Blog von meine wenigkeit

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Gerade gesehen: Hell

2. Oktober 2011
Tim Fehlbaum hat, so viel kann man wohl jetzt schon sagen, einen der absoluten Überraschungsfilme dieses Kinojahres  vorgelegt. Hell spielt mit Genres die bislang fest in amerikanischer Hand geglaubt wurden. Und es ist ein Spaß, ihm dabei zuzusehen. Achtung, dieser Beitrag enthält Spoiler!

Der Film beginnt völlig unvermittelt. Eine Frau, ein Mann, ein junges Mädchen in einem abgedunkelten Auto. Noch ist alles in Ordnung, Benzin im Tank, Wasser und Lebensmittel im Kofferraum, doch liegt eine unbehagliche Stimmung im Raum. Die Gruppe ist auf dem Weg in die Berge, dort, so vermuten sie, gibt Wasser und damit Leben. Das Unbehagen steigert sich in der nächsten Einstellung. Der staubige Volvo wird auf einer verlassenen Autobahn gezeigt, die eine karge, mit Tierkadavern übersäte Landschaft durchquert. Das Bild wird an dieser Stelle so gnadenlos überbelichtet, dass der Kinozuschauer unweigerlich die Augen zu kneifen muss.



Die Geschichte beginnt an einer verwüsteten Tankstelle. Während Phillip (Lars Eidinger) nach Benzin sucht, sehen sich Marie (Hannah Herzsprung) und ihre kleine Schwester Leonie(Lisa Vicari) im Inneren um. Marie entdeckt ein Nachtlager, die Stimmung nimmt sofort bedrohliche Züge. Als der zwielichtige Tom (Stipe Erceg) erscheint um die unfreiwillige Reisegruppe zu erpressen offenbart sich die eigentliche Problematik des Films. Der ärgste Feind ist nicht die brennende Sonne sondern der Mensch selbst. Nach dem Zusammenbruch sämtlicher gesellschaftlicher Strukturen ist (in den Worten des Philosophen Thomas Hobbes) der Mensch dem Menschen Wolf, es herrscht das Recht des Stärkeren. Tom schließt sich der Zweckgemeinschaft an, wird sich im weiteren Verlauf der Handlung als wichtiger Verbündeter erweisen.

Am  Rande der Berge angekommen geraten sie in einen Hinterhalt, werden mit einer neuen Gefahr konfrontiert: Eine Sippe von Einheimischen macht Jagd auf vorbei Reisende, verschleppt diese auf ihren Hof. Der Film erlebt hier einen radikalen Bruch. Vom Endzeitfilm wechselt er das Genre hin zum Kannibalenschocker. Fehlbaums cineastische Vorbilder, eindeutig in den 70er und 80er Jahren verortet, sind Filme wie „Mad Max“ oder „the Hills have Eyes“. Gekonnt spielt er mit deren Motiven, deren Look, ohne dabei aber in Klischees zu verfallen oder sich deren exploitativen Charakter zu eigen zu machen. Mit den Genres wechselt zur Mitte des Films auch dessen Farbe. Hat Fehlbaum zunächst mt starken Überbelichtungen gearbeitet, so dominieren in der zweiten Hälfte des Films die dunklen Töne. Mit dem Ausbruch aus dem Verlies der Bauern kehrt dann das Licht auf die Leinwand zurück. Inszenatorisch großartig!



Im Zentrum von „Hell“ stehen drei starke Frauenfiguren. Da ist zunächst die  Protagonistin Marie deren Gefährte Phillip sich schnell als Hasenfuß erweist. Nachdem der übermütige Tom beim Versuch scheitert, Leonie aus den Fängen der Kannibalen zu befreien  ist sie völlig auf sich allein gestellt. Sie meistert die Aufgabe. Dann ist da die Mutter der Kannibalenfamilie, grandios gespielt von Angela Winkler. Das Kalkül und die Berechnung im Vorgehen dieser Frau, die einzig das Überleben ihrer Familie im Sinn hat, dafür aber offenbar bereit ist, alles zu tun, sind schlicht erschreckend. Und schließlich ist da Leonie die von der jungen Lisa Vicari so überzeugend gespielt wird, wie man es (so ehrlich muss man sein) in Deutschland nur selten von NachwuchsdarstellerInnen sieht.

„Hell“ beginnt unvermittelt, ohne großartige Exposition. Warum die Situation ist wie sie ist, bleibt im Dunklen, lediglich das Titelblatt einer Tageszeitung deutet auf Sonnenstürme als Ursache der Katastrophe hin. Genauso unvermittelt wie er beginnt, endet der Film auch. Marie, Leonie und Tom sammeln Wasser an einer Felswand. Am Himmel sind Vögel zu sehen. Es gibt also noch Hoffnung.


Bilder: (c) ww.hell-derfilm.de
Und wie verlangt, hier die nächsten drei Hefte aus DCs Relaunchwelle und das, was ich über sie denke. Ich habe im Übrigen gerade ein Problem. Es ist mir wirklich gelungen, meine ersten neun Hefte gut zu rationieren, noch immer habe ich zwei Hefte, auf die ich mich freuen kann. Doch die Zeit bis zur nächsten Lieferung meines Dealers ist noch lang. ich werde bald unter Entzugserscheinungen leiden, denn bislang bin ich mit der Qualität des Relaunchs sehr zufrieden. Da fällt das warten schwer...

Batman #1


"Knife Trick"
Autor: Scott Snyder
Zeichner: Greg Capullo
Inker: Jonathan Glapion
Cover: Greg Capullo


Story: Zu Beginn Action. In Arkham schlägt Batman Seite an Seite mit einem überraschenden Verbündeten einen Aufstand nieder.  Dann Ortswechsel: Bruce Wayne stellt auf einem Empfang seine Vision für das neue Gotham vor. Am Ende sehen wir den Dunklen Ritter am Tatort eines Mordes. Der Täter hinterließ eine Botschaft, nach der sein nächstes Opfer Bruce Wayne sein wird. Unter den Nägeln des letzten opfers findet Bats DNA-Spuren, nach deren Analyse wird einer seiner engsten Vertrauten zum Hauptverdächtigen...

Kritik: Scott Snyder ist wohl der derzeit am meißten gehypte Autor, den DC zu bieten hat. Nachdem er zuletzt Detective Comics auf hohem Niveau geschrieben hat, mach er genau dort nun in  Batman weiter. Der Kniff, die Geschichte vor dem Hintergrund einer Rede von Bruce Wayne zu erzählen ist durchaus innovativ, der Cliffhanger am Ende macht durchaus neugierig. Die Zeichnungen von Greg Capullo sind, wie immer möchte man sagen, ziemlich gut. 'Ziemlich' weil ich seinen mangaartigen Stil bei Batman nachwievor nicht zu 100% passend finde. Die Zeichnungen sehen sehr gut aus, sind mir aber stellenweise zu 'niedlich'. Das ist aber letztlich natürlich Geschmackssache...

Catwoman #1

"...And Most Of The Costumes Stay On.."
Autor: Judd Winick
Zeichner: Guillem March
Inker: Tomeu Morey
Cover: Guillem March


Story: Für Catwoman läuft gerade nicht alles rund. Nach einem Brandanschlag auf ihre Wohnung nimmt sie Zuflucht bei ihrer Freundin Lola. Diese vermittelt ihr nicht nur ein Penthouse, in dem sie vorübergehend leben kann, sondern gibt ihr den Tip, eine Party eines russischen Clans zu 'besuchen'. Nachdem die Party geringfügig eskaliert ist, sucht Catwoman Zuflucht in besagtem Penthouse, bleibt dort jedoch nicht lang allein...

Kritik: Dieses Heft hat in den USA für einen kleinen Skandal gesorgt, denn nicht nur dass die Protagonistin über das ganze hinweg ziemlich viel nackte Haut zeigt. Nein, am Ende erleben wir gar eine für amerikanische Verhältnisse erstaunlich explizite Szene, in der Batman und Catwoman ihre Körperlichkeit ausleben, wie es die Fanboys bislang kaum zu träumen gewagt haben. (War das jetzt zu diplomatisch formuliert? Die beiden haben Sex und das, wenn man Catwoan Glauben schenken will, nicht zum ersten Mal!) ich bin ganz ehrlich: Die Zeichnungen von Guillem March sind wirklich schön anzusehen. Judd Winnicks Geschichte wirkt alles in allem aber zu stringent auf den kalkulierten Skandal am Ende hin geschrieben. Dass Sex zum Stressabbau durchaus beitragen kann, wissen wir alle. Hier wirkt das Ganze aber doch etwas zu sehr gewollt. Dafür wurde das Kürzel T&A* einst erfunden, eine Serie kann das auf Dauern nicht tragen.

Green Lantern Corps #1

"I Fought The Law and Kicked Its Butt!"
Autor: Scott Lobdell
Zeichner:Fernando Pasarin
Inker: Scott Hanna
Cover: Kenneth Rocafort


Story: Im Mittelpunkt der Geschichte stehen die Backup Lanterns John Stewart und Guy Gardner, die hier in problematischen Situationen gezeigt werden. Beide haben sich bewusst dazu entschieden, ihr bürgerlichen Identitäten nicht zu schützen. Ihre Berufung als Green Lantern fällt ihnen nun jedoch im Privatleben auf die Füße. Beide düsen kurzerhand nach Oa um den Kopf frei zu kriegen, wo sie eine Einheit von Lanterns an die Seite gestellt bekommen, mit der sie brutale Ermordung anderer Ringträger aufklären sollen.

Kritik: Dieses Heft hat Spaß gemacht! Action und Story sind wohl dosiert. Bei gleichzeitig erstaunlich expliziter Gewaltdarstellung schreibt Tomasi hier eine richtig gute Auftaktgeschichte, deren Fortsetzung ich kaum erwarten kann. Einziger Wermutstropfen: Keine einzige neue Figur. Insbesondere beim Green Lantern Corps haben die eher schrägen Aliens immer Spaß gemacht. Davon wünsche ich mir zukünftig mehr. Dennoch kann dieses Heft jedem empfohlen werden.

*Tits & Asses

Bilder: (c) dccomics.com

Gerade gesehen: Melancholia

11. Oktober 2011
Dass die Welt dem Untergang geweiht ist, das macht Lars von Trier in seinem neuen Film Melancholia direkt in der ersten Einstellung unmissverständlich klar. In von Triers Welt ist dies jedoch noch lange kein Grund, auf ein rauschendes fest zu verzichten. Achtung, dieser Beitrag enthält Spoiler!

Zunächst Bombast. Musik von Wagner, dazu schier überwältigende Bilder eines kosmischen Zusammenpralls zweier Planeten, immer wieder unterbrochen von Zeitlupenaufnahmen eines zusammenbrechenden Pferdes, einer durch Spinnweben watenden Braut, einer Sonnenuhr, die zwei Schatten wirft. Der Untergang ist nah, so viel steht fest. Schnitt. Es bedarf schon besonderer Chuzpe darauf eine Slapstickszene folgen zu lassen, in der sich eine Stretchlimo eine enge Serpentine hinauf quält, immer wieder stoppt, zurück setzt, einlenkt, weiterfährt, stoppt, ...



Protagonistin des ersten Teils von Melancholia ist die unter Depressionen leidende Braut Justine (Kirsten Dunst). Von ihrer Krankheit merkt man zu diesem Zeitpunkt noch nichts, sie wirkt ausgelassen, als sie mit ihrem Mann Michael (Alexander Skarsgard) auf dem Rücksitz der viel zu langen Limousine turtelt. Auf dem Empfang ihrer Hochzeit angekommen, verdüstert sich ihre Stimmung jedoch zusehends. Es ist ihre Schwester Claire (Charlotte Gainsbourg) die sie aufzubauen versucht, die die Party in Gang hält, die die Spannungen in der Familie schlichtet. Nach Justines Zusammenbruch am nächsten Morgen ist sie es, die sie pflegt, sie in ihre kleine Familie aufnimmt. Vom Weltuntergang ist noch nicht viel zu spüren. Die Hochzeitsgäste feiern ausgelassen, auf die drohende Katastrophe deutet lediglich ein roter Punkt am Nachthimmel hin. Und Justines eigenartiges Verhalten. Die bislang erfolgreiche Werberin schafft es in dieser Nacht, ihren Job zu verlieren, ihre Familie gegen sich aufzubringen, ihren frisch gebackenen Ehemann zu vergraulen und als Wrack zurück zubleiben.

Und so ist es auch Claire, die zur Protagonistin des zweiten Teils wird und die Katastrophe in die Handlung zieht. Ob er sich sicher sei, dass der Planet die Erde verfehlt, fragt sie ihren Mann John (Kiefer Sutherland). Natürlich, die Wissenschaftler hätten das doch eindeutig berechnet, beruhigt dieser. Im Internet liest sie jedoch von gegenteiligen Theorien: nachdem der gewaltige Planet Melancholia die erde einmal knapp verfehlt, werden beide durch ihre Anziehungskraft im zweiten Anlauf doch auf einander prallen. Hat Claire gerade noch ihre kranke Schwester gepflegt, so kann man nun förmlich dabei zusehen, wie sie angesichts der Angst vor dem Tod altert und schwächer wird. Es sind die Tiere, die rumorenden Pferde im Stall, sowie die unruhigen Vögel am Himmel, die andeuten, dass es zu Ende geht. Und es ist Justine deren Fatalismus im Angesicht des Untergangs sie immer mehr vom Leben entfremdet, dabei aber immer stärker und souveräner macht. Sie ist es auch, die ihrem Neffen kurz vor dem Ende eine Zauberhöhle baut um darin ihn und ihre Schwester an die Hand zu nehmen, zu beruhigen und dem Tod entgegen zu gehen. Sie, die durch die Depression vermutlich ihr Leben lang den Tod vor Augen hatte, scheint hier plötzlich die Einzige zu sein, die einen kühlen Kopf behält.



Es ist gerade dieser zweite Teil, der Melancholia zum Erlebnis macht. Während der Film im ersten Teil durchaus mit einigen Längen zu kämpfen hat, entwickelt er sich hier zum Kammerspiel das seinen Fokus auf die gegensätzliche Entwicklung der Schwestern richtet. Beide Darstellerinnen spielen hier brillant auf, den Preis für die beste Schauspielerin in Cannes hätte Gainsbourg sicher genauso zugestanden wie Dunst. Von Trier entwickelt die Katastrophe in einer bedrückenden Stille, die lediglich von einem latent ansteigenden grollen gestört wird. Natürlich ist sich der Zuschauer von Anfang an der Unausweichlichkeit der Katastrophe bewusst. Doch ist es erst Wagners Musik, die sich in das immer lauter werdende Grollen mischt und endgültige Gewissheit schafft. Nie hat das Kino den Weltuntergang gleichzeitig so grausam direkt und subtil verspielt dargestellt. Am Ende ist dann absolute Stille.

Bilder. (c) http://www.melancholia-derfilm.de
Berlin ist natürlich immer eine Reise wert, klar. Derzeit gibt es für Filmfreunde, und insbesondere solche die sich auch für das Drumherum interessieren, aber einen besonderen Anreiz: Eine spannenden Ausstellung in der deutschen Kinemathek.

Die aktuelle Sonderaustellung im Museum für Film und Fernsehen stellt Storyboards von großen Filmemachern wie Coppola, Lang, Lucas, Hitchcock, Spielberg und vielen anderen aus. Für Leute wie mich, die sich bei großen Filmen immer wieder fragen, wie diese überhaupt entstanden ist, welche Etappen im Produktionsprozess zurückgelegt wurden und was für Menschen daran beteiligt waren, ein Fest.

Stoyboards sind, etwas plakativ ausgedrückt, graphische Entwürfe zu Szenen, die im Vorfeld des Dreh angefertigt werden um den Beteiligten Handlungsabläufe, Effekte, Kamerafahrten usw. zu erklären. Im Laufe der Filmgeschichte haben sich diese Zeichnungen zu einer eigenen Kunstform entwickelt, die leider zu Unrecht völlig abseits der allgemeinen Aufmerksamkeit steht. Die ersten Storyboards (auch wenn sie damals noch nicht so genannt wurden) entstanden  in den Disneystudios bei der Produktion von „Die drei kleinen Schweinchen“ (1933). Die Animateure fertigten Zeichnungen an, pinnten sie an eine Wand und veränderten immer wieder ihre Reihenfolge um so die Szenenentwicklung zu diskutieren. Die Methode hat sich bewährt und so wurde schon 1939 mit „Vom Winde verweht“ der erste komplette Spielfilm mit Storyboards vorbereitet.


Scorseses Zeichnungen zu Taxi Driver


Die Ausstellung zeigt die Entwicklung des Storyboards, ausgehend von diesen Klassikern in chronologischer Reihenfolge und zeichnet so in gewisser Weise auch die Geschichte des Hollywoodkinos nach. Dabei werden neben Informationen zu den jeweiligen Filmen und ihrern Regisseuren stets die Zeichnungen zu einzelnen Szenen ausgestellt. Daneben findet sich dann ein Bildschirm, auf dem die entsprechende Szene aus dem fertigen Film gezeigt wird. Besonders beeindruckt hat mich dabei eine Szene aus Panic Room (2002) von David Fincher. Die Szene dauert lediglich wenige Sekunden, zeigt eine Kamerafahrt durch ein Schlüsselloch. Die dazugehörigen Zeichnungen von Arthur Max stellen diese Szene jedoch in ganzen neun detaillierten Einzelbildern dar. Wenn man sich vorstellt, wie viel Arbeit hinter den Zeichnungen für einen kompletten Spielfilm stecken muss, kann man sich nur in Ehrfurcht verneigen.

Natürlich werden oftmals einzelne, besonders komplexe Szenen auf diese Art vorbereitet. Besondere Bedeutung hat das Storyboard dahingehend für die Freunde der Star Wars-Saga. Als George Lucas auf der Suche nach Geldgebern für „Krieg der Sterne“ war, empfahl ihm sein Freund Francis Ford Coppola ein Storyboard anfertigen zu lassen, um die für die damalige zeit absurden Ideen besser erklären zu können. Coppola selbst hat für viele seiner Filme diese Technik genutzt. Herausragend waren dabei die Zeichnungen von Dean Touvoularis für „Apocalypse Now“ (1979). Eines der Highlights der Ausstellung sind sicher die Bilder für Martin Scorseses „Taxi Driver“ die von niemand geringerem als dem Regisseur selbst angefertigt wurden. Nein, Scorseses Zeichnungen erreichen nicht die Kunstfertigkeit von professionellen Zeichnern. Dennoch ist es interessant zu sehen, wie der Altmeister offensichtlich jeden Schritt im Produktionsprozess seines Films in der Hand behalten wollte.


Hitchcocks Vögel

Denn Storyboards können auch in eine völlig andere Richtung gehen, als es sich der Regisseur vorstellt. So dargestellt am Beispiel des Films „Der Mann, der die Frauen liebte“ (1977) von Francois Truffaut. Der anonyme Zeichner wurde beauftragt, eine erotische Szene darzustellen, dieser war offenbar etwas übermotiviert und fertigte eine Bildfolge an, die schon fast an einen Softcorefilm erinnert. Zu viel für Truffaut, der im fertigen Film an dieser  Stelle schlicht einen brennenden Kamin einblendet.

Meine zwei persönlichen Highlights waren jedoch Harold Michelsons Zeichnungen zu Hitchcocks „die Vögel“ (1963) die den fertigen Szenen so sehr gleichen, bzw. denen der Film so gleicht. Denn in den Zeichnungen sind Bewegungsabläufe und Kamerafahrten so exakt vorgegeben, dass die Schauspieler eine perfekte Vorlage für ihre Rolle bekommen. Gleichzeitig sehen diese Zeichnungen schlicht so gut aus, dass sie sich vor modernen Horrorcomics in keinster weise verstecken brauchen. Mein zweites Highlights waren die Storyboards, gezeichnet von Maurice Zuberand, zu „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ von Mike Nichols. Diese enthalten so viele Regieanweisungen, dass sie den Schauspielern und Kameraleuten als visuelles Drehbuch dienten. Es ist schlicht beeindruckend, mit wie viel Liebe zum Detail dort vorgegangen wurde.

Ich kann wirklich nur jedem, der sich für Filme interessiert und in nächster Zeit in Berlin ist, empfehlen, sich diese Ausstellung anzusehen. Es lohnt sich!

Bilder: http://www.tagesspiegel.de/mediacenter/fotostrecken/berlin/storyboards-von-hitchcock-bis-spielberg/4489562.html?p4489562=4#image
Und hier sind die Reviews zu den nächsten drei Heften aus der großen Relaunchwelle von DC. Darunter eine große Enttäuschung, eine positive Überraschung und ganz viel Potential für tolle Geschichten!

Green Lantern #1


"Sinestro, Part One"

Autor: Geoff Johns
Zeichner: Doug Mahnke
Inker: Christian Alamy


Story: WTF! Hal Jordan ist seinen Ring los, kommt in seinem Privatleben mal wieder nicht so richtig klar und verscherzt es sich auch noch mit seinem Langzeit Love-Interest Carrol Ferris. Unterdessen versucht die neue Green Lantern des Sektors 2814, Sinestro, aus der Situation das beste zu machen. Er hat keine sonderlich große Lust auf das Dasein als GL, muss obendrein mit ansehen, wie sein eigenes Corps in seiner Abwesenheit beginnt Amok zu laufen. Am Ende sucht er Hal auf und verspricht ihm dass er seinen Ring zurück bekommt. Wenn er denn macht, was Sinestro sagt!

Kritik: Ja, auf diesen Titel hatte ich mich richtig gefreut. Und auch wenn Green Lantern #1 kein Überheft ist, so konnte es doch richtig gut unterhalten. Die nächsten Hefte werden sicher spannend, denn die Konstellation mit Sinestro als GL und Hal in dessen Abhängigkeit hat ein riesiges Potential. Johns baut mit diesem Heft eine große Geschichte auf, deshalb ist es wohl unfair es alleinstehend zu bewerten. Die Zeichnungen sind absolut solide, hauen mich nicht vom Hocker, fallen jedoch nicht negativ auf. Nur eines gibt mir zu denken: Angenommen, da kommt jetzt der ambitionierte Kinogänger aus dem Kinofilm und kauft sich dieses heft: ich befürchte, der wird ziemlich verwirrt sein.

Justice League International #1

"The Signal Masters, Part One"

Autor: Dan Jurgens
Zeichner: Aaron Lopresti
Inker: Matt Ryan


Story: Die Vereinten Nationen möchten ein eigenes Superheldenteam aufstellen, weil ihnen die 'große' Justice League zu autark agiert. Chef des Teams soll Booster Gold werden, das wiederum missfällt Green Lantern/ Guy Gardner der viel lieber mit den großen Jungens spielen möchte. Die anderen Mitglieder sind unbekannte Helden aus anderen Weltgegenden die unglaublich öde und klischeebeladen agieren. Gardner verlässt das Team, dies bricht unterdessen zu seinem ersten Einsatz auf und bekommt dort schnell Probleme. Der Cliffhanger am Ende ist eigentlich keiner, weil man genau weiß, wer sich im nächsten Heft 'überraschend' besinnen wird und als großer Retter erscheint...

Kritik: Nein, sorry aber das war mit Abstand das schwächste Heft aus den bisher von mir gelesenen Relaunchtiteln. Werde ich definitiv nicht weiter lesen, mehr möchte da fast gar nicht  schreiben, denn ein einziges Wort sagt da schon alles: LANGWEILIG!

Red Lanterns #1

"With Blood And Rage"

Autor: Peter Milligan
Zeichner: Ed Benes
Inker: Rob Hunter


Story: In der ersten Szene sehen wir, wie eine Gruppe fieser Aliens einen Typen nur so zum Spaß foltern, bevor die Red Lantern-Mietzekatze Dex-Starr eingreift. Während sich das Kätzchen im Kampf schnell unterlegen zeigt, wird sie von ihrem Herrchen Atrocitus gerettet. Dieser ist Anführer der Red Lanterns, sein Führungsanspruch wird jedoch von den anderen Mitgliedern des Corps in Frage gestellt. Im Weiteren Verlauf erleben wir eine längere Rückblende, die erklärt, wie Atrocitus zu dem wurde, was er ist. Daneben spielt ein Teil des Heftes auf der Erde: Ein alter Mann wird von einem Hooligan verprügelt, erliegt später seinen Verletzungen. Darüber geraten seine Enkelsöhne in einen heftigen Streit...

Kritik: Gleich zu Beginn sehen wir hier, in welche Richtung diese Serie wohl gehen wird: Red Lanterns dürfte wohl eine härtere, um nicht zu sagen brutalere Version des Green Lantern Corps werden. Und das erstaunt, empfand ich doch selbst dieses Heft schon als verhältnismäßig hart. Ich habe von diesem Heft ehrlich gesagt nicht sonderlich viel erwartet, wurde schließlich dennoch gut unterhalten. Für die kommenden Ausgaben ist bereits Potential gesät: Wir werden wohl bald die erste menschliche Red Lantern sehen, Atrocitus wird sich behaupten müssen ...das könnte durchaus spannend werden!

Neben der Geschichte können auch die Zeichnungen überzeugen. Sehr detailreich, die freakigen Aliens wurden richtig gut in Szene gesetzt. Das Heft macht damit insgesamt vieles richtig, was ich beim Green Lantern Corps vermisst habe.

Bilder: (c) DC Comics

Gerade gesehen: Contagion

26. Oktober 2011
Eine schwarze Leinwand, dann ein Husten. So beginnt Steven Soderberghs starbespicktes Katastrophenepos Contagion. Was folgt ist ein ausgesprochen ungewöhnlicher Blockbuster und ein etwas flaues Gefühl im Magen. Achtung, dieser Beitrag enthält Spoiler!

Als die Virulogin im Film erklärt, der Mensch würde sich täglich mehr als 4000 mal im Gesicht berühren und Keime von Bankautomaten, Waschbecken und Türklinken darauf verteilen, ertappt man sich im Kino schnell dabei, wie man aufhört, sich über den Bart zu streichen oder die Nase zu kratzen. Da steht er plötzlich im Raum, der vielfach gelobte Realismus in Soderberghs neuem Film. Aber das ist gar nicht seine eigentliche Stärke, wie ich finde.



Steven Soderbergh nähert sich seinem Gegenstand, der sich rasend schnell über den gesamten Globus ausbreitenden Seuche, von zwei Seiten. Zum einen ist da die technische, fast sterile Ebene. Immer wieder werden die Namen von Metropolen und Ballungsräumen in denen die Seuche ausgebrochen ist, sowie deren Bevölkerungszahlen eingeblendet. Immer wieder schwenkt die Kamera auf Bildschirme, auf denen die Landstriche markiert sind, in denen die Krankheit grassiert. Und immer wieder sehen wir Expertenzirkel, in denen Szenarien und Handlungsoptionen diskutiert werden, und in denen Wissenschaftler in nüchterner Sprache Hintergründe erläutern. Das Beruhigende daran: Diese Leute wissen oftmals genauso wenig, wie der kleine Mann auf der Straße, hier brillant dargestellt durch Matt Damon.

Und das ist die andere, die Mikroebene des Films. Wie geht ein Mann mit der Katastrophe um, der gerade seine Frau (Gwyneth Paltrow) und seinen Stiefsohn verloren hat? Soderbergh inszeniert gerade seine Geschichte mit sehr viel Empathie, verliert sich jedoch nicht darin und wechselt immer wieder die Szenerie. Wir sehen einen etwas aufgeregt wirkenden Blogger (Jude Law), der sich als großer Aufklärer darstellt, der sich als einziger nicht von den Aussagen der Politik und der Pharmaindustrie blenden lässt, sich dabei aber immer mehr von dem Hersteller eines homöopathischen Medikaments korrumpieren lässt. Wir sehen die Ermittlerin (Marion Cotillard) der Seuchenbehörde, die in China dem Ursprung des Erregers auf den Grund geht. Und wir schauen unzähligen Ärzten und Wissenschaftlern über die Schulter, wie sie an einem wirkstoff gegen die Krankheit arbeiten.

Wenn in Contagion Menschen ihr Leben verlieren, tun sie das ganz ohne Pathos und die für Hollywood typische Ästhetik. Und auch das ist eine Leistung dieses Films. Soderbergh bricht in diesen Momenten mit den Gesetzen des Hollywoodfilms und verleiht seinen Figuren damit eine Würde, wie man sie gern öfter in Katastrophenfilmen sehen würde.

Trotz des Aufgebots an Stars (neben den bisher genannten u.a. auch Kate Winslet, Laurence Fishburne, Armin Rohde) kennt Contagion keinen wirklichen Protagonisten, zu verzweigt, zu komplex ist die Handlung. Dennoch verliert der Film seine Stringenz in keiner Minute aus den Augen. Ein kleiner Wermutstropfen bleibt jedoch: Wegen der großen Vielfalt an handelnden Personen und involvierten Schauplätzen, bleibt für eine tiefgreifende Charakterentwicklung kaum Zeit. Um nicht falsch verstanden zu werden: Nein, Contagion ist keineswegs oberflächlich, doch wüsste man in mancher Szene gern genauer, mit wem man es eigentlich zu tun hat.



Contagion ist ein unaufgeregter Thriller, der seine Geschichte auf eine unkoventionelle Art erzählt. Ob es tatsächlich der Film des Jahrzehnts ist, wie angesichts des Casts kolportiert wurde, wage ich zu bezweifeln. Auf jeden Fall ist es ein Film, der sich erst einmal setzen muss, und so lasse ich mich jetzt, zwei Stunden nach Filmende, nicht zu einer abschließenden Beurteilung hinreißen. Anschauen lohnt sich aber auf jeden Fall!


Bilder: (c) http://contagionmovie.warnerbros.com

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