Jetzt endlich konnte ich EVEREST sehen, einer der Top-Highlights
meines Filmjahres.
Ein paar Dinge vorweg: Die indirekte Buchvorlage von John Krakauer
ist eines meiner Lieblingsbücher. Genauso habe ich aber andere
Darstellungen beteiligter Bergsteiger gelesen, da in Krakauers Buch
nicht alle Protagonisten wie Anatoli Boukrev gut wegkommen.
Krakauers in eisigen Höhen halte ich für eine der besten Bergbücher
aller Zeiten, aber es ist auch ein sehr schwer verfilmbares Thema,
da an der 96er Tragödie mehrere Teams (allen voran die
kommerziellen Expeditionen von Mountain Madness und Adventure
Consultant), aber auch noch weitere Teams, die im Film kaum eine
Rolle spielen.
Regisseur Kormakur nimmt uns mit auf die Reise zum wohl
menschenwidrigsten Ort der Welt. Da ich bereits selbst einen Teil
der Route, also bis zum Basecamp begangen bin, hab ich mich gefreut
das man wirklich vor Ort in Nepal gedreht hat. Die Bilder sind
erwartungsgemäß spektakulär, besonders dann wenn die Expedition
richtig beginnt. Was am Anfang noch durch schöne Luftaufnahmen und
Bergsteigerromantik prachtvoll in Szene gesetzt wird, schlägt beim
Eintreffen der Unwetterfront in einen nackten Überlebenskrimi um.
Die Umgebung wird schlagartig menschenfeindlich und der Kampf ums
nackte Überleben ist in tolle Bilder verpackt. Kormakur ist sehr um
Authenzität bemüht, so entspricht die Ausrüstung dem damaligen
Standards und es wird auch wenig hinzugedichtet. Die Inszenierung
ist dich und spannungsreich, was aber etwas Zeit braucht bis sich
eben die Ereignisse überschlagen.
Hier und da hätte ich mir etwas mehr Hintergründe und Tiefgang
gewünscht, aber es ist natürlich klar das man bei einem Spielfilm
Abstriche machen muss. So wird beim Film nicht wirklich immer klar
was (laut Krakauer) die Ursachen für das Desaster sind, die eben
nicht nur durch das Wetter bestimmt wurden sondern auch durch
Verkettung von Fehlern der Bergführer. Auch das viele der
Teilnehmer gar nicht auf den Berg hätten gehen dürfen, da es ihnen
an Können und Fertigkeiten fehlt, kommt nicht immer so tragend zum
Vorschein. Mit diesen Abstrichen kann man aber leben.
Außerdem ist es aufgrund der vielen Beteiligten schwierig eine
allumfassende Darstellung zu erzählen, da der Films dann mindestens
3 Stunden gedauert hätte. Man konzentriert sich im Film also auf
die beiden wichtigen Expeditionen und einige der beteiligten
Schlüsselfiguren wie die Bergführer Scott Fisher und Rob Hall,
sowie einige der tragischsten Figuren Doug Hansen, Beck Weathers
und Krakauer selbst. Eine sinnvolle Entscheidung, anders würde man
ohne Hintergrundwissen kaum noch durchblicken wenn die Ereignisse
ihren Lauf nehmen. Um die dramatischen Ereignisse besser greifbar
zu machen, werden auch Familienmitglieder einbezogen was als
Zuschauer einen besseren Bezug erlaubt. Jason Clarke (der letztens
in Terminator noch total fehlbesetzt war) macht einen sehr guten
Job, Jake Gyllenhall wird etwas verschenkt und halte ich nicht für
ideal besetzt. Brolin spielt den tragischen Part von Weathers gut,
der sicherlich durch die Ereignisse einer der interessanten
Teilnehmer der Expedition ist. Den weiblichen Co-Parts kommen nur
kleinere Parts der Daheimgebliebenen Familienmitgliedern zu.
Das 3D ist gut und dezent, hätte ich aber dennoch nicht gebraucht.
Zum Glück gibt’s keine Effekthascherei, so das ich mich schon auf
die 2D Disc freue.
Fazit: Starker Film über die Everest-Katastrophe mit spektakulären
Aufnahmen vom Berg der Berge und spannender Inszenierung. Das Buch
ist zwar noch eine andere Liga, aber das sollte keinen Abschrecken
diesen Film zu sehen. Der beste Bergsteigerfilm bleibt für mich
zwar NORDWAND, aber EVEREST ist dicht dran. 8,5-9/10
Edit: Das der Everest-Tourismus nicht angeprangert wird hat einen
einfachen Grund. Der Film spielt in Nepal und Nepalesen haben am
Film mitgearbeitet. Der Everest Tourismus ist eine wichtige
Einnahmequelle in dem aktuell erst wieder arg gebeutelten Land. Es
wäre nicht wirklich ein gutes Zeichen hier dann noch als Hollywood
Regisseur mit dem erhobenen Zeigefinger daherzukommen, wie doof es
doch ist dort rauf zu klettern. Da ich selbst das Land gern und
hoffentlich auf bald wieder bereise und die Leute dort sehr mag,
wollte ich das nochmal loswerden.