Tja, wie soll man den Streifen beschreiben? Eventuell mit: "Wenn weniger manchmal mehr ist..." Es nichts dagegen zu sagen, wenn man bei "John Wick", "Nobody", "The Equalizer" u.a. Filmen klaut, aber:
Das Setting - auch wenn die Räumlichkeiten & Schauplätze sehr überschaubar sind - ist wirklich gelungen und kann durchweg überzeugen. Leider fällt der Film selber demgegenüber doch erheblich ab.
Bei der Musikauswahl - u. a. bei der Anfangsszene (Intro / Opener) und auch beim Showdown - hätte man ggf. mal Quentin Tarantino (allein jede Note in "Reservoir dogs", "Pulp Fiction" so passend) oder Guy Ritchie (hier klingt mir noch jeder Akkord vom Intro für "The gentlemen" in den Ohren "Cumberland gap"...) fragen sollen.
Die humorvollen (?) Einlagen laufen immer nach demselben Schema ab, indem man hier selbigen eine so derartig offensichtliche Rampe baut und damit beim "Höhepunkt" keinen Lacher erntet, sondern nur Kopfschütteln bzw. verdutzte Gesichter. Wie das richtig funktioniert und um (noch) recht aktuell zu bleiben: einfach noch einmal "Nobody" (hier passiert all das einfach so "nebenbei", ohne Zwang...) schauen oder das dafür passende "Die Sendung mit der Maus" Special, liebe Milkshake Rüttler.
Wann immer man meint: "Ah, jetzt geht’s los und ich rutsch' so richtig in die Story rein!" bekommt man einen Knüppel zwischen die Beine und ein - total deplatzierter - emotional / rührselig geschwängerter (Frauenpower, wenn, dann richtig oder bitte gar nicht! Der denzelige Equalizer hält auch nicht mitten in der Action inne und diskutiert - Spoiler! - den Tod seiner Frau, sondern tut das an passenden Stelle!) Murks kommt dazwischen. Also hätte man sich das sparen können: Wir haben nur noch 1 - 2 Minuten zu leben, weil eine Übermacht hünenhafter und gewaltbereiter Typen auf uns einstürmt, aber bitte lass uns genau jetzt über die Fehler in deine Rolle als Mutter in den letzten 15 Jahren diskutieren. So ereilt einen mehrfach beim optischen Schlürfen dieses Milkshakes der nordische Gott der Ungeduld "Hamersbald" und man fühlt sich an eine Fahrt durch eine deutsche Großstadt erinnert, bei der man einfach keine grüne Welle hat und dennoch immer voll anfährt, nur um 150 Meter später in die Eisen steigen zu müssen, weil rot ist. Weniger von dem gerade beschriebenen Geraffel, mehr davon an den dafür passenden Stellen und 20 Minuten weniger, dann wäre das hier eine ordentlich knackige Sache geworden.
Und ja, optisch hat eine mit einer Kette bewaffnete Michelle Yeoh eine choreografisch tolle Figur gemacht, aber ein Equalizer hat im Baumarkt auch nicht plötzlich ein Maschinengewehr aus dem Regal gezogen, sondern sich das geschnappt, was in einem Baumarkt voller Werkzeuge & Co. vorhanden ist. Und in einer Bibliothek voller Schusswaffen greift man, kaum dass das 1. Magazin leer ist, zur Kette bzw. Frau Bassett macht auf Oh Dae-su und hämmert Schlag um Schlag auf Ihre Gegner. Echt jetzt?
Und da wir schon bei den Protagonistinnen & Protagonisten sind:
Paul Giamatti ist irgendwie total verschenkt, nicht Fisch, nicht Fleisch, schade. Seine Figur hätte mehr hergegeben. Karen Gillan trägt den Film kaum bzw. tut sich schwer und ist recht blass, was aber wohl einfach an der Art Ihres Charakters im Film liegt. Sympathie o. ä. empfindet man nicht, man hat mehr so den schwurbeligen Wendler im Sinn: Egal! Angela Bassett & Lena Headey sind irgendwie jenseits von Gute und Böse. Ihr Fehlen würde weder groß auffallen, noch Bedauern auslösen...magere Botox Veranstaltung.
Trotz relativ geringer Screentime sind die beiden Figuren, die Carla Gugino & Michelle Yeoh verkörpern, am positiv auffallendsten und wissen sich gut in Szene zu setzen und zu präsentieren.
Spoiler: Und zum Glück taucht dann auch noch - neben all den blassen Bösewichtern - der übliche Hipster Bart Berzerker auf. Danke für diese unerwartete Neuerung... Immerhin: hier schenkt man sich optisch - choreografisch und härtemäßig - nichts, da kann man auch mal ein Lob äußern.
Nach dem leckeren Milkshake aus "Pulp Fiction" ist dieser hier nicht so wirklich lecker und mit dem etwas komischen Nachgeschmack sicher keine 5 $ wert. Schade, gute Idee - schwächelnde Ausführung.
Die Choreografie der Kämpfe - wenn man bedenkt, dass wohl bis auf Michelle Yeoh niemand der Darstellerinnen wirklich Erfahrung mit Martial Arts u. ä. hat, ist in Summe wirklich sehr ansehnlich. Das muss man einfach neidlos anerkennen. Da kann so eine Krampe wie "Jolt" sich eine Scheibe von abschneiden.
Bild: Optisch liefert der Streifen ein nahezu sehr gutes Bild ab und auch der Ton inkl. der Abmischung kann überzeugen.
Die Extras der - für mich optisch wirklich gut gelungenen - Mediabook Ausgabe gehen ok.
bewertet am 10.07.22 um 15:07