Geschrieben: 02 Jan 2016 22:41
Here comes the Pain. Jake Gyllenhaal ( Nightcrawler ) erlebt den
Rock Bottom seines Lebens und macht für den Zuschauer die Reise in
den Abgrund erfahrbar, fühlbar, schmerzhaft. Southpaw entfaltet
über die gesamte Länge des Films eine zerstörerische Kraft, die
sich im titelgebenden Southpaw Billy Hope bündelt, die ihn brutal
zu Boden gehen lässt, die ihn gegen den Dämon in sich selbst
kämpfen lässt. Die ihn bis an die Grenzen, die Höllenpforten des
Schmerzes bringt. Die ihn in den Abgrund blicken lässt und ihn
beinahe verschlingt. Wenn man bei Stallones Rocky mitfiebert, dann
leidet man in Southpaw. Erleidet Cuts und dankt Antoine Fuqua auf
Knien für diese Stück Schmerz in Form von Southpaw den er uns
verpasst
Innere Wunden
Im Laufe von Southpaw ( engl. für Rechtsauslage, Linksauslage ist
die Normalauslage ) nimmt Billy Hope ( Jake Gyllenhaal ) nicht nur
sichtbar Schaden an Gesicht und Körper sondern auch im Inneren. Und
diese Wunden heilen nicht, denn sie sind nicht wieder gut zu
machen. Die Inneren Wunden sind in jeder Sekunde sichtbar nach
außen getragen durch Jake Gyllenhaals Schauspiel, der hier den
Kampf seines Lebens kämpft. Als würde er um sein Leben spielen,
boxen. Wo die Schauspielkunst eines Sylvester Stallone in Rocky an
seine Grenzen stößt, fängt der Kampf für Gyllenhaal erst an. Runde
für Runde, Spielminute für Spielminute eine alles zerstörende
Performance. Der zu Fleisch und Blut gewordene Alptraum für alles
bisher Dagewesene.
Freilich das Grundgerüst des Films ist schon im Trailer abgesteckt
und folgt so ziemlich genau der Rise and Fall Thematik. Der Weg
jedoch der hier bestritten wird wandelt auf neuen Pfaden und stellt
alles da gewesene, die sich der Thematik annahm in den Schatten.
Dramaturgisch wie visuell gelang hier Training Day Regisseur
Antoine Fuqua ein beeindruckendes so wie lange nachhallendes Werk.
Als wäre er ein Boxer, der uns Zuschauer, wie einen Gegner durch
den Ring scheucht, uns immer wieder Tiefschläge mit Bildern
versetzt nur um ums dann den Finalen Punsch in der letzten
Einstellung des Films zu verpassen. Fuquas Waffen sind seine, ins
Gedächtnis grabende Bilder mit denen er uns bombardiert. Dabei
präsentiert er sich im Stile eines Mohammed Ali facettenreich und
agil. Es sind nicht nur die Fights, sondern die leisen
Zwischentöne, die Szenen in denen wir zusammen mit Billy Schmerz
erfahren, in denen wir durch die Höhle gehen und aus der wir wieder
entsteigen, was Southpaw zum Champs des Genres macht.
Gyllenhaals Kampf des Lebens
Warum es Sinn macht in einem Box Film keine echten Boxer oder
Muskelberg zu casten, beweist Gyllenhaal eindrucksvoll. Denkt man
nur an Max Schmeling ( Uwe Boll ) in dem sich die DDR
Schlaftablette und ZDF Experte Henry Maske von Szene zu Szene
stümpert. Oder an den zwar kultigen aber hölzernen Ivan Drago. Der
zwar für immer in Erinnerung bleiben wird, genauso wie
Philadelphias Lieblingssohn aber eben nicht wegen des Schauspiels
sondern aus anderen Gründen. Rocky wird nicht deswegen gefeiert,
weil hier herausragend geschauspielert wurde. Rocky wird gefeiert
weil man gerne Stallone im Trainingsmode sieht und die
wiederkehrenden Charaktere mit ihren ganz eigenen Schrullen. Diese
Möglichkeit hat Southpaw nicht, sich über viele Teile sein Publikum
aufzubauen. Southpaw hat nur diese eine Chance, diesen einen
knallharten Kampf an den Kinokassen an den Geräten daheim. Und
diesen Kampf entscheidet Southpaw für sich. Welche Energie und
Dramatik aus einem Box Film entstehen kann und ich meinen damit
nicht wenn man Billy im Ring sieht, zeigt uns Fuqua. Als ob es um
sein Leben ginge, kämpft, boxt, spuckt, spielt hier Gyllenhaal
Szene für Szene.
Fast wäre es aber nie zu dieser aßsergewöhnlichen Combo gekommen,
denn ursprünglich wäre Eminem für die Rolle des Billy Hope
vorgesehen gewesen. Zum Glück kam es anders und er steuerte
lediglich den soliden Soundtrack bei, der auch im Trainingsmode zu
hören ist. Man will es sich gar nicht ausmalen was aus Southpaw
geworden wäre. Für Gyllenhaal war es nach dem überragenden
Nightcrawler gleich der zweite Film in Folge für den er sich auf
extrem Weise vorbereiten musste. Für Nightcrawler extrem abgemagert
musste er für Southpaw extrem an Muskelmasse zulegen, am Tag bis zu
2.000 Liegestütze und Läufe von bis zu 8 km absolvieren. Methode
Acting at his best. Nicht nur deswegen gehört er zu Hollywoods Top
Actern der letzten Zeit. Einen Charakter zu Leben zu erwecken,
glaubhaft und mit jeder Phaser, dem Zuschauer die Grenzen von
Fiktion und Realität verschwimmen lasen, können auf diesem Niveau
nur ganz ganz wenige. Denkt man an DiCaprio, Waltz oder McConaughey
ist man auf der richtigen Spur oder der richtigen Sprosse des
Olymps. Gyllenhaal spielt den abgehalfterten Boxer nicht nur, er
lebt ihn.
Kamera Deluxe
Natürlich steht der Schauspielkunst aller Beteiligten, die
Kameraarbeit in nichts nach. Und das ist in der heutigen Zeit, man
denke nur an Filme, die 25 Schnitte in 10 Sekunden haben, etwas
Besonderes. Wenn die Vielzahl aller neueren Actionfilme meint, dass
man mit wilden, hektischen Schnitten, Action generiert und dem
Zuschauer Tempo vorgaukelt dadurch, so geht Southpaw einen ganz
eigenen Weg. Wenn im finalen Fight der Kampf nicht durch eine
wilde, chaotische Kamera dominiert wird sondern von den Boxern
selbst, so ist das eine Wohltat für das von schlechten Filmen
geschändete Auge. Hier wird uns wie bei einem HBO PPV im Fernsehen,
das Geschehen eingefangen. Die Choreographie der Fighter und das
Treiben im Ring reichen vollstens aus um den Zuschauer zu fesseln.
Es ist die bewusste und überragende Entscheidung darauf zu
verzichten den Film mit künstlichen Mitteln vermeintlich schneller
zu machen. Der Kampf spricht für sich, die Kamera schmeichelt den
Kämpfern nur. Bravo! In der heutigen Zeit von Taken 3, Transformers
oder auch den Expendables bekommt man nur noch selten echte
Handwerkskunst hinter der Kamera geboten. Michael Hasbro Bay hat da
in den letzten Jahren ganze Arbeit geleistet, als er dem Zuschauer
weiß machen wollte, das schnelle Schnitte sexy wären.
Natürlich darf man wenn man über Southpaw redet den hervorragenden
Forest Whitaker nicht vergessen, der hier mal ganz unaufgeregt den
Mickey bzw. Mentor geben darf. Southpaw ist sogar der einzige Film,
der sich etwas einfallen lässt wie Whitakers Auge im Film
eingebunden werden kann, plausibel. Southpaw fühlt sich über den
gesamten Film an wie ein 12 Runden Fight. Einen Fight den man spürt
und der auch schmerzt, nicht selten erwischt man sich dabei, wenn
einem die bewegenden Szenen wie Jabs ins Gesicht fliegen, wie man
schlucken muss. Southpaw prügelt so lange mit Bildern, Szenen auf
einen ein bis zum letzten Gong. Danach fühlt man sich wie
Gyllenhaal, zerstört, aber erlöst.