Zitat:
Zitat von ubo69
Erst mal vielen Dank für die Klarstellung. :thumb: Leider driftet
es hier auf dem Board schnell ins persönliche ab.
Ich möchte Film mal grundsätzlich mit Kunst gleichsetzen (man
spricht ja nicht umsonst von Filmkunst). Da gibt es ja
grundsätzlich zwei Interpretationsrichtungen: Zum einen, dass es
Aufgabe des Betrachters (Konsumenten) ist, herauszufinden, was der
Künstler mit dem Werk ausdrücken wollte, zum anderen, dass für den
Betrachter nur zählt, was er selbst aus dem Kunstwerk mitnimmt, es
also die unmittelbare Wirkung des Werkes ist, auf die es ankommt.
Ich habe hier mal zwei Beispiele, die ich das Glück hatte, live
erleben zu dürfen.
http://www.kunsthaus.ch/keller/images/secession/mondschein.jpg
http://www.hamburgerbahnhof.de/media/26143/Beuys3.jpg
Das Gemälde von Albert von Keller im Kunsthaus Zürich
hat eine totale Faszination auf mich ausgeübt, die Abbildung gibt
leider nur sehr unzureichend das Farb- und Lichtspiel wieder. Ich
habe bestimmt eine Viertelstunde davor gestanden und wollte gar
wieder weg. Das war eine sehr starke emotionale Reaktion, total
direkt und völlig ohne verstehen. Die Installation von Joseph Beuys
im Hamburger Bahnhof in Berlin hat mich erst einmal gar nicht
berührt. Ein Audioguide hat mir dann erklärt, was das ganze
ausdrücken sollte und was sich Beuys dabei gedacht hat, wie die
Geschichte des Werkes ist usw. Ich habe das kognitiv nachverfolgen
und ein Stück weit sogar nachvollziehen können. Ich konnte seine
Arbeit im Nachhinein wertschätzen. Vom Keller würde ich mir eine
Reproduktion sofort in die Wohnung hängen, der Beuys erzeugt bei
mir nur Schulterzucken. In beiden Fällen war meine
Erwartungshaltung geprägt von den in Presse verfügbaren
Beschreibungen der Sammlung der beiden Museen. Ich glaube schon,
eine ganz "richtige" Vorstellung von dem gehabt zu haben, was mich
dort erwartet. Das hat jedoch keine Auswirkung darauf gehabt, was
mir gefiel oder nicht.
Nun ist es sicherlich ein weiter Weg von Filminstallationen, die
z.B. auf der Documenta gezeigt werden, zu Kinofilmen gleich welcher
Couleur. Ich bin jedoch grundsätzlich bereit zu unterstellen, dass
auch mit Kinofilmen nicht nur eine inhaltlich/moralische sondern
auch einen künstlerische Botschaft verbunden sein kann. Letzere
kann dekorativ wie z.B. Kameraeinstellungen, Farbgebung etc. oder
auch abstrakt wie z.B. Reminiszenzen oder dissonale Sequenzen sein.
Hier spielt dann die Erwartungshaltung bestimmt auch wieder eine
große Rolle, also ob man z.B einen Unterhaltungsfilm, eine
Dokumentation oder einen künstlerischen Ausdruck erwartet. Folgt
man der Schule der unmittelbaren Eigenwirkung des Films, zählt
letztlich jedoch der autarke, unerklärte Eigeneindruck des
Betrachters. Und je nach dessen Persönlichkeit kann seine
ausgelöste Emotion sich völlig von der seines Sitznachbarn
unterscheiden. Selbst wenn der Künstler selbst (ist das beim Film
alleine der Regisseur?) haarklein darlegen würde, was jede Szene im
Film zu bedeuten hat, und wo deren "Sinn" und der des gesamten
Werkes läge, obläge es immer noch dem Betrachter, ob er diese
Erklärung für sich annehmen würde. Ob dieses Wissen seinem Gefallen
zu- oder abträglich ist, ist dann noch mal ein ganz anderes
Thema.
Soll heißen, imho zählt vor allem der unmittelbare Eindruck, den
der Zuschauer im Kino hat. Bei den allermeisten wird eine
Erwartungshaltung wohl von Trailern, Vorschauen und
TV-Dokumentationen gestaltet. Nicht umsonst wird ja immer wieder
geklagt, dass darin gezeigte Szenen im Kinofilm gar nicht
auftauchten. Es gibt meiner Meinung nach keine "falsche" oder
"richtige" Erwartung, genauso wenig wie es eine "falsche" oder
"richtige" Emotion gibt. Der Zuschauer nimmt aus dem Film mit, was
er erlebt hat. Sein komplexes Persönlichkeitsgefüge beinflusst, wie
ihm das Werk gefällt. Insofern ist es glaube ich nur angemessen,
jedem Zuschauer sein eigenes Empfinden zuzugestehen, und ihm nicht
zu unterstellen, dass es "falsch" sei, nur weil man selbst es
anders empfunden hat. Ob man das Werk als "sinn"-los oder
"sinn"-voll betrachtet, resultiert aus der ganz persönlichen
Erfahrung mit dem Film. Und die kann man nun mal einfach nicht vom
einen auf den anderen übertragen.
Schöne Ausführung, auch wenn ich nicht in jedem Punkt genau deiner
Meinung bin, aber das ist ja auch garnicht notwendig.
Gerade bei Filmen denke ich, dass es sehr wohl eine richtige und
eine falsche Erwartungshaltung geben kann, aber nicht zwingend
muss. Das kommt im wesentlichen auf den Film an.
Ob der Film nun einen Sinn hat, oder ihm selbiger abgeht ist meines
Erachtens keine Frage von Gefühl, sondern ist auf der faktischen
Ebene angesiedelt. Das Gefühl beeinflusst jedoch die Betrachtung
eines Werks, so wie Du das anhand der beiden Kunstobjekte in deinem
Post dargelegt hast. So konntest Du aufgrund der Beschreibungen des
zweiten Kunstwerks den Sinn zwar erkennen und dies auch
nachvollziehen, doch auf emotionaler Ebene lässt es Dich weiterhin
kalt. Du kannst also dem Werk Sinnhaftigkeit atestieren, jedoch
berührt die künstlerische Darstellung Dich nicht auf der
emotionalen Ebene, wieso es eben für DIch schlechtere Kunst ist,
als das Bild und dies nicht aus objektiv künstlerischen
Beweggründen, sondern dem wesentlichen Element, wie DIch die
jeweilige Kunst anspricht.
Mit Musik funktioniert dies genauso, daher kann ich in vielerlei
Hinsicht auch das Argument der geschmeckssache nicht aktzeptieren,
denn es ist geschmackssache, ob einem eine gewisse Musik zusagt,
oder ein entsprechender Film, und stark geprägt von der jeweiligen
Persönlichkeit und den persönlichen Präferenzen, die dafür sorgt,
das jemand mit dem einen Lied oder dem einen Film ein gewisses
Gefühl verbnindet, oder dieses Gefühl dadurch geweckt wird, während
man den Film wie auch die Musik ansich auf eine rein sachlichen
Ebene betrachten kann, diese ist eine wesentliche Facette der
künstlerischen Qualität, zum Beispiel wie hochwertig der Musiker
hisnichtlich des Songwriting ist, oder wie ein Regisseur mit seinen
technischen als gestalterischen Möglichkeiten bis hin zur
Schauspielführung umgeht. Dabei kann ein gewisser Effekt ganz
gezielt herbeigeführt werden, aber es muss nicht jedem
Zuhörer/Betrachter zusagen, da es hier wieder zum zweiten
wesentliche künstlerischen Aspekt zurückkehrt, nämlich der
emotionalen Reaktion, welche zu großen Teilen über gefallen oder
nichtgefallen entscheidet.
gehen wir bei der Konzeption einer Geschichte zum Beispiel davon
aus, dass die Figuren über welche die Geschichte transportiert
werden absichtlich emotionslos und auf gewisse Art und Weise
Facetten der eigentlichen menschlichen Natur entrückt dargestellt
werden, so kann dies beim Zuschauer, der etwas anderes Erwartet und
den Film nicht aus der Warte des zurgrunde liegenden Konzepts
betrachtet, dazu führen, dass man mit den Figuren nicht mitfiebern
kann und somit der Film den Zuschauer emotional nicht mitnimmt,
jemand anderes geht mit eine gänzlich offeneren oder eben einfach
anderen Grundhaltung an einen unbekannten Film und erkennt daher
vielleicht Details über den Film hinweg, die für ihn persönlich
zumindest auf der faktischen/analytischen Ebene zusammen Sinn
ergeben und somit zwei Möglichkleiten zulässt:
- Die Faktische Erkennung tritt ein, jedoch berührt ihn die Art,
wie die Botschaft künstlerisch vermittelt wird nicht auf der
emotionalen Ebene. Der Film hat zwar sinn, aber gefällt einem
aufgrund des persönlichen Geschmacks trotzdem nicht.
- Die faktische Erkennung tritt ein und kann aufgrund dieser
Erkennung eine gegensätzliche emotionale Reaktion auslösen.