Im Museum - ganz ohne Appetit
Nachdem auch der letzte der Redakteure mit seinem Interview fertig ist, brechen wir auf in „The old operating theater museum“ in der St. Thomas Street. In einem größeren SUV nehmen wir zu fünft auf den zwei hinteren Reihen Platz, vorn Links sitzt Carla unsere Ansprechpartnerin von HBO und rechts neben ihr nimmt ein durchtrainierter Mittfünfziger Platz. Gut denke ich mir, braucht sie tatsächlich einen Bodyguard? Ach nein, schon wieder! Das Lenkrad ist rechts, der Fahrer! Warum kann ich mir das nicht merken?
Wir tingeln durch den immer noch zähflüssigen Verkehr. Nur am Rande sehe ich ein paar Sehenswürdigkeiten an mir vorbeihuschen. Bin ja schließlich nicht zum Sightseeing hier. Nach ca. 20 Minuten kommen wir am Museum an. Wir schlängeln uns eine enge Wendeltreppe in das wirklich mehr als ungewöhnliche Museum hinauf. Es ist das älteste seiner Art in Europa und es befindet sich im Dachstuhl der St. Thomas Kirche, dem früheren Platz des St. Thomas Krankenhauses.
Im heutigen Museum, welches seine Existenz mehrerer glücklicher Umstände zu verdanken hat, wie ich später erläutert bekommen werde, ist unter anderem ein originaler Operationssaal aus einer Zeit, wo Narkose und sterile Instrumente noch keinen Zugang zu Einrichtungen dieser Art hatten. Die Sterblichkeitsrate war dementsprechend hoch. Eine restaurierte Kräuterapotheke (Herb Garret), in der wir vergeblich das oft in der Serie erwähnte Opium suchen, originale medizinische Geräte, unglaublich viele schaurige Gerätschaften, deren Handhabung ich mir nicht erklären lasse, sowie präparierte menschliche Ausstellungsstücke lassen mich an meinem Appetit erneut zweifeln.
Als ich den Operationssaal entdecke, stockt mir fast der Atem, er sieht dem Operationssaal aus „The Knick“ zum verwechseln ähnlich! Noch immer habe ich die Bilder der blutigen und leider #ACHTUNG SPOILER# wenig erfolgreichen Kaiserschnittentbindung #SPOILERENDE# aus der ersten Folge im Kopf. Es erschaudert mich zutiefst, dass die Operationen vor Publikum vollführt wurden. Ernsthaft krank sollte man jedenfalls besser nicht gewesen sein, oder schwierig schwanger. Noch tief in Gedanken versunken reicht mir ein freundlicher Kellner ein Glas Rotwein. Das ist aber entgegenkommend! Die Snacks lasse ich aber vorerst noch weg.
Wir bekommen eine Vorführung in dem Operationssaal, in der uns die Museumsleiterin detailliert und anschaulich erklärt, wie denn solche Operationen, die nicht länger als eine Minute dauern durften, vollführt wurden. Meist handelte es sich um Amputationen.
Ein Auszubildender von HBO leistet ihr mehr oder weniger freiwillig Hilfe, in dem er sich als Kranker zur Verfügung stellt. Seinem bangen Blick nach zu urteilen macht er dies zum ersten Mal und auch mit großem Respekt, was denn auf ihn in den nächsten Minuten zukommen wird. Mit den sehr anschaulichen Schilderungen der Leiterin werden ihm so in ein paar Minuten ein Arm und leider auch beide Beine abgenommen, je nach zeitlicher Epoche in einem anderen Verfahren. Seine Eingeweide werden wieder zurück in seine Bauchhöhle gedrückt, nachdem er sich erlaubte, zu zeitig aufzustehen. Auch dies erinnert mich an Ausschnitte aus „The Knick“. Hat noch jemand Hunger?
Ich genehmige mir mit Anna noch ein Glas Rotwein. Nach einem weiteren Rundgang durch die Räumlichkeiten mit dem Wissen, welches wir jetzt durch die Vorführung um die Gerätschaften und ihre Handhabung erhalten haben, verzichten wir auf die Snacks großzügig noch ein weiters Mal. Wir treffen Andre Holland auf unserem Rundgang, sodass wir noch jeder ein Foto mit unserem Interviewpartner machen können. Wo er denn schon mal da ist.