Zuerst einiges voraus: ich habe mir den Film vor ein paar Tagen bestellt und nun angesehen, da ich noch aus meiner eigenen Kindheit die Buchvorlage kenne und erstaunt war, als ich eine Verfilmung dieses Stoffes vorgefunden habe. Das hat mich deshalb erstaunt, weil die Geschichte an sich zwar berührend, aber doch so einfach und so kurz ist, dass ich mich fragte, wie man daraus einen 95! Minuten langen Trickfilm machen kann. Der Trailer hielt mich auch nicht gerade vom Kauf ab, also bitte. Zugriff.
Nun muss ich aber auch dazu sagen, dass ich für den Moment komplett der Möglichkeit beraubt bin, den Film auch wirklich in HD zu sehen, da der große TV hinüber ist, der kleine für die Kinder nur ein 4/3 15Zoll LCD ist mit XGA Auflösung und fehlenden Möglichkeiten HD zuzuspielen und mein Beamer ist stolze 11 Jahre alt und hat ein SVGA (800x600, bei 16/9 dann gerade noch 800x450 Pixel) und Möglichkeit Nr.3 (Computer) scheidet leider auch aus. Zwar haben wir etliche Computer zuhause, aber nur einer hat ein Bluray Laufwerk und nur einer ist performant genug, FullHD wieder zu geben (DualCore). Die anderen PCs sind leistungsmäßig nicht in der Lage. Wie es der Zufall will hat nun auch noch die Grafikkarte meines DualCore PCs einen Schlag und zeigt nach zwei oder drei Minuten Funktionalität nur noch diagonal laufendes Gezappel (an fünf verschiedenen Monitoren, also am Monitor liegts auch nicht).
Somit beschränkt sich meine Beurteilung der Qualität im Moment auf eine Sichtung in SD.
Über Auflösung oder feine Artefakte werde ich also kein Wort verlieren. Über Schwarzwert, Farbe, Kontraste jedoch schon. Da sehe ich Qualitätsunterschiede zwischen den Blurays auch auf dem 800x450 Pixelbild des Beamers. In Kontrast und Farbdarstellung ist der nämlich trotz seines Alters gar nicht so verkehrt. Ich habe das immer und immer wieder mit etlichen Filmen getestet. Die Beurteilung der Farbwerte und Kontraste geht über diese Anzeigemöglichkeit in Ordnung. Nur die Beurteilung der Schärfe, Auflösung etc. natürlich nicht.
So. Das nur zur Vorwarnung. Jetzt zum Eingemachten.
Zur Geschichte. Die Buchvorlage ist recht simpel gestrickt, doch steckt tatsächlich voller Möglichkeiten der weiteren Ausschmückung. Sie handelt von einem einsamen Mondmann, der in seiner Silberkugel am Himmel eingeschlossen mit Sehnsucht und Traurigkeit auf die Erde herunter blickt und all die fröhlichen Menschen sieht, die abends und nachts Feste feiern, Musik machen und tanzen. Gerne wäre der Mondmann ein einziges mal nur Teil dieser Festivitäten, wie gerne würde er ein einziges mal nur mit den Menschen zusammen lachen und springen, doch stattdessen muss er in seiner engen, silbernen Kugel sein Dasein fristen. Doch eines Tages saust ein Komet so dicht am Mond vorbei, dass der Mondmann ohne groß zu überlegen den Feuerschweif des Kometen ergreift und sich an diesem aus dem Mond heraus auf die Erde schleudern lässt. Der Komet verglüht vollständig - hinterläßt aber Brandspuren im Wald. Der Einschlag bleibt nicht unbemerkt und so machen sich Feuerwehr und Militär auf, um der Sache nachzugehen. Was sie vorfinden, ist ein blasses, schüchternes Geschöpf, das mit seiner Fremdartigkeit das Militär und ein Gericht dazu veranlasst den Besucher als gefährlichen Eindringling zu sehen und ihn ins Gefängnis zu sperren. Aus diesem kann er sich jedoch heimlich befreien, nimmt für kurze Zeit an einem nächtlichen Fest teil und erkennt schweren Herzens, dass sein Platz doch zuhause im Mond ist, da er hier auf der Erde doch nur von feindlich gesinntem Militär und Polizei wie ein Terrorist gejagt wird und tritt - mit einer bereichernden Erfahrung - seine Heimreise an.
In dieser Geschichte steckt (mit dem Wunsch danach "part of your world" zu sein) so ein bißchen disneysche Arielle, sowie etliche andere Analogien zu anderen Geschichten. Alles in Allem eigentlich keine schlechte Voraussetzung für einen ergreifenden Trickfilm.
Doch die Filmversion scheitert meiner Meinung nach an vielen unpassend eingebauten Nebenhandlungen, die den Fokus so derart verunschärfen, dass man manchmal gar nicht weiß, wem und aus welchem Grund man welcher Figur seine Sympathie schenken soll. Da sind Kinder, die nicht einschlafen können. Da ist ein Vater, der seine Tochter den ganzen Film entlang (mehrere Tage und Nächte) nur im Cabrio scheinbar ziellos durch die Gegend fährt. Da ist ein eroberungswütiger General, der durch eine dubiose Dame verführt von der Eroberung des Mondes träumt. Und alles ist so ... dahingewürfelt. Es ist fast, als schaute man drei oder vier Filme auf unterschiedlichen TV Sendern gleichzeitig mit ständigem Hin- und Herzappen. Die Handlungsstränge wirken nicht wie "aus einem Guß".
Überdies frage ich mich auch, welche Altersgruppe mit diesem Film angesprochen werden soll. Die Erzählung zieht sich so unnötig langsam hin, als müsse man die Geschichte debilen Zwei- oder Dreijährigen erzählen und gleichzeitig finden sich zwei Patzer in dem Film, die so überraschend kommen und in der behäbigen kleinkindgerechten Aufmachung deplaziert wirken. Es mag vielleicht für den einen oder anderen nicht besonders schlimm klingen, wenn der General plötzlich sagt: "Oh, da muss ich vorher nochmal brunzen gehen", aber was die Sequenz soll, in welcher sich der General den Raumanzug anzieht und seine Geliebte jeden Reißverschluß wieder aufmacht und ihn verführend auszieht, während eine spanische Wand im letzten Moment die Sicht verdeckt und stattdessen eine blubbernde Lavalampe zu sehen ist...
Klar, man kann sagen es besteht keine Gefahr für jüngeres Publikum, denn den erotisierten *Gag* mit der Lavalampe verstehen die Kinder nicht, aber für wen bitte, ist dieser Gag überhaupt eingebaut? Für Erwachsene? Welcher Erwachsene schaut sich freiwillig eine so langatmig erzählte Geschichte an? Hätte ich nicht prüfen müssen, ob der Film für meine Kinder geeignet ist, hätte ich ihn nach etwa 10 Minuten ausgeschaltet. Das zieht sich unheimlich und enthält oft retardierende Stellen, die nach Spannungsaufbau riechen, dann aber nicht korrekt ausgearbeitet werden und stattdessen als sinnlose Länge verpuffen.
Im Film muss der Mondmann, der zunächst nur Laute von sich geben kann, erst die menschliche Sprache erlernen, um dann bekannte Sätze zu formulieren wie "Nach Hause..." und man möchte ergänzen "telefonieren."
Der Film macht also aus dem Mondmann einen verlorenen E.T. auf der Suche nach dem Heimweg. Auch die Stimme des Mondmannes erinnert stark an die deutsche Synchronstimme des Ausseridischen mit den Heilkräften in der glühenden Fingerkuppe.
Die Bildqualität: So unglücklich die erzähltechnische Umsetzung ist, über eines kann man wirklich kaum streiten. Die technische Bildqualität ist über jeden Zweifel erhaben. Die Farben sind satt und lebhaft, die Kontraste (Nachthimmel) sind vorbildlich, die Helligkeit des Bildes liegt punktgenau da, wo sie sein soll. Und das Schönste: Die Zeichnungen folgen dem Stil der Buchvorlage so harmonisch, dass man vermuten können würde, die Zeichnungen im Buch wären Screenshots aus dem Film. Es ist selten, dass eine Buchverfilmung (noch dazu eine Verfilmung die Jahrzehnte nach dem Buch erscheint) sich so exakt an das Design der Vorlage hält. Es ist beinahe als betrachte man das lebendig gewordene Buch. Auch die neu hinzu gekommenen Ergänzungen schmiegen sich perfekt in die Vorlage ein.
Die Bewegungen der Figuren sind (mit ein paar klitzkleinen Ausnahmen für wenige Sekunden) durch den ganzen Film hindurch flüssig und glaubhaft. An ein oder zwei Stellen ist die Bewegungsauflösung stark reduziert.
Kleiner Exkurs in Animationstechnik: Im Zeichentrickfilmbereich werden meist keine 24 Bewegungsphasen pro Sekunde für die 24 Bilder pro Sekunde gezeichnet, sondern man begnügt sich mit 12 Bewegungsphasen, die man dann gleichmässig auf 24 Bilder aufteilt. Das sieht man bei den "Großen" wie Disney, Don Bluth (Mrs. Brisby.../In einem Land vor.../Feivel...) genau so wie bei japanischen Zeichentrickfilmen fürs Kino.
Im Bereich der TV Serien ist man manchmal noch bequemer und zeichnet hier und da zum Beispiel für Mundbewegungen oft nur 8 oder 6 Bewegungsphasen, die dann auf die obligatorischen 24 Bilder pro Sekunde verteilt werden. Das ist absolut üblich und auch nötig, um die hohe Zahl an TV Folgen mit eingrenzbarem finanziellem Aufwand zu erstellen. Davon sind alle TV Serien jeden Genres und Alters betroffen ob nun Biene Maja, Masters of the Universe oder South Park, Fullmetal Alchemist und Monster High...
Durchgängige 24 Zeichnungen pro Sekunde sind nicht üblich. In der einen oder anderen Actionszene wird vielleicht mal kurzzeitig die Bewegungsauflösung auf 24 Zeichnungen pro Sekunde herauf gesetzt, aber sobald die Figuren sich wieder in *normaler* Geschwindigkeit bewegen, spazieren, tanzen, miteinander Dialoge führen und ähnliches, wird im Bereich Trickfilm fürs Kino wieder auf 12, im Bereich TV-Serie auf 8 oder gar 6 Bewegungsphasen pro Sekunde herunter geschaltet.
Im "Mondmann" gibt es ganz wenige Stellen, an denen Figuren mit weniger als 12 Bewegungsphasen pro Sekunde agieren. Im Großen und Ganzen jedoch bleibt die Bewegungsauflösung auf hohem Niveau.
Dieser Film ist recht neu (2012) und daher mit Sicherheit direkt digital erstellt worden, das heißt ohne einen analogen Zwischenschritt über einen 35 mm Film, daher fallen auch Parameter wie der Bildstand (leichtes auf und ab Wackeln) und Filmkorn weg. Über Auflösung, Schärfe, Detailwiedergabe und Artefakte kann ich keine Aussage machen, das habe ich ja oben schon erklärt.
Die restlichen Parameter zeichnen ein hochwertiges Bild ab.
Ton. Ein weiteres Highlight ist die Tonqualität. Die Stimmen und Geräusche klingen voll und erwachsen und haben ein solides Fundament im Niederfrequenzbereich. Die Ortung gelingt problemlos. Der Filmton ist allerdings etwas *karg*. Es ist schwer zu sagen, woran das liegt. Technisch ist alles da, was Filmton braucht. Höhen, Mitten, Bässe, Dynamik, Räumlichkeit, Geräusche, Musik, klare Dialoge. Die technische Qualität stimmt. Und trotzdem wirkt der ganze Film ... tonlos. Die Dialoge kommen so häppchenweise mit Pausen zwischen Frage und Antwort, zwischen Aktion und Reaktion. Vielleicht hätte es dem Film und dem Ton gut getan, ihn aller überflüssiger Pausen zu bereinigen und ihn damit auf geschätzte 75 Minuten herunter zu kürzen. Die ganze Handlung würde dichter, die Spannung würde nicht immer so abreissen. Wie gesagt: die technische Qualität ist hoch.
Extras: Ein Menuepunkt "Extras" existiert. Was sich dahinter verbirgt, weiß ich aber nicht. Ich bin kein Fan von Extras und habe sie mir nicht angesehen. Laut Cover ein Making Of und ein Interview mit dem Regisseur (Stephan Schesch).
Tja... abschließend... hm... schwer. Es schmerzt sehr, dass die Erzählung selbst trotz einer wunderbaren aber sehr kurzen Buchvorlage mit wunderbaren Andockstellen für eine ausführlichere Darstellung so danebengemeiert wurde. Die Deutschen beherrschen offenbar einfach kein Storytelling (sad as it is). Die technische Qualität erfreut mit hoher Güte in jeder Disziplin und macht Spaß. Es erheitert mich gerade, in der Beschreibung zu lesen, auf der Bluray befände sich die "Uncut" Version. Ich sags ganz ehrlich: Dieser Film braucht ganz dringend eine "Cut" Version auf 70 Minuten. Noch besser wäre es, wenn die Macher, die sich so viel Mühe mit der optischen und akustischen Umsetzung gegeben haben, den ganzen Film noch einmal mit einem neuen, verbesserten Storykonzept erstellen. Einem Konzept, in welchem die Figuren in deutlicherer, emotionaler Beziehung zueinander stehen. Ein Konzept, in welchem die Beweggründe der einzelnen Charaktere sichtbarer werden und klarer wird, warum und wie das eine Handlungselement das nächste auslöst.
Und an die Macher: Lasst die Schnecke raus, die über den Tisch kriecht! Streicht die Verführungsszene! Es gibt bessere und lustigere und geeignetere, weniger derbe Wörter als "brunzen". Und gebt der Gitarre spielenden Grille auf der Konservendose entweder eine wichtigere Rolle (zum Beispiel als Erzählerin) oder streicht sie raus! Selbiges gilt für die Eule. Lasst sie die (geschwätzige, neunmalkluge) Informantin des Professors sein! Das erinnert dann zwar an Archimedes aus "Die Hexe und der Zauberer", aber so kommt sie im Film einfach zu oft vor, als würde sie was bedeuten - und hat letztlich doch keine Funktion. Das sind genau solche Elemente, die wirken, als käme da noch was... und dann kommt nichts.
Und für alle Eltern, die es noch nicht kennen und Kinder unter 6 Jahren haben: Kauft Euch das Buch (von Tomi Ungerer) und lest es Euren Kindern vor!
bewertet am 22.12.13 um 05:40