Barbarella trifft auf die Schlümpfe. So könnte man den Film vielleicht umschreiben. So bunt, kreativ und psychedelisch die visuelle Gestaltung des Films ist, so simpel und eindimensional ist die Handlung und die Ausgestaltung der Figuren: Böser Zauberbruder will mit bösen Mutanten und bösen Waffen es dem ganz ganz bösen Hitler nachmachen und den guten Zauberbruder umbringen, damit sein böses Volk in dessen Land leben kann. Guter Bruder läßt sich dazu überreden sich zu wehren und zieht mit gutem Elfe und hübscher Frau in den Krieg um den bösen und häßlichen Bruder zu stoppen.
So weit, so gut. Gegen eine einfache Gut gegen Böse Story ist ja ansich nichts einzuwenden, bauen doch die allermeisten Geschichten auf dieser Grundstruktur auf und sogar den gesamten Herr der Ringe Kosmos kann man auf dieses einfache Schema reduzieren, wenn man möchte.
Was dort und woanders aber noch mit einem Spannungsbogen, interessanten Charakteren, ansprechenden Dialogen und einer ausgeklügelten Dramatik versehen ist, im Glücksfall sogar epische Ausmaße annimmt wird hier so plump und einfallslos dargestellt, daß es schon beleidigend wirkt.
Mit dieser simplen Grundstruktur, ist hier schon der komplette Film erzählt. Ehrlich. Auf alles was dem Film Tiefe hätte bescheren können, wurde hier gänzlich verzichtet. Traurig.
Keiner von den Figuren hat Charakter oder irgendwelche interessanten Eigenschaften, so daß zu keinem Zeitpunkt für irgendjemand Sympathie abgewonnen werden kann. Die Dialoge beschränken sich nur auf die Weitergabe von Informationen und verschenken so die Möglichkeit die Figuren lebendig werden zu lassen. Dabei sollte doch das A und O eines Filmemachers sein, seinen Gestalten eine Seele einzuhauchen.
Auch der Handlungsablauf selbst ist kaum besser ausgearbeitet und wirkt insgesamt durch seine vielen Handlungssprünge stümperhaft und wie von Logiklöchern durchsiebt.
Als der Gute Bruder sich z.b. genötigt sah, sich doch mal in den Krieg zu bequemen, ist direkt in der nächsten Scene die Schlacht schon halb vorbei: Elfen stehen in Marschordnung. Schnitt. Panzer fahren übers Feld. Schnitt. Der Zauberer steht im Wald. Schnitt. Und im Hintergrund stammelt sich Hitler einen ab. OK. Aber was passiert hier eigentlich? Keine Ahnung. Muß wohl`n Stück Film weggekommen sein. Keine Rekrutierung, keine Ansprachen ans Volk, kein Aufmarsch, keine Schlachtordnung; Keine Hand, kein Fuß, kein Gefühl fürs Geschichten erzählen.
Für die Dokumenta hätts vielleicht noch gereicht. Aber auf keinen Fall fürs Kino.
Da hilft es auch nicht, Ralph Bakshi zugute zu halten, daß er bewußt einen Kinderfreundlichen Film für die gesamte Familie schaffen wollte. Gerade Kinder haben noch nicht die benötigte Kombinationsgabe um die vielen erzählerischen Schlaglöcher zu füllen, die Bakshi hinterlassen hat. Und die Bedeutung der Hitlersymbolik und den Natur kontra Technik Konflikt kriegen die Lütten eh nicht mit und den Erwachsenen ist die Art und Weise wie die Themen aufgegriffen wohl allemal zu platt. Aber muß man eigentlich überhaupt noch jemanden sagen, daß Krieg grausam und zerstörerisch ist? Eigentlich reden wir hier über Binsenweisheiten. Aber vielleicht richtet Bakshi sich ja auch an Kleinkinder. Das würde auch den oftmals sehr kindgerechten, einfachen Zeichenstil erklären, der sehr an Mordillo, Schneewitchen, oder die Schlümpfe erinnert.
Einst hatte Bakshi die New Yorker Zeichentrickschmiede Terrytoons frustiert verlassen, weil er es satt war, moralinsaure Trickfilme für Kinder zu produzieren. Mit Wizards hat er sich dem leider wieder angenährt.
Was mich dennoch davon abhält den Film völlig zu zerreißen, ist, wie schon Anfangs erwähnt, seine beeindruckende visuelle Gestaltung. Die Hintergründe, wenn sie sich nicht gerade mal wieder im Heidi-Look präsentieren, sind oftmals graphische Kunstwerke von bizzarer Schönheit, die offenbaren, welches Potential Bakshi abrufen kann, wenn er in seinem eigentlichen Metier, dem Animationsfilm für Erwachsene bleibt.
Auch die verfremdeten Realfilmaufnahmen der Panzerschlachten und Sturmangriffe sind ebenso wie die psychedelisch wabernden Farbwolken und -strudel im Hintergrund ein optischer und athmosphärischer Leckerbissen gehobener Güte, wie ich ihn sonst nur in Barbarella oder Flash Gordon gesehen habe.
Und schon aufgrund dessen ist Die Welt in 10 Millionen Jahren (Wizards) jedem Jünger ausgefallener Kinokost zu empfehlen.
Zum Bild: Die Farben sind kräftig, Details sind gut zu erkennen und die verbleibenden Verschmutzungen fallen genau so gering aus, daß das Retroflair vor dem Verdacht der schlampigen Restaurierung verschont bleibt. Die Mühe, die man sich beim restaurieren gemacht hat, ist dem Film deutlich anzumerken. Wer sehen möchte, wie der Zahn der Zeit am Filmmaterial nagen kann, möge sich bitte mal den deutschen Trailer anschauen.
bewertet am 07.11.10 um 13:11