2049 steht etwas zwischen den Stühlen: Für
Blockbuster-Kino recht anspruchsvoll - für anspruchsvolles Kino
teilweise oberflächlich und wenig fokussiert.
Gerade beim philosophischen Subtext wurden mir zu viele Dinge
durcheinander geworfen. Manche Dinge gehen auf, andere hingegen
wirken zu forciert:
Mir gefällt das Vermeiden einer Auflösung ob gewisse Figuren
menschlich oder artifiziell sind. Dass die Linie, wo Maschine-Sein
aufhört und Mensch-Sein beginnt immer mehr verschwimmt, ist einer
der wichtigsten Punkte von
2049. Da ist es auch
folgerichtig, dass sowohl der Zuschauer als auch die Person selber
nicht weiß, was sie ist. Damit wird auch der Schaffungsprozess (das
vermeintlich definitive Unterscheidungsmerkmal) endgültig für
irrelevant erklärt.
Ich mag auch die Idee, dass man den Ansatz von Replikanten auf
virtuelle KIs übertrug. Nicht wissen zu können was selbstständiges
Bewusstsein und was programmierter Algorithmus ist, erfährt gerade
im Kontext zur romantischen Liebe einen paranoiden Anstrich. In dem
Moment wo eine KI einer anderen Person den Namen Joe (Average)
gibt, glauben wir noch die KI aufgrund ihres fehlendes
Individualismus durchschaut zu haben. Im nächsten Moment will diese
KI aber Sterblichkeit erfahren um das größte Unterscheidungsmerkmal
zwischen digitaler und natürlicher Person aufzuheben, und wir
Zuschauer sind uns wieder unsicher, ob sich mittlerweile doch ein
eigener Charakter gebildet hat oder immer noch eine Programmroutine
abgespult wird.
Andere Themen wie Erinnerungen und der Reproduktionsprozess wurden
hingegen nicht so elegant in die Handlung integriert: Ersteres wird
primär für einen effekthaschenden Moment gegen Ende verwendet. Man
hätte den Erinnerungen eine größere Funktion als das einfache
Triggern von Verhaltensmuster und die Unterfütterung eines Twists
beimessen können. Das dargestellte Synthetisieren dieser
Erinnerungen trägt nicht Identitätsbildung der Figur bei und hat
dem zur Folge kaum philosophische Tiefe. Das Reproduktionsthema
hatte Potential für den Sehnsucht nach Selbstbestimmung und einem
Vermächtnis, wurde aber hauptsächlich als McGuffin für einen
drohenden Konflikt verwendet.
Des Weiteren ist es eine Sache Charaktere mit den Namen Joi und Luv
zu installieren, aber dass deren Schicksal dann noch eine
symbolische Verknüpfung haben muss, trug für meinen Geschmack zu
dick auf. Subtil geht anders. Auch die uns bekannten Problemfelder
Rassismus und Kinderarbeit wurden in die Zukunft versetzt. So
richtig neue und spannende Erkenntnisse liefert uns Villeneuve aber
nicht. Klar, es soll zum Worldbuilding beitragen, über mehr als
einfache Randnotizen kommt es aber nie hinaus. Es kommt halt darin
vor, weil „Dystopie“.
Bei Optik & Stimmung trumpfen Villeneuve und Deakins aber ganz
stark auf: L.A. scheint im Dreck unterzugehen, San Diego wurde zur
Mülldeponie umfunktioniert und die restliche Welt scheint
dekontaminiert zu sein. Als Kontrast fungiert die
Replikantenschmiede, welche sowohl lebendige als auch kalte
Elemente vereint (warme Farben & Wasser vs. steriler Look &
kantige Architektur). Damit wird Bezug auf die Schizophrenie von
künstlichen Leben genommen. Beim Design der technischen Geräte
wählte man einen Retro-Look, der wie eine 80er Zukunftsfantasie
wirkt und damit auch die Verbindung zum Vorgänger wahrt. Dank der
hervorragenden Kameraarbeit kann man sich an diesem
Sci-Fi-Noir-Look gar nicht sattsehen. Der Soundtrack vermeidet
weitestgehend Melodien, besteht hauptsächlich aus schiefen,
digitalen Klängen und trägt damit zur unwirtlichen Stimmung
effektiv bei.
Beim kohärenten Worldbuilding gibt es Licht & Schatten: An sich
ist die Welt seit dem ersten Teil logisch weitergesponnen worden:
Entwicklungen aus dem ersten Teil führten zu Gesetzesänderungen,
welche wiederum neue Problemfelder eröffneten und die Gesellschaft
verändern. Auf der anderen Seite finden sich in der Story immer mal
kleinere Ungereimtheiten, die man so hinnehmen muss. Ich bin immer
zu einem gewissen Maß zur
Suspension of Disbelief bereit,
aber wenn sich diese dystopische Version so verdammt ernst in
seinen Allegorien auf die heutige Zeit nimmt, dann wäre hier ein
wenig Feintuning wünschenswert gewesen.
Die emotionalen Noten verfielen leider auch etwas ihr Ziel. Die
Welt ist natürlich kalt und nur schwer nahbar, das ist eben Teil
der inneren Philosophie von
Blade Runner. Wenn an mancher
Stelle aber dennoch eine Emotion beim Zuschauer heraufbeschwört
wird und diese dann ausbleibt, dann hätte ich mir etwas weniger
Gleichgültigkeit gewünscht.
Unterm Stricht ergibt das einen guten Film, stimmungstechnisch
sogar einen überragenden. Aber als Ganzes kommt er nicht mal in die
Nähe des Begriffs Meisterwerk. Dafür ist er zu sehr von seiner
Optik und seiner Stimmung abhängig. Der Inhalt kann da leider nicht
ganz mithalten.
(7/10)