Ich habe den Film am Sonntag auf deutsch gesehen und bin ziemlich
ernüchtert aus dem Kino gegangen.
Schon die Einführung der Hauptfigur als treusorgender
Familienmensch war hart an der Schmerzgrenze ("Daddy hat die
Dinosaurier gezähmt."). Im Mittelteil (Deepwater Horizon in
"funktionsfähigem" Zustand) hat sich das Bild etwas zum Positiven
gewandelt, weil trotz des bekannten Ausgangs die Spannungsschraube
immer weiter angezog und auch der Konflikt zwischen den Gesandten
des Mutterkonzerns bp und den Arbeitern bzw. zwischen
Unternehmensphilosophie und Arbeiterethik recht gut dargestellt
wurde. Allerdings hat das letzte Drittel den Film leidlich
vermiest.
Die Darstellung einer so kurz zurückliegenden und nachhaltigen
Katastrophe ist keine einfache Aufgabe: Betroffene und
Verantwortliche kommen zu unterschiedlichen Schlüssen und
Darstellungen, bewerten Schuld und Unschuld oftmals
gegensätzlich.
Obwohl sich Regisseur Peter Berg in seiner Verfilmung redlich
bemüht, beiden Seiten die Möglichkeit zu geben, ihre jeweilige
Motivation und Lagebewertung darzulegen, ist die Parteinahme
zugunsten der "blue collar workers" deutlich spürbar. Endgültige
Verbildlichung findet dies während der Evakuierung der brennenden
Plattform (Stichworte: Kran, Rettungsboot). Aber schon weit vorher
wird klar, wer die "Bösen" und wer die "Guten" sind.
Trotz allem will eine richtige Sympathie mit den Arbeitern auf der
Deepwater Horizon nicht aufkommen, denn dazu ist die Darstellung
der einzelnen Personen zu oberflächlich und zu knapp. Das
Trommelfeuer aus Namen und Funktionen überstehen lediglich "Mr.
Jimmy" Harrell (K. Russell), Andrea Fleytas (G. Rodriguez) und
natürlich Mike Williams (M. Wahlberg) - ohne, dass diese drei
Figuren deswegen ein merkliches Plus an Charaktertiefe erfahren.
Umsoweniger können demnach Beziehungen zu den anderen Arbeitern
entstehen, obwohl diese, gemessen an der Laufzeit des Films,
durchaus ihre Screentime erhalten. Damit also blieb deren Schicksal
für mich als Kinozuschauer weitgehend "irrelevant".*
Zusätzlich störte ich mich an der reichlich vulgären Sprache; das
mag den rauen Umgangston in einem solchen Arbeitsumfeld vermutlich
realistisch widerspiegeln, aber es wirkt im Film einfach unfassbar
klischeebeladen und verstärkt den negativen Eindruck nur noch
weiter. Inwieweit die (mäßige) deutsche Synchronisation einen Teil
dazu beigeträgt, lasse ich an dieser Stelle offen.
Auf verlorenem Posten steht der Film schon ein paar Minuten nachdem
die Katastrophe endgültig ihren Lauf genommen hat. Was zu Beginn
noch zugegebenermaßen beeindruckend inszeniert ist, nutzt sich
rapide ab: Feuersbrunst, Funken und Explosionen sowie Flackerlicht,
Lärm und Schreie - das alles mag die chaotischen Zustände auf der
Deepwater Horizon nach der Explosion realitätsnah darstellen, aber
mir hat dieses zweifelhafte Spektakel einfach Kopfschmerzen und
Übelkeit bereitet. Es sind die klassischen Elemente eines
Katastrophenfilms, die einmal mehr zu oft eingesetzt werden, um
eine ansonsten ziemlich dürftige Geschichte zu kaschieren.
Negativer Höhepunkt:
SPOILER! Inhalt
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Der offensichtlich schwer am Bein verletzte
Kollege, dessen einzige Funktion die Emission von
Schmerzensschreien ist.
Schlimmer noch: Ein Ende des Feuerzaubers schien sich nicht
abzuzeichnen, stattdessen immer neue Feuerbälle, immer größere
Explosionen, immer mehr zerborstene Leitungen... ermüdend. Die
"Krönung" der ganzen Unerträglichkeit folgt dann schließlich mit
dem
SPOILER! Inhalt
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gemeinsamen Spontan-Gebet der Überlebenden auf
dem Klärschiff.
Obwohl mir die realen Begebenheiten der Rettung bzw. unmittelbar
danach nicht geläufig sind: Diese Szene wirkte viel zu dick
aufgetragen, viel zu pathetisch und hinterließ einen extrem
anbiedernden Eindruck.
Vielleicht fragt sich der eine oder anderen nach dieser Rezension
nun: "ja, was hat er sich denn anderes erwartet?". Mir war schon
bewusst, dass es in dem Film auch krachen wird. Aber ich hatte mir
insgesamt einen ruhigeren, nachdenklicheren Film zu diesem
geschichtemachenden Ereignis gewünscht. Der Trailer hat diese
Erwartungshaltung aufgebaut, im Film aber wurde sie dann
vollständig zunichte gemacht. Gut gefallen hat mir einzig die
Kamera und das Setting.
Als Fazit bleibt für einen in der Materie vollkommen Unbedarften
wie mich: Es ist einerseits beeindruckend, diese
ingenieurstechnische Meisterleistung der Tiefsee-Öl-Ausbeutung in
dieser Form zu sehen, andererseits aber auch erschreckend, der
Skrupellosigkeit gegenüber der Biosphäre beizuwohnen, die dafür
gleichzeitig billigend in Kauf genommen wird und trotz aller
Beteuerungen nach diesem Unglück vermutlich weiterhin an- oder
wieder in den Prozess Einzug hält. Hier liegt das Verdienst des
Films - zu dieser Erkenntnis kann man jedoch auch ohne den Krawall
kommen, den der Streifen über weite Strecken veranstaltet.
3/10 Punkte (und die auch nur für die technische
Umsetzung)
* = Notabene: Ich bespreche ausschließlich die Darstellung im Film
und möchte in keinster Weise die realen Tragödien, die sich bei der
Havarie der Deepwater Horizon abgespielt haben, in Abrede stellen.