehen. Wären die nicht verzehrt worden? Taste the Waste!). Joey ist ein besonderer Gaul, schließt Freundschaft mit einem anderen Pferd und schafft es durch die Wirren des Krieges, nicht zuletzt wegen der Hilfe etlicher Menschen, die ihm begegnen bzw. denen er begegnet… bis die letzte Episode dieser episodenhaften Inszenierung vorbei ist und der Kreis, der keiner gewesen ist, sich schließt, auch ohne dass Joey dreimal die Hufe zusammenschlagen muss.
Mit WAR HORSE, so der Originaltitel, konnte ich nichts anfangen. Die Charaktere, denen das Pferd begegnet haben keinerlei Charisma, stammen aus dem Baukasten und dementsprechend werden von Anfang an Klischees bedient (der fiese Landlord, der alte, aufrichtige Säufer, der sich abrackert, der gute Sohn des armen Farmers vs. der arrogante Sohn des Landlords, der eine Wandlung erfährt etc .). Der Film hat keinen dramaturgischen Aufbau. Die Handlung passt sich den Klischeefiguren an und ist demensprechend standardisiert, konventionell und episodenhaft. Vielleicht erschließt sich der Film Kindern besser oder Menschen, die sich mit Pferden auskennen. Pferde finden den Film vielleicht sogar erstklassig.
bewertet am 05.09.12 um 12:59