Interessante Diskussion hier!
Es ist schon richtig, dass viele Filme heute vergessen eine
Geschichte zu erzählen, von "guter Geschichte" will ich erst mal
gar nicht reden. Man sieht jetzt eben übers Jahr verteilt viele
Filme, die früher das Label "Sommerblockbuster" trugen. Laut, bunt,
lustig, viele visuelle Effekte, kaum Story, kaum
Charakterzeichnung, aber unterhaltsam. Eben schnell verdauliche
Feelgood-Movies für den Sommer, wenn man mal in einen
vollklimatisierten Saal gehen will, wenn es draußen heiß ist, um
1-2 Stunden "Achterbahn zu fahren" sozusagen.
Marvels Phase 1 besteht zum Großteil aus solchen Filmen, wobei
IronMan 1 und teilweise auch der Norton-Hulk für diese Art Film ne
bessere Story hatten als gewohnt. Das Ganze war dann eben gewürzt
mit Superhelden, die manche aus alten Comic-Tagen kannten und als
man dann noch merkte, dass die Filme alle zusammenhingen und einem
nach und nach eine immer größere "Welt" eröffnet wurde, indem die
Filme immer irgendwie untereinander refferierten und interessante
Easter Eggs beinhalteten, war man angefixt irgendwie alle auch
sehen zu wollen. Die Qualität schwankte zwar, aber alle machten
irgendwie Spaß und waren unterhaltsam.
Außer einigen Wenigen (z.B. IM1) erhoben die Marvel-Filme imho auch
nie den Anspruch mehr als pure Fastfood-Unterhaltuing zu sein und
als das sind sie auch wirklich gut. Als die Filme dann anfingen
schablonenhafter zu werden, weil man sich immer mehr selbst
kopierte, wurde etwas mehr variiert (GotG, AM). Solche kleinen
Filme waren dann ja auch mutiger, weil sie sehr unbekannte Helden
boten, die es ermöglichten etwas andere, "abgedrehtere" Storys zu
erzählen. Aber so mutig jetzt auch wieder nicht, weil sie sich ja
immer auch innerhalb der bekannten und allseits geliebten Schablone
befanden, der nach Phase 1 etablierten Marke Marvel eben.
Erst mit Cap2 und Cap3 fängt man jetzt langsam an, wieder bessere
Storys zu erzählen und der Ton wird jetzt auch ganz langsam ein
wenig düsterer. Das war sehr geschickt gemacht. Erst anfixen und
jetzt, wo alles erfolgreich ist und sich etabliert hat, die
Schrauben langsam anziehen. Wenn der Trend so weitergeht und die
Filme jetzt wirklich besser, storylastiger und mit mehr
Charaktertiefe gestrickt werden, dann hat Marvel alles richtig
gemacht und beugt den unweigerlich folgenden Ermüdungserscheinungen
intelligent vor.
So bekommt man auch die Otto-Normal-Kinogänger, die mit Comics
sonst nichts am Hut haben. Ich persönlich bin ja kein Comic-Leser,
wie ihr wisst. Aber als Liebhaber von Fantasy- und Abenteuerfilmen
werde ich in diesem Segment eben auch sehr gut bedient und Marvel
hat es, bei aller Banalität, geschafft mich zu packen und ins
Comic-Thema zu bringen.
Man kann jetzt aber nicht sagen, dass DC Marvel kopiert, mit
Ausnahme der Tatsache, dass sie jetzt auch ein ganzes Filmuniversum
schaffen wollen, was nur logisch ist, denn in den Comics ist es ja
auch so, dass alle Helden in der selben "Welt" leben.
Warum ich das so sehe? Weil DC einen völlig anderen Ansatz hat.
Weil DC krampfhaft versucht Marvel nicht zu kopieren und man das
den Filmen leider etwas anmerkt.
Man kommt aus einer ganz anderen Ecke. Der Startschuss des DCEU
waren die Nolan-Filme. OK, sie gehören nicht zum DCEU, aber sie
gaben die grobe Richtung vor. Nolans Filme waren keine
Comic-Verfilmungen sondern Thriller, mit einem mehr oder weniger
realistischen Batman, unterschiedlichen Metaebenen und jeder Menge
sozialkritischen Anspielungen, Metaphern und Allegorien. Außerdem
waren sie Düster und ziemlich ernst und hatten trotzdem Erfolg,
weil sie eine "gute" Geschichte erzählten.
Das DCEU knüpft hier an. Man bietet zwar jetzt "echte"
Comicverfilmungen, aber im Gegensatz zu den Marvel-Helden hat man
keinen elitären Club von hochspezialisierten Übermenschen, der über
SHIELD eigentlich von der Amerikanischen Regierung installiert
wurde und ihre Kräfte kaum mal hinterfragen oder persönliche
Probleme haben (Ansätze sind vorhanden, aber Marvel passt noch auf,
dass die Kriesen nicht zu ernst werden).
Man hat bei DC, bisher jedenfalls, einzelne Personen, die Kräfte
haben, aber mit sich und der Welt hadern. Die sich verlohren haben
und versuchen sich selbst erst mal zu finden. Die obligatorische
Weltrettung, was jeder erwarten würde, steht nicht im Mittelpunkt,
sondern die Aufarbeiteung der eigenen Probleme, Traumata und die
Selbstfindung.
Die großen Gegner, die Bedrohung für die Welt, die Villians, alles
das war bisher ein Nebenschauplatz, der Eingebaut ist, auch weil
das für eine Comicverfilmung dazugehört, weil man das einfach auch
erwartet und weil das die Schauwerte bietet, die zu einem
erfolgreichen Blockbuster anscheinend zweingend gehören. Denn einen
Arthouse-Film mit depressieven Leuten von denen Heldentum erwartet
wird, will in dem Franchise keiner sehen, dafür hatte man ja auch
Birdman. :D
Das alles ist in der Tradition der Nolan-Filme und wohl auch in der
Tradition eines Teils der bekannten Comics. Nur scheint man damit
bei MoS und BvS weite Teile des Publikums überfordert zu haben,
bzw. voll an den Erwartungen vorbei geschossen zu sein. Beide Filme
erzählten imho eine gute, intelligente Story, allerdings war das
weder die Story, die von vielen als Hauptstory erwaret wurde
(Weltrettung), noch wurde sie in der bekannten
Holzhammer-Zeigefinder-Erkärbär-Art erzählt, sondern subtiler,
unterschwelliger. Außerdem waren die DC-Filme eben nicht locker
leicht, sondern düster und sperrig. Auch das war man so nicht mehr
so sehr gewohnt und somit wurden die Erwartungen und eingefahrenen
Sehgewohnheiten konterkariert.
Jetzt schickt man mit Suicide Squad einen einfacheren, lineareren
Film ins Rennen, mit einer coolen Antihelden-Truppe und versaut es
anscheinend wieder, weil das Studio kurz vor Schluss Panik bekommen
hat und auf Teufel komm raus am Film rumgedoktert. Gut, ich habe
ihn noch nicht gesehen, aber nach allem was man hört scheint das so
zu sein.
Der Spagat ist natürlich nicht einfach. Man will sich ja von den
gewohnen Abziehbildern, die ua Marvel etabliert hat abheben. Man
will ja düster und man will ja sperriger und "intelligenter", mit
Metaebenen und angedeuteter Sozialkritik und alles. Aber man
wundert sich, dass es nicht so umwerfend gut ankommt und alles nach
leichter Marvel-Kost schreit.
Das ist keine Verschwörung der Marvel-Fraktion, die Kritiker und
Publikum beeinflusst. Das ist imho schlicht Übervorderung, auch
weil man bei DC eben sehr viel in einen Film packt. Für mich passt
das. Ich habe damit kein Problem. Aber anscheinend ist der
Kinobesucher komischerweise durchaus in der Lage komplexe Serien
mit horizontaler Erzählweise per Binge-watching zu konsumieren,
kann das aber bei Kinofilmen nicht abhaben. Und genau das macht DC
und das machen diese Filme für mich auch um einiges anspruchsvoller
und genialer als die Marvel-Filme, die mir als leichtere Kost aber
durchaus auch gefallen. Nur den Kritikern und vielen Kinogängern
ist das imho intelligentere Produkt von DC zu überfrachtet, zu
wenig erklärt, zu sperrig, etc. Anscheinend können viele also
Filmgewohnheiten, die man aus GoT, diversen düsteren Krimis usw.
sehr gut kennt und liebt bei Kinofilmen nicht abhaben. Warum
eigentlich? Die einzelnen "Serienfolgen" sind länger, besser (da
auch teuerer) produziert und genauso komplex. OK, die nöchte Folge
kommt dann zwar erst in einem halben Jahr, aber warten sollten
Serienfans ja gewohnt sein. :D
Das Ende vom Lied wird sein, dass DC nach und nach sich der
langweiligen Marvel-Einheitsformel annähert, während Marvel etwas
ernster, komplexer und Charakterzentrierter wird und wir dann zwei
ähnliche Franchises haben, was die Übersättigung mittelfristig
anheizen wird und die Comicblase spätestens in den 2020er-Jahren
zum platzen bringt.
So stellt man sich eben selber ein Bein!
Ich gebe euch recht: Wenn DC die Kosten etwas rediziert und dadurch
auch die Gewinnerwartungen nicht so astronomisch hoch gesteckt
hätte, wäre vieles besser geworden und beide Ansätze hätten prima
nebeneinender koexisitiert. So wird es nun wirklich mittelfristig
auf zwei Kopie-Filmuniversen hinauslaufen. Eine selbsterfüllende
Prophezeiung sozusagen... :rolleyes:
Herzliche Grüße
Arieve
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