Internetsucht. Wie abhängig sind wir von den Neuen Medien?

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6. November 2011

Wer kennt das nicht? - Direkt nach dem Aufstehen, oft noch vor dem Frühstück wird erst mal das Email-Postfach kontrolliert. Hat man sein Handy nicht griffbereit fühlt man sich oft unvollständig. Wie abhängig sind wir eigentlich von den neuen Medien?

Zugegeben, ich wollte diesen Beitrag schon seit längerer Zeit schreiben und inzwischen sind die zwei Bücher die ich hier vorstellen möchte nicht mehr ganz taufrisch. Gerade in der letzten Zeit bemerke ich bei mir aber immer wieder Symptome wie sie in den Büchern beschrieben werden. Aber der Reihe nach.

Es war das erste Halbjahr 2010, als zwei Journalisten sich unabhängig voneinander einem Selbstversuch unterzogen. Die Frage die sie sich stellten war, ob es in unserer zeit möglich ist, vollkommen ohne Internet, Handy, Blackberry, Tablet, usw. auszukommen. Die Frage scheint zunächst einfach zu beantworten: Na klar kann man das, doch warum sollte man? Schließlich erleichtern einem diese technischen Errungenschaften das Leben doch ungemein. Dass dies keineswegs so selbstverständlich ist, zeigte sich jedoch schnell.

Zunächst wäre da der freischaffende Journalist Christoph Koch, der unter anderem in der Zeit, der SZ, Neon, Spiegel Online veröffentlicht.  Für sein Buch „Ich bin dann mal offline“ beschloss er für einen Monat ohne Facebook, Handy und Co auszukommen und seine Erlebnisse im Tagebuchstil zu dokumentieren. Was zunächst recht langweilig klingt, wurde tatsächlich eines der unterhaltsamsten Sachbücher, das ich im letzten Jahr gelesen habe (und das waren so einige...). Die Erkenntnisse die Koch gezogen hat, lassen einige interessante Rückschlüsse auf unsere gegenwärtige Gesellschaft und das Sozialverhalten der Menschen im Allgemeinen zu. Wer hat es noch nicht erlebt, dass eine getroffene Verabredung kurzfristig per SMS abgesagt oder verschoben wurde? - Ohne Handy wäre dies in dieser Form sicherlich nicht möglich geworden, ohne in seinem Bekanntenkreis als unhöflich und unzuverlässig gebranntmarkt zu sein. Heutzutage ist ein solches verhalten jedoch an der Tagesordnung.

Noch ambitionierter als Koch ging der Redakteur der Süddeutschen Zeitung Alex Rühle für sein Buch „Ohne Netz“ vor. Seine Sucht nach Kommunikationsmitteln ging zuvor soweit, dass er sein Blackberry im Schuhschrank versteckt hat, um heimlich auch während des Abendessens mit der Familie seine Mails checken zu können. Seine Offline-Zeit empfand er schließlich wie eine Zeitreise. Statt eine Information für einen Artikel zu googlen, musste er nun umfangreiche Recherchen in der Bibliothek anstellen. Für kurze Anrufe in der Redaktion musste er sich nun auf die schwierige Suche nach Telefonzellen machen.

Erstaunlich ist, dass beide Autoren die gleichen Erfahrungen gemacht haben. Sei es das „Phantomvibrieren“ in der leeren Hosentasche oder die bittere Erkenntnis, dass vermeintliche Freundschaften schnell einschlafen können, wenn man nicht zumindest virtuell präsent ist. Genau diese Erfahrung kam mir beim Lesen erschreckend bekannt vor. Ich erinnere mich noch, als vor einigen Jahren dieser unsägliche Facebook-Hype ausgebrochen ist. Während man zuvor beinahe jede Woche mündlich, per Telefon oder SMS zu Partys eingeladen wurde, wurden solche Einladung sukzessive nur noch via Facebook ausgesprochen. Wer dort nicht präsent war, blieb einfach außen vor. Ein anderes Beispiel:  In unserer Unibibliothek ist vor einiger Zeit das Internet ausgefallen. Während es sich im normalen Arbeitsalltag normalisiert hat, nach Büchern über den Onlinekatalog zu suchen, war man nun plötzlich auf den guten alten Zettelkatalog angewiesen. Erstaunlich viele Leute waren damit vollkommen überfordert.

Für mich hat das Lesen dieser Bücher zu der Erkenntnis geführt, dass ich  in meinem Alltag den neuen Medien einen viel zu großen Raum gegeben habe. Ich habe versucht, das Ganze etwas einzuschränken, die Mails nur noch drei mal am Tag zu kontrollieren, das Handy auch mal auszuschalten und Facebook kann natürlich nützlich sein. Täglich muss man es aber auch nicht bemühen. In letzter Zeit merke ich jedoch, wie ich zunehmend in alte Muster zurückfalle. Wie ist das bei Euch? Haltet ihr Leben ohne diesen Kram heute noch für möglich?

Bilder: (c) amazon.de

Kommentare

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Interessanter und nachdenklich stimmender Blog, in dem sich sicherlich jeder hier ein wenig selbst wiederfindet.

Woran ich es von alleine gemerkt habe ist mein Handy: Ich ertappte mich schon des öfteren, wenn ich aus dem Haus war und das Handy liegen gelassen hatte oder vergessen hatte das Ladegerät mitzunehmen, wie sich eine innerliche Unruhe breit macht. Mittlerweile bin ich sogar dazu übergegangen das Telefon fast den ganzen Tag mindestens lautlos zu haben und Vibration ist eh immer aus. Ich wollte da einfach raus aus diesem Modus, immer im Hinterkopf daran zu denken: hat mein Handy vibriert, oder war es nur ne Frequenz im Autoradio, die meine klapprige Plaistik-Innenverkleidung zum schwingen brachte?

Wenn ich nicht erreichbar bin oder sein will, dann bin ich es eben nicht. Facebook habe ich mich aus ähnlichen Gründen noch nichtmal angemeldet, wobei ich diesen Schritt demnächst wohl tun werde, aber das hat spezielle Gründe. Dennoch dieser Druck, den man kaum bemerkt, weil man einfach in gewisse Verhaltensmuster verfällt ist mir zu wider, auch wenn ich mich genauso wenig davon freisprechen kann, wie auch andere.

Das Thema Internet im Allgemeinen hat auch deutlich abgenommen und dennoch bin ich fast jeden Tag mehrere Stunden Online. Aber wie gesagt, nicht mehr so umtriebig und am Wochenende oder im Urlaub, versuche ich fast gänzlich auf Internet zu verzichten, außer ich will gezielt eine Info haben, denn ist ja nicht so, dass das Internet keinen praktischen Nutzen hat;)
Schlumpfmaster
10.11.2011 um 09:54
#12
Ein schöne gut geschriebener Blo!

Ja, je mehr Technik uns umhüllt und vorgaukelt, das es damit besser geht (Handy, PC, IPTV, SMS, MMS, Inet-Handy, E-Mail, PC-Arbeitsplatz, Auslandskunden die keine Uhr haben, ect.) und damit sich die Welt schneller dreht, muss ein jeder wahnsinnig aufpassen, das er nicht in diesem Teufelskreis endet und das reale Leben darüberhinaus verlernt.

Ich verbringe auch viel Zeit am Tag mit all diesen Dingen und nutze sie. Ich bin aber auch mal richtig froh, wenn ich die ganzen Sachen links liegen lassen und ohne Technik Zeit verbingen kann :)

Doch ist der Grat zwischen sinnvoller Nutzung und davon Abhängig sein sehr schmal geworden, den nicht mehr jeder gefahrlos beschreiten kann.

Ok manche Leute nehmen sich aber auch selbst viel zu wichtig und sind nicht Lebensfähig, wenn sie nicht 100 Mail, 200 SMS, 70 Anrufen, 1.000 Post in WWW, etc. am Tag geschafft habe!

Muss jeder für sich entscheiden was ihm wichtig ist ....
Olorin
07.11.2011 um 22:53
von Olorin
#11
ich fasse mal zusammen:

zu Hause: Smartphone mit Flats, Whatsapp, E-Mail-Push und für die wichtigen Sachen die Facebook App, 3 Telefonanschlüsse, 5 TV-Anschlüsse, diverse Lan-Verbindungen + WLAN (auf einer Etage), der Mac mit den beiden Bildschirmen ist immer an, wenn ich on, öhöm wach bin, es wird auch nicht mehr geklingelt, sondern angerufen, erster Blick nach dem Aufstehen geht aufs Handy, was es neues gibt, dann auf die digitale Funkuhr

Arbeit: Smartphone mit Flats, Whatsapp, E-Mail-Push und für die wichtigen Sachen die Facebook App, in der Regel 2 Telefone selber, ein Rechner mit 2 Bildschirmen dran default daueron, E-Mail-Programm und Browser immer auf, mindestens 2 Rechner, 2 E-Mail-Accounts, digitale Kommunikation überall

Urlaub: hier war der letzte Urlaub gaanz schlimm! 2 Jungs, 2 Mädels - alle 4 Smartphones (3 iPhones und ein anders denkender), alle Internetflats - spätestens wenn wir uns irgendwo niedergelassen haben brauchten wir sofort einen eigenen Satelliten - schon traurig
man guckt ja auch in keine Karten mehr oder redet gar mit Fremden/Einheimischen - man hat ja Smartphones
und juhu, ich kann jetzt auch im Ausland günstig surfen :(

wie viele hunderte SMS ich alleine schon geschrieben habe, obwohl der Mensch so nah war, dass ich ihn hätte mit meinem Handy am Kopf treffen können will ich hier gar nicht erst ausführen!
---------------------------------------------------------------------
unterm Strich:
dies ist nur ein kleiner Ausschnitt und in Wahrheit noch viel schlimmer, aber so lange das Leben von anderen Menschen zu 60% ins Internet verlegt wurde und man Kontakt über Ländergrenzen uns so weiter hinaus halten möchte ist es schwierig ein Buch zu lesen und dabei einen tiefgründigen Brief zu schreiben, weil dafür läuft das Leben leider zu schnell (inzwischen)
ist logisch, dass man rastlos, gereizt und reizüberflutet ist
ist gut das ganze mal zu schreiben und zu überdenken --> ich stimme zu, dass ein Mittelweg wahrscheinlich die beste Lösung ist

wow, daraus hätte ich locker nen eigenen Blog machen können! :)
So, ich guck jetzt zur Beruhigung was IPTV
aer0x
07.11.2011 um 19:44
von aer0x
#10
Ich lebe schon ziemlich stark vernetzt. Auf Arbeit sitze ich die meiste Zeit vor dem Bildschirm, sodass ich neue Mails (fast) in Echtzeit sehe. Ja, auch mein Telefon kann Internet, nutze ich aber sehr selten. Ja, ich bin auch bei Facebook (dafür muss man sich heutzutage ja schon fast rechtfertigen, so verpönt ist das), aber das nutze ich sehr bewusst.
Wenn ich in den Urlaub fahre, dann rufe ich ein bis zwei Mal am Tag meine Mails ab. Ansonsten ruht mein Onlineleben dann aber. Onlinegaming mache ich auch nicht, ist mir zu zeitraubend.
Ich weiß nicht, ob ich ohne Online leben kann/möchte. Mir ist diese Thematik aber schon bewusst, und ab und zu denke ich auch dran. Ist interessant, die beiden Bücher wollte ich auch schon lange mal lesen :).
Dash_HB
07.11.2011 um 11:20
#9
Ich muss sagen nach dem lesen der vielen (wow) Kommentare bin ich echt überrascht, wie relaxt die Mehrheit mit dem Thema umgeht. Schön, dass das hier anscheinend alle so gut im Griff haben. Überraschend auch, weil ich dachte dass bei den ganzen technik-affinen Leuten hier mehr polarisiert. Vielleicht bewege ich mich ja im echten leben einfach nur in einem Umfeld, in dem das ganze problematischer erscheint, als es tatsächlich ist.
meine wenigkeit
07.11.2011 um 10:34
#8
Naja, natürlich könnte ich ohne den ganzen Kram leben (bin ja noch aus nem Jahrgang der OHNE die ganzen Spielereien groß geworden ist...
Wie jedoch @Nocturnus ganz richtig fragt - ist es erstrebenswert?!
Die Wahrheit liegt gleube ich in der Mitte: Ich möchte Heute nicht mehr wie früher 20 Kg Brockhaus wälzen müssen, da schätze ich das Netz sehr wohl, ich genieße es auch sehr meinem Hobby hier drin mit Bekannten aus dem Netz gemeinsam zu fröhnen und sich auszutauschen! Wo es anfängt verfänglich zu werden ist wenn Menschen Ihren sozialen Stand über Ihre Netzpräsenz zu definieren, wenn man sein RealLife (mit dem man vllt. Totunzufrieden ist) hinter der schönen I-Net Phantasiewelt zurückstellt und teils sogar ganz aufgibt (s. die Auswirkungen von WoW auf manche Player). Auch total albern dieses ganze rumgetippsle auf diesen dummen Glasplatten (I-Phone und Konsorten), erst neulich lief vor mir einer auf ne Laterne (kein Scherz) - vor lauter Wichtig sein! Nich falsch verstehen - es gibt vllt. Jobs da sind die Dinger von Nutzen, da gehört aber 80% der User nich dazu! Ich bin froh wenn ich Nicht erreichbar bin (Handy), I-Net wird 1-2x Tag angemacht, max. 1 1/2 Std/Tag...
Schnitzi76
07.11.2011 um 08:46
#7
Facebook nutze ich nicht, mein Handy ist nicht Internetfähig und meine E-Mails checke ich nur einmal am Tag. Dafür bin ich sehr viel hier unterwegs .... bin ich noch normal? ;-)
Gandalf123
07.11.2011 um 07:16
#6
Generell interessant... Aber sind alte Muster (noch) erstrebenswert? Was spricht gegen die ständige Verfügbarkeit von Kontakten und Informationen? Und wie lange sind die neuen Medien noch neu?
Wichtig ist in meinen Augen nur sich selbst dabei nicht aus den Augen zu verlieren und bewusst entscheiden zu können, ob und wann man das erreichbar sein will und sich auch mal zurückziehen zu können.
Nocturnus
07.11.2011 um 07:13
#5
Also im Urlaub habe ich kein Problem mal 2 Wochen ohne TV und Internet zu sein. Aber wenn man es ständig um sich rum hat, muss man es eben auch nutzen ;)
Bin übrigens immer noch stolz darauf nicht bei Facebook zu sein :D
EllHomer
07.11.2011 um 00:41
#4
Internet ist wichtig, Email auch. Ständig online bin ich nicht, Handy und SMS wird zwar genutzt, aber nicht permanent. Und Facebook sowie die ganzen sozialen Netze geht ja mal gar nicht. ;)
tantron
06.11.2011 um 23:14
#3

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