Vorbereitung auf Gumball 3000
7. Mai 2013Die letzte Zeit war elektrisierend. Ich erkannte mich kaum selbst wieder, fand aber bislang noch keine ruhige Minute, um mich damit auseinanderzusetzen. Doch heute habe ich Sie erhalten; die freie Zeit. Kostbares Gut, wie ich es mittlerweile schätze.
Selbst als Student ist es verwunderlich, wieviel Arbeit man sich aufbürden kann, wenn einem der normale Tagesablauf zu...normal?...ist. Aber all der Mühe zum trotz, ich kann mit stolz behaupten, etwas Großartiges auf die Beine gestellt zu haben.
Doch dazu gleich mehr.
Letzte Woche war ich spontan in Paris. Eine Freundin hatte mich eingeladen.
Ich kam, wir waren zusammen, und es sprang meine Vorstellungen. Ich bin seit 2 Jahren allein, und dementsprechend euphorisiert angesichts der Gefühlslage, die sich in Paris über mich ergoss. Der Abschied fiel schwer, und seitdem ist der Kontakt auch ein anderer, aber ich bin ihr sehr dankbar für die 4 Tage von seelischer Freiheit.
Zurück aus Paris, kam ich vor 5 Tagen zum Entschluss, die nächste Reise größer und riesiger werden zu lassen, als alles davor.
Die Planung dazu fing schon vor 2 Monaten an. Erst nur Gerede in einer Bar, quittiert mit Gelächter. Dann die ersten sporadischen Pläne, grob geschliffen, zur Überprüfung der Möglichkeit. Doch ich bin kein Mensch für sporadische Pläne. Ich mache meine Sache entweder gut, oder gar nicht. Und so habe ich mir die Zeit genommen.
Nachdem ich eine 3seitige Ausarbeitung erschrieben hatte, fanden sich mein Kumpel und ich in derselben Bar wieder. Diesmal kein Gelächter. Ernst, und nachdenklich. Stück für Stück arbeiteten und feilten wir, und nun steht das Ergebnis.
Am 17.5.2013 werden ich (24) und ein sehr guter Freund (21) uns auf eine Tour quer durch Osteuropa begeben. Wir werden 6000km in 10 Tagen zurücklegen und unseren eigenen Traum von einer großen Rally wahr machen.
Wir fahren von meiner Heimatstadt am Bodensee aus nach Berlin, Warschau, Vilnius, Riga...und treffen dort auf auf die internationale Rally. Gumball 3000 war schon lange ein Thema in unserer Freundschaft und der autoaffinen Gesellschaft, in der wir uns befinden. Aber das Thema tatsächlich so präsent heranzuholen, hätten wir uns in unseren jungen Jahren nicht erdacht.
Als Auto haben wir uns für einen BMW 320D entschieden, der mit großer Leistung bei wenig Verbrauch punktet. Für die Unterkünfte in jeder Stadt habe ich durch großartige Kontakte zu meinen Ex-mitbewohnern aus dem Wohnheim im Ausland vorgesorgt. Auch Stadtführer, Sprachkenntnisse, all das ist organisiert. Ich glaube, mitunter sind wir besser aufgestellt als die Rallyfahrer. Aber diese live und auf der Strasse zu erleben, ist ein Traum, der in Deutschland durch Verbote nicht realisierbar wäre; die Fahrt durch Osteuropa wird also ein wirklich fantastisches Abenteuer.
Von Riga jagen wir mit den Fahrern nach Warschau, und verbringen dort dann eine Nacht, um am nächsten Tag das südliche Polen in Ruhe zu erkunden, und über Tschechien nach Wien zu fahren.
Von dort werden wir uns Budapest, Bratislava und all die anderen schönen Städte anschauen. Sein Wunsch, über Italien nach Hause zu fahren, habe ich berücksichtigt. Ich plane die Fahrt von Budapest über Slovenien und Kroatien nach Italien zu leiten; je nach Zeitlage.
Ich wünschte mir, nachdem diese Planung doch schon so schön war, es tatsächlich noch ein level weiter hochschrauben zu können. So eine Rally, in der wir wahrscheinlich 15 Grenzen sowie 11 Länder in 10 Tagen passieren werden, ist nicht alltäglich. Sie ist herausfordernd, auf jeder Ebene, aber Sie wird den Schweiss hoffentlich wert sein.
Deswegen habe ich aktiv einzelne Teams angeschrieben, in der Hoffnung, diese Treffen zu können. Ich habe in Litauen ein Filmteam angeschrieben, deren Arbeit mir gefiel, sowie in Deutschland. Und siehe da - wir dürfen ein paar dieser Leute treffen.
Wir möchten diese Fahrt nicht undokumentiert lassen. Deswegen haben wir uns ein paar GoPro-Kameras, sowie 2 normale Kameras gesichert. Im Auto selbst sind 2 Navis im Einsatz, sowie eine Palette Red Bull. Musik wird über eine externe Festplatte eingespeist.
Alles in Allem, steht uns wirklich eine extrem spannende Zeit bevor. Und ich bin froh, es mit jemandem teilen zu können. Ich würde das gern rausschreien, jeden Tag. Diesmal habe ich es ausgeschrieben.
Hat jemand von Euch schon Erfahrung gemacht, was Rallys angeht, oder lange ausdauernde Fahrten?
Ein Buch, mich zu binden
2. April 2013Ich bin seit jeher ein sehr gedankenreicher Mensch. Ich denke, das kommt mit der Zeit, und den Reisen, die ich hinter mir habe. All die Menschen, die ich traf, und mir ein Teil ihrer Geschichte anvertrauten, und mich gleichzeitig zu einem Teil Ihrer Geschichte machten; ich denke, das rührt daher. Ich bin mittlerweile in vielen Ländern willkommen geheissen worden, und auch gerade von einer weiteren Reise ins Baltikum heimgekehrt.
Heimkommen ist immer eine besondere Angelegenheit. Sein trautes Heim, sein eigenes Bett, die gewohnte Umgebung lädt den Heimkehrer förmlich dazu ein, Geborgenheit zu erfahren. Doch dieses Mal blieb die Einladung aus. Dieser Moment der Ankunft, er kam nicht bei mir an. Ich musterte die Umgebung in der Dunkelheit, während ich meinen Koffer durch den Flur wuchtete. Es war alles gleich, doch mir eben auch. Aus irgendeinem Grund war es mir egal.
Ich lasse mich neben den Koffer auf die Couch sacken. Mein Hund sitzt vor mir, und schaut mich fragend an. Ihr Schwanz wedelt aufgeregt hin und her. Ich blicke ihr in die Augen, lange, und in dem Moment, als Sie sich abwendet, springe ich mit einem Satz nach vorn. Überrascht lässt Sie sich zur Seite fallen, und möchte, wie so oft, am Bauch gekrault werden. Es gilt, zwei Wochen Bauchkraulen aufzuholen, sodass ich ihr für 10 Minuten meine Aufmerksamkeit widme.
Eine Nachricht auf meinem Handy ließ mich aufblicken. Die erste Anfrage aus meiner Urlaubszeit, ob ich denn gut angekommen sei. Ich beantworte Sie knapp.
Was für eine Zeit, mal wieder.
Ich möchte von einem Abend berichten, der mich persönlich sehr zum Nachdenken angeregt hat.
An besagtem Abend traf ich mich mit einer guten Freundin, gebürtige Litauerin, in einer Bar. Ich brachte ihr ein paar kleinere Präsente, und nach 2 Wodka, sowie mehreren Bier, hatten wir nicht mehr das Gefühl, dass zwischen unserem letzten Treffen über ein Jahr vergangen war. Wir sprachen über gute Zeiten, über vergangene Zeiten, wir sprachen über den üblichen Klatsch, die Familie, das Studium. Wir sprachen, wir lachten. Und irgendwann, sprachen wir über Zukunft.
Sie fragte mich eine Frage, die ich mir seit längerem auch selber stelle: "Gibt es etwas, dass du gern machen würdest, aber dir fehlt ein kleines Quantum dazu? Nur eine Kleinigkeit, aber es lässt dich nicht los?"
Ich bejahte dies, und wollte zugleich auch wissen, was in Ihr denn konkret vorgeht.
"Musik. Ich möchte Musik machen. Ich liebe Musik, alles an ihr. Sie gibt mir die Möglichkeit, mich frei zu entfalten. Ich würde verdammt gerne DJ sein, aber ich trau mich einfach nicht."
Zugegebenermaßen, als angehende Masterstudentin in Finance und Accounting gäbe es natürlich andere Perspektiven, die vielleicht lukrativer sind. Dennoch verstand ich nur zu gut, was Sie meinte.
"Es geht mir ähnlich", versuchte ich zu erklären, "was für dich allerdings die Musik ist, ist für mich das Schreiben. Ich würde so gern ein Buch schreiben, aber irgendwas hindert mich noch daran."
Warum gerade ein Buch, das kann ich nicht wirklich in Worte fassen. Bei all den Erlebnissen, die ich gefühlt, und erfahren habe, habe ich schon seit längerem eine Leidenschaft zum Erzählen entwickelt. In meinem Kopf speichere ich meine Gedanken und Erlebtes als Geschichten ab. Und ab und an, wenn mich Leute dazu einladen, zu erzählen, merke ich auch, dass ich in der Lage bin, eine gewisse Spannung zu erzeugen. Mittlerweile habe ich verschiedene Geschichten auf 4 Sprachen Menschen zukommen lassen, und manchmal gaben Sie Menschen Kraft. Die Macht der Worte ist etwas sehr Kostbares, dem viele Menschen als solches nicht die Beachtung schenken, die Sie haben sollte.
Als ich damals in Georgien war, hatte ich die Ehre, mit einem georgischen Freund zu wohnen. Insgesamt waren wir 8 Personen, von der ich der einzige Deutsche war. Wir lebten in einem heruntergekommenen Slum, in dem es keine Dusche gab. Geld gab es auch keins, sodass wir betteln mussten, um Nahrung zu kaufen. Wir verbrachten viel Zeit zu Hause, und unterhielten uns. Eines Tages nahm mich einer von Ihnen zur Seite, und erzählte mir, abseits von den Zuständen, die ich ohnehin schon bemerkt hatte, noch weitere Facetten. Von Unterdrückung, Korruption, das Überleben des Stärkeren. Es war zur Zeit der Umbruchphase, 4 Monate vor der Wahl letztes Jahr. Ich habe ihm von Deutschland erzählt. Von Dingen, die hier anders laufen, die er umsetzen kann. Die ihn allein betreffen.
Nach meiner Zeit dort, sprach ich erst im Dezember zu seinem Ehrentag wieder mit ihm. Via Internettelefonie gratulierte ich ihm, und erkundete mich nach seinem Befinden. Mittlerweile hat er eine eigene Firma gegründet und betreut den Internetauftritt der Georgischen Regierung. Ich war stolz auf Ihn. "Danke, mein Freund. Du hast dazu beigetragen." Ich fühlte mich unglaublich gut.
"Du solltest ein Buch schreiben!" Diesen Satz habe ich schon oft gehört. Aber zwischen dem Hören, und dem Anerkennen, liegt ein weiter Weg. Nicht nur Menschen wie mein georgischer Freund legten mir das Nahe, auch Freunde zu Hause, Menschen, mit denen ich eine lange Zeit im Ausland gelebt habe, selbst eine Professorin kam eines Tages auf mich zu und fragte mich, warum ich das nicht wagen wolle. "Ich weiss es nicht." Bin ich wirklich dazu bereit, ein Werk zu verfassen, das eine Nachricht vermittelt? Habe ich die nötige Schreibfertigkeit? Wie werde ich mich tatsächlich fühlen, wenn ich all das erzähle, und somit mich selbst auf eine gewisse Weise preisgebe? Kann ich mit Kritik umgehen?
Zurück zur Bar. Nach einer Diskussion zu diesem Thema, gingen wir getrennte Wege. Ich sah Sie danach einmal wieder, 2 Tage vor Abflug. Sie lud mich zu sich nach Hause ein. Sie bereitete eine Lasagne vor, zu der ich mit Weißwein erschien. Nach einem leckeren Essen, und einem netten Gespräch, gingen wir in ihr Wohnzimmer.
"Weisst du, was wir jetzt tun?" Ich war mich nicht ganz sicher, wie ich ihr Lächeln deuten sollte. Es hätte in dem Moment wirklich alles bedeuten können..
"Nein?" Bleib brav, Junge. Sie meint es sicher nicht so. Das wäre Gift für die Freundschaft, richtig? Auch wenn ein wenig Alkohol im Spiel war, wir lassen uns dadurch nicht verleiten.
"Wir werden ab heute an den Dingen arbeiten, die wir tun wollen. Ich mach den Anfang."
Sie öffnete ihren Laptop, stöpselte das Kabel zum Soundsystem ein, und legte los. Was mich erwartete, darauf war ich nicht gefeit. Eine wunderbare Symphonie von Rhythmen, die ich so noch nicht gehört hatte. Ein fremder, doch interessanter Musikstil, eröffnete in mir eine neue Dimension von Geborgenheit, die ich von nun an mit diesem Raum in dieser Nacht verbinde. Ich bin mir nicht sicher, ob Sie verstand, was dieser Moment für mich bedeutete, während Sie mit ihrem DJ Programm arbeitete. Ich konnte nicht umhin; ich war nur noch in der Lage, zu lauschen. Es lud mich ein, einfach nur da zu sein. Diese Ein/Einhalb Stunden der puren Emotion, Selbstreflexion, und das Gefühl, dass Sie diese Musik nur für mich spielte. Es war, als ob wir eine stumme Vereinbarung gehabt hätten, und Sie mich damit in die Bringschuld brachte. Nur war es mir egal, solange Sie nicht aufhörte zu spielen.
Nachdem der letzte Track abgemixt war, eröffnete Sie mir, dass Sie müde war, und wollte schlafen gehen. Sie legte mir ungefragt Bettzeug mit auf das Bett.
Ich zog mich aus, wir legten uns nebeneinander, und sprachen bis spät in die Nacht. Wir liebten uns nicht, das war nicht nötig. Wir liebten was Gemeinsames, wir liebten den Moment, wir liebten was wir taten. Wir fühlten uns gut, miteinander, nebeneinander.
Und nun, nach diesem Tag, der heute fast eine Woche zurückliegt, suche ich mir ein Ventil. Und eine Möglichkeit, meine Bringschuld einzulösen. Sie hatte Musik gemacht, die mich berührte. Es ist an der Zeit, das erste Kapitel zu verfassen, in Hoffnung, dass es Sie berührt.
Ich werde dieses Jahr mein Buch schreiben. Für all diejenigen, die mich ermutigt haben, es zu tun. Für all diejenigen, die es lesen werden. Für mich. Für Sie.
25.000 Kilometer zum Erfolg.
9. September 2012Fest steht, dass sich eine massive innere Unruhe breitmacht. Ähnlich einem Schrei, der langsam von der Bauchgegend sich bis nach Oben in den Kopf breitmacht, sich dort festsetzt, und einem das Gefühl gibt, abzuheben.
Ja, abheben scheint das richtige Wort. Ich drifte ab, in etwas, dass ich noch nicht fassen kann. Sind es die Impressionen aus der letzten Zeit? Vielleicht. Aber das, was mir dieser Schrei signalisiert, ist vor allem ein Gefühl:
Du übersiehst etwas!
Ja, ich habe das Gefühl, ich übersehe etwas. All die Erfahrungen, die ich in letzter Zeit gemacht habe, münzen zu einem Ganzen, doch dieses Ganze habe ich noch nicht erfasst. Mein Kopf ist ein Schritt weiter als ich, die Lösung scheint greifbar, doch begriffen ist Sie noch nicht.
Dabei habe ich mein Lebensstil komplett umgekrempelt. Ist es dieser rapide Wechsel, in dem eigentlich nur eine Gewohnheit, das Rauchen, gleichgeblieben ist? Habe ich mir zuviel zugemutet? Oder zu wenig?
Ich habe 10 Monate in Litauen gelebt. Raus aus dem Alltagstrott meiner Stadt, rein in das andere Leben. Auslandsjahr meines Studiengangs. Und ich habe es gut gelebt. Ein Semester habe ich beobachtet, gelernt, und studiert. Mir die Menschen angeschaut, die Organisation, die für uns zuständig war, um uns zu betreuen. Die Problempunkte erkannt und in eine Lösung umgesetzt. Public Relations mal anders.
Im Zweiten Semester habe ich meine persönliche Vorstellung eines Austauschsemesters umgesetzt. Die Erfahrungen, die ich im ersten Semester gesammelt habe, wurden angewendet. Wichtig zu sagen ist, dass das Ganze für mich neben dem Spaß auch Ernst war: Es war meine Chance, mir selbst zu beweisen, ob ich Führen kann.
Ich gründete eine Gruppe in Facebook, und machte in den ersten Tagen der Neuankömmlinge massiv Werbung. Es ging nicht lange, bis alle Studenten meines Wohnheims darin vertreten waren.
Dann organisierte ich Events. Alle Arten von Events: Schlittschuhlaufen, Sightseeing, Partys, Reisen in alle Länder. Ich kümmerte mich um Visumsanträge für Russland, während eine andere Gruppe Reiseführer für Lettland gebraucht hat. Gruppe 3 versuchte günstig in Helsinki zu leben.
Ich studierte Europafluglinien, Visumsrichtlinien, und traf jedes Mal genau den Nerv des Moments mit den Aktivitäten, die ich anbot. Und ich hatte Erfolg.
Der Nini-Club, wie man ihn genannt hat, wurde schnell über das Wohnheim heraus populär. Jeder wollte ein Teil des Wohnheims, dass in ganz Vilnius bekannt ist, sein. Nicht nur Austauschstudenten traten bei, auch Einheimische fingen an, sich in mein System einzugliedern. Immer mehr Leute, was die Planung begünstigte.
All diese Planungen, mein steigender Bekanntheitsgrad in der (kleinen) Hauptstadt sowie meine Bereitschaft zur Interaktion mit jeder Person waren für mich Vorlagen zu dem Ziel, dass ich für dieses Semester gesteckt hatte: Ein Event, an dem alle Kulturkreise, die wir hatten, vertreten sind.
Ich entwickelte ein Konzept, in dem sich die Vertreter in Teams zusammenfanden, um an einem bestimmten Tag landestypische Gerichte zu kochen.
150 Leute meldeten sich an. 165 wohnten in dem Wohnheim.
In der Koordination ging es um die bestmögliche Kapazitäten-Nutzung: Unser Wohnheim hat 7 Küchen, wie bringen wir sämtliche Nationen unter. Unter Berücksichtigung, welcher Kulturkreis in welcher Küche kocht, habe ich Relationen unter den Nationen observiert. Beispielsweise darf man Leute aus Usbekistan nicht mit Leuten aus Kirgistan in eine Küche setzen, wenn man einen Streit verhindern will. Aber Kirgistan, Georgien und Russland hat funktioniert.
Die Spanier stellten eine große Gruppe, ebenso die Italiener.
Ich zog einen riesen Contest ans Land, und an einem Tag war es soweit:
7 Küchen waren voll, und simultan wurden unendlich viele Speisen zubereitet. Wir stellten in einem Stockwerk alle Tische heraus und brachten das Essen mitsamt Dekoration an den Platz. Plastikteller und -Becher sorgten für halbwegs saubere Umstände, und die Italiener gaben sich mit einer großen Polognese, sowie Limbo, die Ehre des Entertainments.
Ich hatte mein Ziel erreicht, und allesamt hatten eine gute Zeit. Diese Erfahrung zu machen, hat mir gezeigt, alles ist möglich. Ich habe es geschafft, 180 Leute an einem Abend zu einer gemeinsamen Aktivität zu bewegen. Und ich habe gut gegessen. ;)
All das blieb der Vereinigung, die eigentlich für uns zuständig war, nicht verborgen. Sie registrierten sinkende Teilnehmerzahlen auf deren Events, und wachsende auf meinen. Der Grund - meine waren schlichtweg interessanter und ansprechender. Dies führte zu allgemeiner Missgunst, vielleicht auch Neid. Man warf mir vor, Ihnen das Szepter aus der Hand zu reissen. Die Mentoren, die sich um die Studenten kümmern sollten, hatten zum Teil keinen Kontakt mehr zu Ihnen; wenn die Studenten Probleme hatten, kamen Sie zu mir.
In einer internen E-Mail der Organisation, die mir zukam, wurde ich betitelt als "Ein Problem, dass es zu lösen gibt." Ich fand mich in einem Krimi wieder.
Die erste Aktion der Organisation war das Senden von Polizeiaufgebot, dass uns über unsere Rechte aufgeklärt hatten. De facto kam dabei raus, dass wir keine Rechte hatten. Alles ist öffentlicher Raum in einem Wohnheim, und das Trinken von Alkohol, was bei vielen Elementar war, gehört unter Strafe - auch mit Gefängnisaufenthalt.
So wurde nach dem Gespräch, das Wohnheim alle 4 Stunden von Polizei aufgesucht. Das sprach sich unter Einheimischen schnell rum, und der gegenteilige Effekt trat auf - wir wurden umso bekannter. Und die Führungsposition, das war ich.
Es kam nicht selten vor, dass ich in der Stadt von Fremden angesprochen wurde, die mich auf Fotos erkannt hatten. Die wissen wollten, was als nächstes anstand.
So hatte ich ein letztes Mal die Aufgabe, dem Ganzen einen draufzusetzen. Ich war schon so weit gekommen, nun ging es darum, wie weit man gehen kann. Wir organisierten eine Party, die größte bekannte Party. Massive Werbung wurde gemacht, und 500 Leute kamen. Ich hatte diesmal Hilfe, ein Team, denen ich bestimmte Arbeit auflud.
An besagtem Tag hatten wir 2 Zelte an einem abgelegenen Platz aufgebaut, mit Dj Equipment. Ein Freund aus dem Wohnheim, aus Montenegro war DJ, und spielte die Musik. Ein paar Hobbyfotografen, aus Kreuzberg und Frankreich machten die Fotos. 16 Männer trugen 30 Kisten Champagner 2 Kilometer weit.
Die Leute kamen, und wir feierten - Mittags um 12. Bis spät Nachts. Um 5 Uhr ließen wir die Leute, die bezahlt hatten, in einer Schlange aufreihen, und gaben den Champagner aus. Nachdem 220 Flaschen erfolgreich verteilt worden, brachten wir eine riesige Plane zum Einsatz.
18 Uhr wurde der Startschuss gegeben, und 220 Korken knallten. Es war die größte Dusche, die ich beobachten konnte. Die Plane fing den Champagner auf, sodass sich die Oberfläche dazu eignete, über die Plane zu rutschen. Ich filmte dieses Event, und wir stellten danach ein Video online. Ich war zufrieden.
Rückblickend kann ich sagen, dass ich mehr als das Beste aus der Zeit gemacht habe. Und dass mir das bestätigt wurde. An meinem Letzten Abend fanden sich unsagbar viele Leute ein, um sich noch Erinnerungsstücke von mir unterschreiben zu lassen - gängiges Prinzip. Aber ich erhielt auch viel. Mein Schreibtisch ist voll mit Dingen, die mir Leute gegeben haben. Ich kann mich glücklich schätzen.
An dem Morgen, als ich das Wohnheim verlassen musste, um nach Deutschland zurückzukehren, hat sich das Wohnheim komplett(!) versammelt, um sich zu verabschieden. Ich trat in das Zentrum der Versammlung, und war nicht in der Lage, auch nur ein Wort zu sagen. Die Menschen, die mir die Möglichkeit gaben, das zu bewerkstelligen. Durch ihr Vertrauen meines in mich gestärkt haben.
Stattdessen nahm ich mir die Zeit, jedem kurz in die Augen zu schauen. Dann fing der erste mit dem applaudieren an, und es endete in einem großen Beifall für mich. Ich war sprachlos. Ein kleiner Franzose war der erste, der mich umarmt hat. Und schließlich kam jeder, einer nach dem anderen, um mir ein paar letzte Worte mit auf dem Weg zu geben. Ich war nur darauf bedacht, nicht zu weinen.
Sie begleiteten mich raus bis zum Taxi, und winkten mir zu. Ein überwältigendes Gefühl.
Zu Hause angekommen, erhielt ich via Facebook unzählige Einladungen. Dank Ryanair auch realisierbar. Ich buche keine Hotels oder Herbergen mehr, ich rufe meine Freunde auf der Welt an, und frage ob Sie Zeit haben.
Ich war dieses Jahr 5 mal in Riga, um eine Freundin zu besuchen, die mir wichtig ist.
Ich hatte schon 15 Gäste aus 14 Ländern, die sich in den Süden Deutschlands eingefunden haben, um mich zu besuchen. Die Gesellschaft, die ich zusammengeschweisst habe, ist selbst nach der Trennung immer noch eins. Die anfängliche Erasmus Community entwickelte sich zu einer speziellen Form von Couchsurfing.
Ich bin unendlich glücklich.
Drei Wochen nach meiner Heimkehr entschloss ich mich zu einem ersten Trip. Ich bereiste die Türkei, Georgien, ein Pit Stop in Lettland auf einen Kaffee mit besagter guter Freundin und Mailand.
In der Türkei erlebte ich den Ramadan, und war mit Freunden, die ich in Litauen geknüpft habe, zusammen. Sie zeigten mir Plätze, erklärten mir Kultur, kochten traditionelles Essen für mich. Ich habe viel gelernt über den Islam, und konnte Vorurteile revidieren.
Von dort bin ich in Batumi, einer Stadt in Georgien gelandet. Nur noch 150 Euro in der Tasche, und ich musste feststellen, dass ich in einer zerfressenden Gegend angekommen bin. Mein Freund holte mich am Bahnhof ab, und stellte mir seine Familie vor: 6 Junge Erwachsene, die sich für die Zeit einfach ne Bude in der Stadt zusammen genommen haben. Mietverträge gibts nicht, du klopfst an eine Tür, bezahlst, und ziehst ein. Das wars.
Wir schliefen zu 7. in einer Ein-Zimmer Wohnung. 4 auf 2 Ein-Personen-Betten, 2 auf der Couch, und 1 auf 2 Stühlen.
Am nächsten Tag wurden wir aus der Wohnung verwiesen, und saßen auf der Strasse. Wir fanden recht schnell eine andere Bleibe, die aber das Budget überschritt. Ich gab Ihnen mein Geld, und war Blank.
Wir lebten von Wasserhahn und Brot. Ab und zu Kartoffeln. Wir wussten nie, ob wir genug für den nächsten Tag haben. Aber uns hat es an nichts gemangelt. In Armut zu leben war ein essentieller Erfahrungsgewinn für mich, und relativierte bis dato alles, was ich kannte. Das Schlimmste war das Fehlen von Arbeitsplätzen; Sie konnten keine Arbeit finden. Unterdrückung und Abzocke war an der Tagesordnung, die Viertel waren mehr als Schäbig. Und doch, war es wunderschön. Es war real, etwas authentisches, keine der Illusionen, denen man sich im Tourismus hingibt.
Ich lebte.
Ich habe diesen Menschen viel geben können, aber auch viel mitgenommen. Ich habe Arbeit in Deutschland nie gewürdigt. Und da komme ich aus einem Land, in dem Arbeit dir zeigt, was du damit eigentlich hast. Einen vollen Kühlschrank zum Beispiel. Was ganz Banales. Wenn man zu Hause lebt, sieht man solche Dinge nicht.
Ich bin seitdem ein anderer Mensch. Als ich wieder zu Hause ankam, stürzte ich mich förmlich in Arbeit. Ich habe miene Kurswahl schon 2 Monate vor Semesterbeginn auf Rekordpunktzahl hin ausgelegt und belegt, und sitze jetzt schon vor Büchern zur Vorbreitung. Ich habe einen 400Euro-Job bekommen und bin dankbar dafür. Ich saß bei einer Geburtstagsfeier meiner Großmutter, und als der Kartoffel- und Nudelsalat vor mir stand, konnte ich nicht umhin als zu lächeln. Ich danke dafür, dass ich das habe. Und ich weiss von Menschen, die weitaus weniger haben. Deswegen sammle ich all die Klamotten, die ich nicht mehr brauche, und Rucksäcke. Und ich versuche, ein günstiges Tablet zu ersteigen; das hat Sie so begeistert. Und das wird dann zu meiner georgischen Familie geschickt. Für mich ein kleiner Umkostenbeitrag, für diese Menschen eine unglaubliche Freude.
Ich habe meine Stärken erkannt, und weiss, dass ich 80 ECTS in einem Semester mit guten Noten hinbekommen kann. Ich bin ein Weltbürger geworden, der an manchen Wochenenden nach Spanien/Polen/etc fliegt, um seine Freunde zu sehen. Ich habe dabei nicht das Gefühl von Urlaub, wohl aber das es etwas Besonderes ist, das Leben auf diese Art erfahren zu können.
Ich habe einen positiven Einfluss auf Menschen, und weiss, wie ich Sie motivieren kann. All das habe ich dort gelernt. Und wie ich mit Menschen umgehen muss, um ein Ziel zu erreichen.
Und doch sitze ich heute hier, und frage mich, was ich übersehe. Ich spreche 8 Sprachen, ich besitze eine gute Schreibtechnik, kann mich gut ausdrücken. Doch schwierig wird es, wenn man sprechen, aber nichts zu sagen hat. Deswegen belege ich gerade in einem Internet-Uni-Programm aus Amerika parallel zum Studium sehr viele Kurse zu Business, Marketing, Weltgeschichte, und Programmiersprachen (aus Neugier, ob das was für mich wäre). Ich denke, mit den erworbenen Kompetenzen und meiner kulturellen Erfahrung wäre ich in Richtung Public Relations oder Consulting gut aufgehoben. Irgendwas in meinem Kopf sagt mir, dass ich die Antwort auf die Frage schon längst weiss, aber ich kann Sie nicht formulieren. Weil ich etwas übersehe, verflixt.
Und an den Tagen, an denen ich an meinem Laptop verbissen herumbeisse und mit den Projekten hadere, die ich derzeit ausarbeite, schaue ich kurz hoch. Hinter dem Laptop sind die Geschenke der Welt auf meinem Schreibtisch vertreten, und rechts hinter dem Laptop ein kleines Notizbüchlein. In dieses hat eine gute Freundin, die ich in Georgien gewonnen habe, den Satz "It's a long way to the top.." geschrieben.
Und ich erinnere mich wieder, warum ich diese Dinge getan habe, warum ich diese Dinge tue und weiterhin tun werde. Denn ich habe gelernt, andere Menschen haben diese Möglichkeit nicht, und ich möchte Ihnen Vorbild sein, dass man mit Arbeit und Willensstärke alles erreichen kann, was man will.
Und ich selbst weiss, dass ich kein Typ für Schichtarbeit bin, und dass meine Berufung in etwas Anderem liegt.
Die Reise zum Mittelpunkt des Seins
16. Juli 2012Es hat sich, seitdem ich wieder aus dem Ausland daheim bin, doch sehr viel getan. In einer Zeitung ist ein Artikel mit meinem Namen erschienen, ich habe vieles zu Hause umgekrempelt, und mich der Frage gewidmet, was denn dieser ungewöhnlichen Erfahrung noch folgen könnte.
Zu der letzten Frage habe ich mittlerweile eine Antwort gefunden. Darum bin ich froh, mitteilen zu dürfen, dass ich mich auf eine lange, ungewisse Reise vorbereite. Etwas, dass mich zugleich nervös macht und zugleich freut, wird bald seinen Lauf nehmen.
Nachdem ich die geplanten Reiserouten und Kartenmaterial ausgelesen habe, beläuft sich der momentane Reiseweg, der mit Zug/Bus/Flug zurückgelegt wird, auf 10177 Kilometer.
Ich reise allein.
Am 24.7. werde ich in einen Flieger in Stuttgart einsteigen, und mich auf den Weg nach Istanbul machen. Dort werde ich dann eine kleine Rundreise durch verschiedene Orte in der Türkei wagen, um 2 Wochen später die Grenze nach Georgien zu überschreiten. Nach Besuch dieses Landes wird mein Flug mich über Lettland nach Italien bringen. Soweit geplant. Angekommen in Norditalien, werde ich sehen, wie ich mich entscheide - entweder trete ich den Weg nach Sizilien an, oder ich überquere die Grenze zu Frankreich entlang der Südküste bis nach Spanien. Das werde ich spontan vor Ort entscheiden.
Meine Freunde in den jeweiligen Ländern sind sehr aufgeregt und freuen sich über meinen Besuch. Ich werde den Ramadan miterleben, Brauchtume und Traditionen kennenlernen, neue Gesichter und Ansichten, und ich werde auf mich angewiesen sein, meine Instinkte. Ich habe bewusst keinen Schlafplatz gewählt, weil ich nicht weiss, wie lange ich an einem Ort verweilen werde - vielleicht im Zug schlafen, vielleicht im Freien. Am Wahrscheinlichsten ist natürlich in den Wohnungen meiner Freunde, aber wir werden sehen.
Derzeit versuche ich mich, darauf vorzubereiten. Aber das geht natürlich nicht sehr einfach. Ich bin trotz der Sorgen meiner Eltern und Großeltern recht zuversichtlich, was die Sicherheit und die Freundlichkeit der Menschen angeht.
Bleibt mir nur zu sagen, dass ich das Ende für Ende September angedacht habe. Und ich gerne die 15.000KM in einer Reise erreichen wollen würde.
Zu diesem Zweck werde ich wahrscheinlich einen neuen, unabhängigen Blog kreiren. Ich bin in letzter Zeit in den Vorbereitungen wirklich sehr oft darauf angesprochen worden, und ich möchte das versuchen. Ich werde die Seite hier posten, sobald Sie fertig ist.
Dann werde ich Texte, Reise-erlebnisse und Bilder hochladen. Und mal sehen, vielleicht ist das sogar richtig lesenswert.
Ich wünsche Euch einen angenehmen Start in die Woche! Die Sonne hat es heute gut gemeint mit dem Süden. Bleibt zu hoffen, dass der Regen nicht wieder die Überhand nimmt. Ich genieße die Zeit, die mir bleibt. Es ist nicht mehr lang, bis zum Startschuss.
Der Rucksack steht.
Die Ankunft I
2. Juni 2012Es ist kalt, was ich meiner Zigarettenaffinität zuschreibe. Im T-Shirt übernächtigt in einem kleinen Zimmer mit offenem Fenster zu sitzen, ist auch meine Schuld.
Wochenende, sollte man meinen. Ich habe das Gefühl für Wochenenden verloren. Ich lächle darüber und versuche mich zu erinnern, wie ich mich früher darauf gefreut habe. Früher. Was war früher nochmal? Was ist das schon für ein Ausdruck für jemand, der erst 23 ist?
Doch wie drückt man aus, was man empfindet, wenn es so komplex ist? Ich denke, ein Vergleich ist da nicht verkehrt. Früher, das war genau genommen, vor dem 23.8.11.
An diesem Tag haben mich meine Eltern, zusammen mit meiner damaligen Freundin, in unserem Mitsubishi zur Reise meines Lebens begleitet. Es ist schon etwas Aufregendes, mit einem One-Way-Ticket zu fliegen. Man hat ein ganz anderes Gefühl, wenn man das Ticket in der Hand hält. Man realisiert nicht, dass es bedeutet, dass man erstmal nicht zurückfliegt.
Nach einem guten Abschied von meinen Eltern und Anhang, war es mir gegönnt, ein erstes Mal Lufthansa zu fliegen. Und so kam ich aus Zürich, nach einem Zwischenstop in Riga, in Wilna an.
Wenn ich daran zurückdenke, kann ich mir ein Lächeln nicht verkneifen. Mit Schulenglisch, einem Dokument zur Bestätigung für meinen neuen Wohnraum sowie Gepäck mit einer Handvoll Klamotten und Laptop ausgerüstet, habe ich sehr schnell grundlegende Dinge in einem osteuropäischen Staat lernen müssen:
Dass mein Schulenglisch nicht verstanden wird, dass ein Dokument ignoriert werden kann und dass Gepäck nicht unbedingt sicher ist.
Gleich nach Ankunft habe ich erstmal über die eigene, neue Währung gestaunt. Euro? Fehlanzeige. Verdutzt habe ich das Geld aus meinem Geldbeutel umgewandelt und mich reich gefühlt, als ich anstatt 300 Euro 1050 Litas in der Tasche hatte. Das Gefühl blieb, als die erste Schachtel Zigaretten mich mit einem 8,90 Lt - Zeichen begrüßte.
Doch ein wenig verloren war ich schon. Ich hatte keinen Ansprechpartner zum Zeitpunkt meiner Ankunft, so musste ich mir einen Plan zurechtlegen. Der kam auch Recht schnell, nur ein Punkt darauf:
Improvisation.
Ich blickte mich also um, und musterte die Umgebung. Nach dem vorläufigen Höhenflug des finanziellen Reichtums, kam auch schon die Ernüchterung. Kommunikation war hier ein Problem. Die "Alteingesessenen", Einwohner, Arbeiter, und gemeines Volk, dass man an einem Flughafen zu diesem Zeitpunkt antreffen kann, sprechen Litauisch, Russisch, oder Polnisch. Jedoch wird man mit Englisch angeschaut, als hätte man gerade ihren Patriotismus angezweifelt. Bei den vielen Touristen, die sich hier täglich tummeln, kann ich mir das durchaus gut vorstellen. Bei jedem Geldwechsel, den ich nach mir beobachtet habe, gab es ein überraschendes Glucksen zu vernehmen. Ich denke, dass das für Einwohner nicht wirklich nett mitanzusehen ist.
Nach mehreren vergeblichen Versuchen, ein Taxi zu bekommen, saß ich also erstmal fest.
Dringende Hilfe benötigt
22. Mai 2012Ich kenne einen Menschen, dem ich diesen Post widme. Und es geht um eine scheinbar ausweglose Situation, die ich als solche nicht wahrhaben möchte. Und deshalb bitte ich in diesem Forum um Hilfe.
Der Kontakt mit ihm kam 2008 durch World of Warcraft zustande; das ist ist jetzt 4,5 Jahre her. Wir haben uns auf Anhieb verstanden und uns auch ausserhalb des Spiels ausgetauscht. Es wurde dabei kein Thema ausgelassen. Ich habe das moderne Brieffreundschaft getauft. Auch die Tatsache, dass wir uns über 4,5 Jahre hinweg (mittlerweile war ich fast 1,5 Jahre nicht mehr im Spiel aktiv) konstant miteinander ausgetauscht und unterhalten haben, spricht für eine Art besondere Freundschaft.
Er ist 22. Er wohnt nahe Nordsee, ich nahe dem Bodensee. Die Distanz haben wir bislang noch nicht zurückgelegt, um uns zu treffen. Bislang hatte ich auch nicht das Gefühl, dass wir das brauchen. Wenn man jung ist, glaubt man, dass man alles "später" machen kann - man hat ewig Zeit.
Doch Zeit ist seit diesem Wochenende ein Problem. Er ist krank, hat eine spezielle Lungenkrankheit, die noch nicht vollständig erforscht ist. Soll heissen, die Medikamente sind in frühestens 3 Jahren einfach zu erhalten weil Sie gerade in einer Testphase sind.
Diese Krankheit veranlasst seine Lunge, langsam aber stetig zu versagen.
Bis letztes Jahr hat er eine Therapie dagegen gehabt, die angeschlagen hat. Vollständige Heilung gibt es nicht in seinem Fall, nur ein Aufhalten.
Letzten Woche wurde ihm von seinem Doktor eröffnet, dass der kranke Teil der Lunge wieder offen ist. Das war ein Schock für ihn. Erzählt hatte er mir da noch nichts.
Nun hat er sich bis zum Wochenende mit Formularen und Therapieanträgen rumgeschlagen, eingereicht und so weiter und sofort.
Am Sonntag ruft ihm der Doktor von zu Hause an und erklärt ihm, der Antrag sei nicht bewilligt und gibt ihm mit auf dem Weg, dass er noch 7 Monate hat, die er ihm statistisch von den Werten aus dem letzten Jahr errechnet hat.
Seitdem habe ich alle Hände voll zu tun, ihn am Leben zu halten. Er selbst hat schon aufgegeben aber ich lasse das nicht so einfach auf ihm sitzen. Im Sinne der Gerechtigkeit ist es für mich unfassbar, dass in einem Sozialstaat es immer noch möglich ist, Menschen mit einem Stempel zum Tode zu verurteilen.
Ein Kredit ist nicht möglich, da er ein Haus gekauft hat und dies abbezahlt.
Der Schwarzmarkt (so unkoscher das auch klingt) bietet auch nicht was wir suchen.
Somit bleibt nur ein Ziel, das Ziel lautet 14.000 Euro in weniger als 4 Monaten herzuzaubern. Und da hört mein Latein auf.
Ich will niemand zum Geldgeben animieren mit diesem Text, ich finde das sehr schlimm das auch zu müssen im Allgemeinen, aber ich würde um Hilfe bitten. Es ist nicht nur mein Freund, es ist auch diese Art, dass Menschen einfach untergehen, und Fälle "durchbilanziert" werden.
Ich bitte Euch, wenn ihr tatkräftige Ratschläge habt, wie ich diese Summe effektiv und schmerzbegrenzend schnell auftreiben kann, ich wäre dankbar. Ich bin am überlegen einen Spendenaufruf zu starten aber ich habe ein wenig Angst davor. Ich bin selbst einer derjenigen, der von den Bildern die in Facebook und co geistern recht abgestumpft, ja sogar angewidert ist. Und jetzt soll ich selbst so etwas anleiern. Das Schlimmste daran ist die Gewissheit, dass mit jedem Tag ein bisschen Zeit verloren geht.
Ihr müsst verstehen, ich war darauf nicht wirklich vorbereitet. Ich will das Thema nicht in Facebook breittreten, noch bin ich zu Hause. Ich wohne derzeit im Ausland und das sind Dinge, die ich mit Freunden nicht telefonisch bereden möchte. Freunde kommen am Wochenende, vielleicht kann ich da ein Brainstorming starten.
Vielleicht gibt es jemand unter Euch, Doktoren, Anwälte, Psychologen, Menschen mit Erfahrung im Geldsammeln (Fundraising denke ich is der Name),
oder aber Ratschläge jeglicher Art.
Ich werde ihn nicht so einfach sterben lassen. Als er am Sonntag mir anrief und unter Tränen ein "Adios" herausgepresst hat...ihr wollt niemals einen Anruf von jemand aus einer ausweglosen Situation haben, der eigentlich nur Bescheidgeben will, dass er in ein paar Stunden nicht mehr lebt, damit er den Weg des Sterbens noch selbst aussuchen kann.
Danke für die Aufmerksamkeit. Ich weiss, es ist viel verlangt, aber ich bin dankbar für jegliche Art von Hilfe.
Der Friedhof der Freundschaft
16. Januar 2012Es ist 9:18 Morgens. Ich finde, die Zeit ist gut. Die Party bis eben auch. Es ist hell draussen. Der Schnee hat die Stadt zugedeckt. Das steht ihr, und Sie scheint munter zu schlafen. Ich bin immer noch wach…
Eine Erinnerung an alte Schultage blasst auf, an denen ich um die Uhrzeit die Pause um 9:25 nicht erwarten konnte. Es war immer große Pause. 15 Minuten ohne Klassenzimmer, ohne Schulgelände. Als Raucher musste man sich früher immer vor den Lehrern verstecken. Wir sind dazu in einen angrenzenden Park auf einen Spielplatz gelaufen. Natürlich nur, wenn sich dort keine Kinder aufhielten.
Dort war es immer so schön ruhig. Keine kreischende, rennende, tollende, Fußballspielende, rempelnde Kinder. Wir Jungs aus der Mittelstufe hielten uns für soviel älter.
Wir haben den Platz gemocht. Ich erinnere mich nicht mehr daran, wieviele wir waren, aber wir hatten immer Spaß. Wir teilten Freude und Trauer wie Zigaretten und Pausenbrot. Und jeder war auf seine Weise einzigartig.
Was für eine intensive Zeit. Ich denke, jeder von uns hat früher seine Gruppenphase gehabt. Leute, mit denen man sich einfach auf einem Platz getroffen hat. Ohne sich absprechen zu müssen. Mit Fahrrädern sind wir angefahren gekommen, mit Cityscootern, Inline-Skates, zu Fuß. Was waren wir aufgeregt, als der Erste 16 war und einen eigenen Roller besaß. Nach langem Betteln erlaubte er mir, unter seiner Führung eine Runde auf dem Schulhof fahren. Das Gefühl, am Gashahn zu ziehen und vorwärts zu kommen…nie schien fortbewegen einfacher.
Doch fortbewegen ist eine gefährlich einfache Angelegenheit.
Ich hatte damals einen „besten“ Freund. Bester Freund, weil er wirklich der Beste war. Wenn mich ein Klassenkamarad bedrängte, hat er mich befreit. Als ich mal einen schlechten Tag hatte, und nicht zu Hause schlafen wollte, nahm er mich auf. Beim Fußballspielen auf dem Platz waren wir das Team oder spornten uns als Rivalen umso mehr an. Jede Kombination in jeglicher Hinsicht brachte Spaß.
Denkt mal zurück an Eure Zeit. Es gab bestimmt einen Menschen, mit dem ihr mehr Zeit verbracht habt als mit irgendwem anders. In einer Zeit, in der ihr alles Andere gemacht habt, nur nicht über Eure Zukunft nachzudenken. Und diese Person ein fester Bestandteil Eures Daseins war.
So einer war er. Wir haben alles geteilt. Und wir haben viel voneinander gelernt. Man erlebt eine völlig neue Art der Selbsterkenntnis, wenn man sich einer Person vollkommen preisgibt. Dinge, die man sonst nicht auszusprechen wagt, fallen einem kinderleicht (weil wir noch Kinder waren?). Dieses Herantasten in ein neues Feld, ist ein sehr wichtiger Schritt auf dem Weg des Erwachsenwerdens. Ich habe ihn Vertrauen getauft. Und wir haben diesen Schritt gemeinsam mit Bravour gemeistert.
Doch gibt es in der Pubertät bei Jungen neben der Selbsterkenntnis ein weiteres, nicht unprägsames Thema: Das Mädchen.
Und die gab es auch bei ihm. Ich freute mich für ihn. Erste Erfahrungen sammeln. Erstes Mal küssen. Erstes Mal ein Mädchen daten. Erstes Mal Sex. Man kann es drehen und wenden, aber in einem Alter, das noch keine 2 vor der 0 gesehen hat, ist es eines der interessantesten Themen im Leben eines Teenagers. Das merkte man am schnellen Themenwechsel. Der erste Junge mit einem Roller weichte dem ersten je bemerkten Busen. Fc Bayern wurde so rasant wie Michael Schumacher durch The Dome (/Top of the Pops), Deos und Parfüm ersetzt. Innerhalb von 2 Monaten wurde das Fahrrad durch einen Bus ersetzt. Mit dem Fahrrad durch die Stadt fahren war plötzlich uncool. Ein Mp3 Player musste her, um überall Musik zu haben. Dauerbeschallung zum Abschalten (Leider geht manchmal der „Anschalten“-Knopf dabei kaputt, am Rande bemerkt). Der Drogeriemarkt wird als kostenlose Duft-Spray-Anlage benutzt. Wir bemerken plötzlich, dass wir stinken, und duschen uns nach dem Fußballspielen und Albernheiten machen jetzt öfter.
All das war neu. Und irgendwie interessant. Doch ich wusste, dass etwas hier gegen eine Wand rennt. Zu viele Veränderungen auf einmal. Wenn auf jedes kleine Detail eine Reaktion folgt, wird man euphorisch. Es werden mehr Dinge abgeändert, als notwendig. Man spielt sich auf. Man pumpt sich auf. Der Aufmerksamkeitskick wird zur neuen Jugenddroge. Und dass ich das bin, der in die Wand läuft, wurde mir erst beim Aufprall bewusst.
Ich habe die Veränderungen mitdurchlebt. Weil wir alles miteinander gemacht haben. Auch wenn ich Sie nicht in allen Teilen gut geheissen habe. Doch mir fehlte etwas. Und als ich gegen die Mauer krachte, war mir bewusst, dass ich das fehlende Puzzle nicht bei mir suchen kann. Durch das ständige Miterleben habe ich vergessen, selbst zu erleben.
Mein Freund und ich,
aus wir wurden er und mich.
Ein „Ich“ hatte ich in diesem Moment nicht.
Er hatte dieses Mädchen gefunden. Und mich (aus den Augen) verloren. Er hat sich fortbewegt. Entwickelt hat er das genannt. Ich nannte es im Stich lassen.
Der erste Streit ließ nicht lange auf sich warten. Und so kommt es, dass im Laufe der Zeit aus Freundschaften Bekanntschaften werden, die langsam entgleiten.
So gefährlich schnell kann Fortbewegen sein…
Um diese Erfahrung reicher, war ich auf den daraufhin folgenden Zusammenbruch der eingeschworenen Gemeinschaft der Spielplatz-Gänger vorbereitet. Wir hielten uns nicht mehr für älter, wir waren es und wollten es nicht wahrhaben. Wenn eine Veränderung in der Gruppendynamik einhergeht, löst das oftmals eine Kettenreaktion aus. Der Rest passiert ziemlich schnell. Schlechte Nachrichten, als ob wir Sie schon ewig vor uns hergeschoben hätten, scheinen sich im Minutentakt immer kreativere Wege auszudenken, unserer Gemeinschaft ins Mark zu schneiden. Ein weiterer Freund beschließt, mehr Zeit mit seiner Freundin zu verbringen. Ein Mädchen aus der Gruppe erzählt weinend, Sie müsse wegziehen. Sie hat Angst vor diesem Schritt, alles Neu. Tränenreicher Abschied in der darauffolgenden Woche. Aus dem 16jährigen mit Roller wird ein 18jähriger mit Auto, der mehr Spaß am Autofahren hat. Ich habe mein Fahrrad wieder aus dem Keller geholt und bin schneller in der Stadt als mit dem Bus.
Wir verlieren die Motivation, Treffen werden unregelmäßiger. Irgendwo sehen wir auch, dass dieses Kapitel dem Ende zu geht. Manche haben das Gefühl früher, manche später. Interessen entwickeln sich. Oder bilden sich gar von Neuem?
Freundschaften muss man Pflegen.
Wir kommen, wir gehen, wir verkehren, wir laufen, wir bewegen uns fort. Wir setzen einen Fuß vor einen anderen und machen damit einen Schritt. In eine richtige oder in eine falsche Richtung. Oder im Kreis.
Wenn man bedenkt, wieviele Schritte wir planen und wieviele wir tatsächlich gehen…kommen wir da nie auf einen gemeinsamen Nenner. Menschen sind dazu gepolt, zu überlegen und eine Lösung zu finden. Das bedeutet, Ideen zu sammeln, zu vergleichen, zu bewerten, verwerfen, und letztlich anzuwenden. Aber ist das nicht manchmal auch schon ein Schritt? Heisst es nicht oft genug: „Der Weg ist das Ziel“?
Wenn man sich ändert oder ändern will, was passiert dann? Neues kommt und Altes geht? Es heisst sprichwörtlich eben doch nicht umsonst, dass wir „einen neuen Weg einschlagen wollen“. Denn auf dem neuen Weg bleibt der Alte quasi auf der Strecke. Doch sollten wir dann Gedanken an Altes wegsperren? Sind wir der Gedanke?
……
8 Jahre später, war ich in dem Park spazieren. Ich habe mich auf die Bank gesetzt, auf der wir früher saßen. Bei kühlem Herbstwetter zündete ich mir die Zigarette an. Es war so leise, dass ich mich selbst beim Ausatmen gehört habe. Ich ließ den Blick über die Parkanlage schweifen. Und da entdecke ich 3 Grabsteine in der Nähe eines Baumes. Ein kleiner Ort der ewigen Ruhe. Wie passend. Wo Freundschaft entstand, da wurde Sie letztendlich begraben. Interessant, so ein Besuch in der Vergangenheit. Ich frage mich, was Sie heute wohl machen. Doch als ich die Zigarette ausdrücke, verwerfe ich den Gedanken wieder. Ich gehe zurück zu meinem Auto und fahre davon. Doch jedes Mal, wenn ich rauche, haftet an einer Zigarette auch eine Erinnerung.
Heute haben wir mittlerweile 10:27.
Und ich gehe jetzt eine Rauchen.
Ende.
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Hattet ihr mal eine besondere Freundschaft, erinnert Euch. Erinnert Euch und dankt dafür. Entweder im Stillen nach Beenden des Textes, oder im Lauten, falls ihr die Glücklichen seid, die solch eine Freundschaft erfolgreich gepflegt haben.
Die Ode an die Frau
7. Januar 2012Es hilft nichts. Ich verliere mich zum ersten Mal an eine Frau, und ich verliere.
Zu sehen, was du wohl nicht sehen kannst, lässt mich darüber sinnieren, was der Sinn darin ist.
Unstimmigkeiten stimmen mich stimmlos. Die Sprache, die ich einst sprach, spricht erstmal ohne mich.
Doch was, was kann ich tun, um dir ein "kann" abzuringen? Was bin ich bereit, zu geben? Gäbe es doch ein paar Gegebenheiten, die ein Ergebnis ergeben!
Doch Ergebnisse mit Bedeutung sind ohnehin nur Kompromisse.
In diesem Fall war der Fall ja schon länger fällig. Zieht sich seit Monaten doch ein unangenehmes Ziehen durch die Rippen.
Es wäre wohl gegangen, wenn ich nicht gegangen wäre. Für die feige Art könnt ich mich heute noch ohrfeigen.
Beinahe wäre ich dir nahgekommen.
Beinahe.
Ist eben auch nicht das Wahre.
Doch was war das Wahre, was wäre die Wahrheit? Könnte ich es wahrhaben, würdest du mich wahrnehmen, wie ich dich wahrnehme?
Liebst du es, geliebt zu werden, oder liebst du manchmal auch?
Ich bewundere deine Vollkommenheit wundere mich über die Unvollkommenheit ohne dich.
Wäre es nicht einfacher, die Bedeutung einfach zu vereinfachen?
Nein. Der Kern bleibt kernig. Es zu ändern, wäre, wie dich zu ändern.
Und da Änderungen anderst sind als Gleichheit, geht die Gleichung ohnehin nicht so auf, dass du in ihr aufgehst.
Jedoch..Du veränderst die Veränderung und Gegebenheit beidermassen zugleich, du gleichst trotzdem die Gleichung, du stellst stetig die Frage, du bleibst immer noch die Antwort...du bedeutest die Bedeutung.
An dem Tag, an dem du in mein Leben eingetreten bist, hast du mein Leben eingetreten, nur um mit deinem Auftritt einen neuen Auftrieb zu betreiben.
Danke. Dankenswerterweise. Nur beim letzten Punkt des Auftritts bist du noch unpünktlich.
Ich renne dir hinterher und die Zeit mir davon.
(Kleine Wortspiele mit der deutschen Sprache, die zusammenhängend eine Geschichte erzählen sollen. Da es schon spät ist, wird der Kontext vielleicht ein bisschen leiden. Doch im Kern geht es um eine Frau, der ein Mann verfallen ist. Doch Sie erwidert die Gefühle nicht wirklich, was kein nein, aber auch kein ja ist. Somit bleibt seine Hoffnung bestehen, obwohl seine Möglichkeiten und Zeit langsam versiegen...in einer Sekunde des Gefühls des Scheiterns schreibt er dann diesen Text.)
Die Dynamik (m)eines Lebens
4. Januar 2012Wir schreiben den 23.12.11.
3 Uhr Morgens in Wilna. Tränenreicher Abschied. Ich nehme meinen Koffer in die Hand und schultere den Rucksack. Security und Polizei steht im Vorraum. Junge Menschen laufen hastig umher. Glasscherben, Schwarzpulver, Flaschenweise Alkohol wird weggeräumt.
Das Resultat einer letzten großen Party, in der wir alle Register gezogen haben.
Ich verabschiede mich von den letzten Übriggebliebenen Studenten aus aller Welt. Ich verspreche, ich komme am 29.12. zurück. Silvester ist geplant. Vorfreude, Umarmungen, Gelächter. Und hier und da ein paar Tränen.
Die Zeit hat uns zusammengeschweisst. 4 Monate auf den Tag genau habe ich in diesem fremden Land zugebracht. Und ich würde es wieder tun. Ich werde es wieder tun.
Am Boarding Gate wartend, lasse ich meine Gedanken treiben. Erinnerungen an eine intensive Zeit rufen sich mir ins Gedächtnis.
4 Monate.
Wer hätte gedacht, dass soviel möglich ist.
Ich meine, ich hatte davor ein Leben. Nur ein Anderes.
Erinnerungen kollidieren. In meinem Kopf läuft eine Sequenz, in der ich in einem Audi R8 chauffiert wurde. Doch die Musik ist die, die ich hier zuletzt gehört habe. "I'm coming home" von P.Diddy.
Es gibt viel, auf das man nicht vorbereitet ist, wenn man sich eine Auszeit im Ausland nimmt. Weil man vieles nicht bedenkt. Eine Sache davon ist die Sorge der Eltern. Ihre Freude stand Ihnen ins Gesicht geschrieben, als Sie mich nach so langer Zeit in die Arme schliessen konnten.
Ich wusste nur: Es ist 10 Uhr Morgens. Ich war seit 9 Uhr Vortags wach. Und verdammt, vor 7 Stunden war ich noch in Litauen, Party machen. Jetzt sitze ich in Zürich am Flughafen und muss realisieren, was nicht realisierbar ist: Willkommen in der Realität.
Und diese hat mich mehr unsanft aufgenommen.
Ich habe mir immer vorgestellt, wie es sein würde, aus meiner Stadt auszubrechen. Durchzubrennen. Und nach einer langen Zeit nach Hause zu kommen. Durch die Stadt zu laufen. Erinnerungen an Ort und Stelle abrufen und ein anderes Gefühl durch die Umgebung zu empfangen.
Ich hab den Anfang geliebt. Auch weil man erkennt, wer wirklich für jemand da ist, und wer nicht. Freunde, die sich gefreut haben, und Freunde, die nichtmal wussten, dass ich weg war.
Doch ich bin wieder hier. Es hat sich nicht viel verändert. Wie es aussieht, nur der Kilometerstand einiger Leute...und doch..
Es folgen ein paar ungefilterte Eindrücke der letzten Zeit.
23.12.
Nachts: Einmarsch in den Nachtklub. Erstes Show-Off. Viele Leute erkennen mich wieder. Nichts Aufregendes, aber für mich eine krasse Umstellung. In Wilna kommen 8 Frauen auf einen Mann. Hier kommen 300 Spartaner auf 8 Frauen. Die Leute, breitschultrig, rennen und rempeln und kennen kein Pardon. Nicht meine Welt. Nicht mehr.
Ich verliere den Zettel für meine Jacke. An der Kasse wird mir schroff erklärt, ich muss bis 6 Uhr Morgens warten. Ein Freund und ich verlassen den Klub und laufen zu seinem Auto, nur um festzustellen, dass jemand seinen Spiegel abgetreten hat. 300 Euro für nichts.
Wir holen eine Freundin ab. Sie ist betrunken. Sie weint und hält mich eine halbe Stunde fest. Ich solle nicht mehr gehen. Es ist so anderst ohne mich.
Auch mein bester Freund stimmt nun mit ein. Erklärt mir dasselbe.
Zuhause denke ich noch ein bisschen darüber nach, bis ich einschlafe.
24.12.
Es ist Weihnachten. Durch die laufende Umstellung von Wilna nach Heimat fällt es mir schwer, mich darauf zu konzentrieren. Ich denke immer noch zurück. Ich lasse die Gedanken aber schnell fallen, heute steht noch ein weiteres Ereignis an: Der Geburtstag meines Bruders. Er wird 19 und feiert Mittags mit Freunden in einer Bar. Ich geselle mich dazu.
Junge Leute trinken Tee, Kaffee und Bier. Finde ich wunderbar. Sie lachen zusammen und sprechen über Silvester in Berlin. Ich werde vorgestellt und integriert.
Die Feier wird gestört. Viele SMS und Anrufe platzen auf die Leute ein. Besorgte Mütter rufen ihren Töchtern an. Sie sollen nicht rausgehen. Um Himmels willen nicht.
Es kursiert das Gerücht um einen Amokläufer in der Stadt.
Zugegeben, die Informationen erschienen am Anfang sehr real und verstörend. Ein Freund meines Bruders soll einen Streifschuss abbekommen haben und liegt im Krankenhaus. 2 Frauen sollen getötet worden sein. Wir sollten erst später erfahren, dass diese Hysterie durch Facebook ausgelöst wurde und aus einem Raubüberfall mit einer halbtotgeprügelten 65Jährigen Juwelieladenbesitzerin ein Amoklauf mit mehreren Toten wird.
Bis dahin galt es als meine Aufgabe, die sehr besorgten Teenagermädchen neben mir zu beruhigen.
Ich überlege nicht lang und gehe zum Barbesitzer. Ein alter Bekannter. 2 Worte, und die 2 Tore zur Bar sind zu. Ich rufe einen Freund an, Rettungssanitäter, mit Zugang zum Polizeibericht. Entwarnung.
Ich biete den Mädchen an Sie nach Hause zu bringen. Sie wirken ein wenig schockiert über die jüngsten Ereignisse, "wer macht sowas an Weihnachten".
Rest des Tages verlief relativ unspektakulär.
25.12.
Ein Bekannter holt mich ab. Ich finde mich in einem Mercedes E350 mit Vollausstattung wieder. Endlich, good old german cars. Nächstes Ziel, Autobahn. Wir haben Spaß. Die Gedanken sind frei, dank 257km/h. Nicht zu erwähnen, dass das sein Fahrauftrag ist. Jeden Tag 300 Km fahren mit einem neuen Luxusauto. Sprit wird gezahlt.
Hätte ich doch nur ein BA-Studium bei Mercedes gemacht.
26.12.
Heute ist ein Audi Q5 dran. Auch Vollausstattung. Das Gerät ist ein Monster.
2 Gute Tage. Ich geniesse den Tag.
Doch das sollten die letzten sein. Ein Strudel aus kompliziert verketteten Ereignissen in denen ein Reisepass, eine verzweifelte Mutter, ein paar Freunde, 2 Tote, ein Messer, und eine Frau eine Rolle spielen, läuft bis heute an. Fakt ist, ich bin nicht in Wilna. Ich bin immer noch in der statistisch gesehen 3.kriminellsten Stadt.
Welcome back home. Hoffentlich bald zurück. Ich hab nur diese eine Chance, hier rauszukommen.
Der Weg ins Ungewisse
30. November 2011Ein offenes Buch mit einer leeren Seite grinst mir entgegen. Ich weiss, was ich zu tun habe. Doch hier im Bett, ist es um längen schöner gerade...erst jetzt bemerke ich, dass mir kalt ist. Mein Körper erwacht so langsam aus der Schlafstarre und sendet mir erste Signale. Ich drehe mich also doch weg von meiner pinken Wand Richtung Zimmermitte, und mit einer kleinen Bewegung stelle ich den Ventilator auf die erste Stufe. Auf dem Stuhl in der Mitte des Zimmers platziert, hat das kleine Wundergerät den Raum innerhalb von 10 Minuten auf Normaltemperatur erwärmt.
Ich schlage die Decke auf und schale mich langsam aus dem Schlafgemach. Ein Blick nach rechts verrät mir: Es ist heller als gestern. Ich steige in meine Pantoffeln und betrachte die Kaffeemaschine gegenüber. Wie gern hätte ich jetzt einen Kaffee! Aber leider lässt mich meine Motivation im Stich. Vielleicht später.
Da stehe ich nun neben meinem Ventilator. Ich hebe meine Bein, um den Fuß in die warme Brise zu halten. Nach einer kleinen Weile begebe ich mich zu den Safari-Vorhängen. Ich habe Sie nach Ihren Farben getauft: Gelb, Orange, Braune längsstreifen. Erinnert mich immer an ein Bild aus einer Safari in Afrika, an Antilopen und Löwen.
Bereit, den Tag auch in meinem Zimmer endlich zu begrüssen, schiebe ich den Vorhang beiseite. Der Nebel hat sich mal wieder breit gemacht, und verschlingt den Großteil der von hier oben klein wirkenden Stadt. Ich öffne die Balkontür für einen ersten Temperaturabgleich mit meinem subjektiven Empfinden von Kälte. Ich betrachte das Geländer: Kein Frost zu sehen. Immerhin noch plus.
Ich trete wieder in mein Zimmer auf der Suche nach meinen Kippen. Ein bisschen wühlen zwischen dem Material auf dem Tisch bringt Sie zum Vorschein. Nachdem ich Zigarette und Feuerzeug in meiner Jogginghose gelagert habe, ärgert es mich doch, den Kaffee nicht aufgebrüht zu haben. Muss es eben ohne gehen.
Die Tür zum Balkon aufgemacht, die Zigarette angesteckt, atme ich zum ersten Mal an diesem Tag tief ein. Ich sehe ein paar Menschen unten laufen, für die der Tag schon eher angefangen hat. Sie sehen alle gerichtet aus und scheinen ein Ziel zu haben. Immerhin bewegen Sie sich.
Ich lasse den ersten Nikotinstoß entweichen und betrachte den Supermarkt an der Ecke des Blocks, wo ein reges Treiben an der Bushaltestelle stattfindet. Studentenzeit.
Ich kehre der Stadt den Rücken zu und lehne mich an mein Geländer. Ich habe mir oft anhören müssen, ich solle das nicht tun. Man könne dem Geländer nicht vertrauen, es sei doch so alt. Und hier vom 12. Stock wäre die Landung sicher ungesund. Mag sein, aber ich mache mir keine Gedanken um die Sicherheit. Nicht jetzt.
Ich werfe ein Blick durch das Fenster meines Zimmers, auf den von Material befallenen Tisch. "Tisch", wohlgemerkt. Er besitzt nur ein Tischbein, auf der anderen Seite wird er von einer 5-Schubladigen Kommode gestützt. Mein blauer Laptop scheint ein bisschen Staub angesetzt zu haben über Nacht. Was eine Plage, dieser Staub.
Erst jetzt realisiere ich, dass eine Vorlesung, die gerade stattfindet, großzügig auf meine Anwesenheit verzichtet. Ich verwerfe diesen Gedanken aber wieder. Das Material ruft. Den letzten Zug an der Zigarette genommen, klemme ich den Filter zwischen Daumen und Mittelfinger, und schnipse Sie in die Stadt herunter. Ich betrachte Ihren Flug, bis Sie in einem Gebüsch neben den Mülleimern landet. Ich schliesse die Balkontür und bemerke die angenehme Wärme, die sich um meinen Ventilator ausbreitet. An kalten Tagen wünsche ich mich in meine Heimat in Deutschland zurück. Dort hat man Heizungen. Hier hat man kleine Ventilatoren.
Ich ebne mir meinen Weg an dem Ventilator vorbei zu meinem Schreibtisch. Ein routinierter Griff an den Powerbutton lässt den grünen Startbildschirm meines Laptops hell aufleuchten. Ich räume ohne Sorgfalt ein bisschen Platz frei an meinem Tisch, indem ich den Großteil mit einer sanften Bewegung meines rechten Arms auf den Boden gleiten lasse.
Das Buch grinst mich immer noch an.
Ich rücke den Stuhl zurecht, nehme den Stift in die Hand, den mir meine Gastuniversität geschenkt hat. Vilniaus Universitetas, steht dort in goldener Zier. Ich lasse ihn zwischen meinen Finger kreisen.
"Parasykite apie savo seima"
Diese Sprache wirkt fremd und unterschiedlich im Gegensatz zu anderen Sprachen, die ich bisher gelernt habe. Ich denke, das macht Sie widerum auch interessant.
Ich setze den Stift an. Mein Tag beginnt.
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