Der Italowestern-Blog by Bollwerk94 - 6. Franco Neros Companeros
Durch die ersten beiden Dollar-Teile kam es dazu, dass nahezu alle Italowestern nach ähnlichem Schema ablaufen: Ein unbekannter Revolverheld nimmt Rache an jemanden oder hilft Unterdrückten gegen eine Übermacht an Banditen oder Personen, die Machtpositionen missbrauchen. Dabei agiert der Revolverheld mit einer außerordentlichen Moral (Rache statt Vernunft) und es gibt haufenweise Tote. Doch Leone bricht teilweise im dritten Dollar-Streifen mit diesen typischen Italowestern Verhaltensweisen und bringt mit "Zwei glorreiche Halunken" den amerikanischen Bürgerkrieg als einen neuen Schauplatz für das Genre.
Sein größter Konkurrent, (der ihn aber nie ganz erreichte) war Sergio Cobucci, der die Idee des Krieges aufgriff und deutlich veränderte. Was dabei herauskam war "Die gefürchteten Zwei". Die Handlung wurde in die Zeit der mexikanischen Revolution verlagert und aus einem namenlosen Revolverhelden im typischen dreckigen Banditen-Outfit wurde ein gepflegter europäischer Ausländer, der von Franco Nero (Django, Keoma) verkörpert wird. Wer meinen ersten Blog-Eintrag bereits gelesen hat, der weiß, dass ich Nero für den wichtigsten Schauspieler des Genres halte, so hat er hier eine neue Paraderolle gefunden, die er noch zwei weitere Male in fast identischer Form ausführen wird. Die drei Filme, die ich hier präsentieren möchte, könnte man also als Companero-Trilogie zusammenfassen (wobei kein direkter Bezug zwischen den Filmen besteht).
"Mercenario der Gefürchtete" oder "Die gefürchteten Zwei" ist also der erste Teil der Reihe. Es geht dabei darum, dass der Pole Kowalski (F. Nero) durch Zufall an die mexikanischen Revolutionäre um Paco Roman (Tony Musante) gerät. Diese merken, was für ein exzellenter Kämpfer der Pole ist und bezahlen ihn fortan. Das besondere ist, dass sich Kowalski wie ein König behandeln lässt. In Mitten eines Marsches durch die Wüste will er eine Dusche und bekommt sie auch. Diese Szenen sind absolut stark und wunderbar sarkastisch. Natürlich muss die Revolution gegen Regierungstruppen kämpfen und Kowalski hat mit Ricciolo (Jack Palance) noch einen persönlichen Feind. Es entickelt sich eine tolle Westerngeschichte mit vielen Ballereien (man merkt das deutlich höhere Budget im Vergleich zu Vorgängern wie Django) und Prügeleien, die vor allem durch den Charakter getragen wird, den Franco Nero verkörpert.
Die deutsche Synchronisierung kam bei diesem 68er Streifen ohne die späteren Blödeleien aus, war jedoch trotzdem absolut gelungen, ein wenig Humor war gegeben, aber keine Sprüche-Arien. So soll das sein. Hansjörg Felmy sprach Franco Nero und Arnold Marquis Tony Musante. Für die musikalische Untermalung zeichnete sich Ennio Morricone höchstpersönlich verantwortlich, er ging jedoch einen anderen Weg als bei Leone, hier kamen klassische orchestrale Töne zum Einsatz, die trotz ihrer Gewöhnlichkeit zu gefallen wissen.
Ich kann den Film vollends empfehlen. Ein gutes Beispiel für einen Italowestern, dank Nero und Corbucci.
1970 folgte dann "Lasst uns töten, Companeros", wieder von Corbucci inszeniert, wieder mit Franco Nero in der Hauptrolle, wieder mit Jack Palance als sein Rivale und wieder mit Melodien von Ennio Morricone. Es war absolut typisch im Italowestern, erfolgreiche Konzepte mehrmals zu verwenden. So gab es zwei Trinity Filme, 2 mal Nobody, Sartana, Tresette... und es wurde schamlos kopiert.
Die Handlung ist mit Verweiß auf den vorherigen Film schnell erzählt: Franco Nero (Yodlaf Peterson), diesmal als "der Schwede" unterwegs, gerät an Tomas Milian (als der Baske). Diesmal kämpfen sie aber nicht direkt als Teil der Revolution, diese entwickelt sich erst. Jack Palance hat diesmal einen Falken, der im Film einige schöne Szenen bekommt. Die Handlung ist durchaus sehenswert, aber man denkt zu jeder Zeit, der Film sei nicht viel mehr, als eine Kopie des Vorgängers, die aber sarkastischer und ein wenig klamaukig geraten ist.
Die deutsche Version ist jedoch grundverschieden mit der von "Mercenario". Diesmal hat das Schnodderdeutsch-Duo Karlheinz Brunnemann und Rainer Brandt den Auftrag zur Vertonung erhalten. Letztgenannter spricht Nero und Milian wird von Christian Brückner synchronisiert. Palance' Part übernahm Arnold Marquis. Für viele Freunde von ernsten Filmen war es extrem ärgerlich, dass Brandt/Brunnemann den Film durch die typischen Kalauer und Sprüche ins Lächerliche gezogen haben und somit die ganze Stimmung verfälscht. Ich mag die Sprüche und kann damit leben. Wer dies nicht kann, der greife zur Zweitsynchronisierung von 1978, die zwar nicht todernst war, aber den Film so gut wie unverfälscht herüberbrachte. Diesmal mit Thomas Danneberg auf Nero und Joachim Kemmer als Baske Milian. In dieser Fassung kam er unter dem Titel "Zwei Companeros" heraus.
Immer noch sehenswert, aber kein muss mehr für Spaghetti-Fans.
Aller guten Dinge sind drei? Diesmal nicht! Mit "Zwei wilde Companeros" wurde 1971 tatsächlich noch solch ein Film produziert. Diesmal jedoch ohne Corbucci, Palance und Morricone. Dafür kam mit Eli Wallach eine Kultfigur in diesen Film, welcher mit einem Strick um den Hals auf einem Grabkreuz balancierend weltberühmt wurde.
Auch diesmal spielt Franco Nero wieder einen auf den ersten Blick europäisch und spießig wirkenden Europäer, aber keinen Polen oder Schweden, nein, den Prinzen Dimitri Orlowski, einen Russen. In allen drei Filmen ist auch eine Frau an Bord, in den beiden ersten waren es Revolutionärinnen, hier Lynn Redgrave, die rothaarige Journalistin Mary O'Donnell, die ich in diesem Film absolut nervig finde.
Neben der Einfallslosigkeit, die hier endgültig die Überhand gewinnt, merkt man, der Film ist deutlich billiger produziert als die beiden Corbucci Vorgänger.
Die Synchronfassung ist einmal mehr eine Rainer Brandt Arbeit. Also auch diesmal einige Kalauer und flotte Sprüche, dieses Mal sind es aber weniger geworden, als im Vorgänger. Wie zuvor spricht Brandt persönlich Nero und Eli Wallach wird von Martin Hirthe vertont (wie in der bekannten "Vier für ein Ave Maria" Zweitfassung).
Wo ich die anderen beiden Filme noch empfehlen konnte, verging mir bei diesem Film die Lust. Die deutsche Fassung war auch nicht "schnodderig" genug, um den ziemlich miesen Film zu retten. Alles erliegt hier der Mittelmäßigkeit, wobei diese Wortwahl noch wirklich schmeichelhaft ist.
Bei den DVD's verhält es sich ähnlich. Die des ersten Teils war gut, vom zweiten braucht man das "Lasst uns töten, Companeros" 2 Disk Set, damit man beide Synchronfassungen hat und die vom dritten Film ist einfach nur ein Rip von der VHS!
Nun noch eine Kleinigkeit, die mir aufgefallen ist: Als Kommandant der mexikanischen Regierungstruppen war in allen drei Filmen Eduardo Fajardo zu sehen, der bereits in Django den Bösewicht Major Jackson verkörperte.
Als endgültiges Fazit kann gesagt werden: Die Filme sind ein typischer Vertreter des Genres. Was in den 60ern noch neu und unverbraucht war, ging in den 70ern in Einfallslosigkeit auf. Was man dann nicht mehr mit interessanten Typen und Geschichten füllen konnte, das wurde durch Klamauk und Kalauer aufgefüllt. Dabei sollte man sich entscheiden, ob der Film ernst bleiben soll, oder Komödie werden soll. Wenn man sich nicht entscheiden konnte, wirkte das Ergebnis unvollständig.
Lest auch meine anderen Blogeinträge. Der Italowestern steckt noch voller guter Filme.
https://bluray-disc.de/blulife/blog/bollwerk94/12585-der-italowesternblog-by-bollwerk94-1-keoma
www.bluray-disc.de/blulife/blog/bollwerk94/12622-der-italowesternblog-by-bollwerk94-1-in-den-fustapfen-von-bud-und-terence
www.bluray-disc.de/blulife/blog/bollwerk94/12675-der-italowesternblog-by-bollwerk94-3-totengrber-aus-asien
www.bluray-disc.de/blulife/blog/bollwerk94/12742-der-italowesternblog-by-bollwerk94-4-die-letzte-rechnung-zahlst-du-selbst
www.bluray-disc.de/blulife/blog/bollwerk94/12776-der-italowesternblog-by-bollwerk94-5-sergio-leone-ein-herz-fr-kauzige-greise
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Kommentare
"Zwei wilde Companeros" wurde vom "Schnodder-Dream-Team" Karlheinz Brunnemann und Rainer Brandt auf "Sprüche" gertimmt. Da der Film storymaßig qualitativ nicht an die "Vorgänger" rankommt, finde ich gerade die B&B-Synchro sehr gut. Die Beiden haben eben nicht versucht, den Film mit einem übertrieben albernen "Sprüchefeuerwerk" endgültig in die Zweitklassigkeit zu schieben. Der Film mag seine Schwächen haben, hat mich aber trotzdem bestens unterhalten. Und dann noch: Es gibt seit 2020 eine deutsche Blu-ray von diesem Film, mit einer, um Klassen besseren, Bild- und Ton-Qualität als die alte DVD aus dem Jahr 2007. Allerdings bis auf die ersten 10 Minuten. da hatte man entweder kein besseres Ausgangsmaterial oder es gab einen Fehler beim remastern.
Der Pole, der Schwede, der Russe !! *g*
Ich hoffe doch sehr dass Du über Kinski einen Beitrag verfasst, als Schauspieler war er ja genial, aber als Mensch...Herzog wird ein Lied davon singen können :D
lg
Ich mag Spaghetti-Western sehr gerne, die Dollar-Trilogie ist für mich das Maß aller Dinge^^
Sergio Leone großartige Regiearbeit, dazu die genialen Schauspieler Clint Eastwood, Lee Van Cleef und Eli Wallach :)
Den "irren" Klaus Kinski möchte ich natürlich auch nicht vergessen ;p
Untermalt mit der unvergleichlichen Musik von Ennio Morricone.
Einfach ein Genuss :)
***
PS
Das angesprochene Schema greifen selbst neuzeitliche, man kann ja schon fast von einem Remake sprechen, Produktionen wie "Last Man Standing" auf.