Ein Buch, mich zu binden

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2. April 2013
Lang ist es her, dass ich dem Forum die Aufmerksamkeit gewidmet habe, das es von mir noch aus früheren Tagen gewohnt war. Aber eine lange Abwesenheit bedeutet nicht zwangsmäßig, dass ich nicht daran gedacht habe. Zugegebenermaßen, sehr oft sogar.

Ich bin seit jeher ein sehr gedankenreicher Mensch. Ich denke, das kommt mit der Zeit, und den Reisen, die ich hinter mir habe. All die Menschen, die ich traf, und mir ein Teil ihrer Geschichte anvertrauten, und mich gleichzeitig zu einem Teil Ihrer Geschichte machten; ich denke, das rührt daher. Ich bin mittlerweile in vielen Ländern willkommen geheissen worden, und auch gerade von einer weiteren Reise ins Baltikum heimgekehrt.

Heimkommen ist immer eine besondere Angelegenheit. Sein trautes Heim, sein eigenes Bett, die gewohnte Umgebung lädt den Heimkehrer förmlich dazu ein, Geborgenheit zu erfahren. Doch dieses Mal blieb die Einladung aus. Dieser Moment der Ankunft, er kam nicht bei mir an. Ich musterte die Umgebung in der Dunkelheit, während ich meinen Koffer durch den Flur wuchtete. Es war alles gleich, doch mir eben auch. Aus irgendeinem Grund war es mir egal.

Ich lasse mich neben den Koffer auf die Couch sacken. Mein Hund sitzt vor mir, und schaut mich fragend an. Ihr Schwanz wedelt aufgeregt hin und her. Ich blicke ihr in die Augen, lange, und in dem Moment, als Sie sich abwendet, springe ich mit einem Satz nach vorn. Überrascht lässt Sie sich zur Seite fallen, und möchte, wie so oft, am Bauch gekrault werden. Es gilt, zwei Wochen Bauchkraulen aufzuholen, sodass ich ihr für 10 Minuten meine Aufmerksamkeit widme.

Eine Nachricht auf meinem Handy ließ mich aufblicken. Die erste Anfrage aus meiner Urlaubszeit, ob ich denn gut angekommen sei. Ich beantworte Sie knapp.

Was für eine Zeit, mal wieder.

Ich möchte von einem Abend berichten, der mich persönlich sehr zum Nachdenken angeregt hat. 

An besagtem Abend traf ich mich mit einer guten Freundin, gebürtige Litauerin, in einer Bar. Ich brachte ihr ein paar kleinere Präsente, und nach 2 Wodka, sowie mehreren Bier, hatten wir nicht mehr das Gefühl, dass zwischen unserem letzten Treffen über ein Jahr vergangen war. Wir sprachen über gute Zeiten, über vergangene Zeiten, wir sprachen über den üblichen Klatsch, die Familie, das Studium. Wir sprachen, wir lachten. Und irgendwann, sprachen wir über Zukunft.
Sie fragte mich eine Frage, die ich mir seit längerem auch selber stelle: "Gibt es etwas, dass du gern machen würdest, aber dir fehlt ein kleines Quantum dazu? Nur eine Kleinigkeit, aber es lässt dich nicht los?"
Ich bejahte dies, und wollte zugleich auch wissen, was in Ihr denn konkret vorgeht.
"Musik. Ich möchte Musik machen. Ich liebe Musik, alles an ihr. Sie gibt mir die Möglichkeit, mich frei zu entfalten. Ich würde verdammt gerne DJ sein, aber ich trau mich einfach nicht." 
Zugegebenermaßen, als angehende Masterstudentin in Finance und Accounting gäbe es natürlich andere Perspektiven, die vielleicht lukrativer sind. Dennoch verstand ich nur zu gut, was Sie meinte.
"Es geht mir ähnlich", versuchte ich zu erklären, "was für dich allerdings die Musik ist, ist für mich das Schreiben. Ich würde so gern ein Buch schreiben, aber irgendwas hindert mich noch daran."

Warum gerade ein Buch, das kann ich nicht wirklich in Worte fassen. Bei all den Erlebnissen, die ich gefühlt, und erfahren habe, habe ich schon seit längerem eine Leidenschaft zum Erzählen entwickelt. In meinem Kopf speichere ich meine Gedanken und Erlebtes als Geschichten ab. Und ab und an, wenn mich Leute dazu einladen, zu erzählen, merke ich auch, dass ich in der Lage bin, eine gewisse Spannung zu erzeugen. Mittlerweile habe ich verschiedene Geschichten auf 4 Sprachen Menschen zukommen lassen, und manchmal gaben Sie Menschen Kraft. Die Macht der Worte ist etwas sehr Kostbares, dem viele Menschen als solches nicht die Beachtung schenken, die Sie haben sollte.

Als ich damals in Georgien war, hatte ich die Ehre, mit einem georgischen Freund zu wohnen. Insgesamt waren wir 8 Personen, von der ich der einzige Deutsche war. Wir lebten in einem heruntergekommenen Slum, in dem es keine Dusche gab. Geld gab es auch keins, sodass wir betteln mussten, um Nahrung zu kaufen. Wir verbrachten viel Zeit zu Hause, und unterhielten uns. Eines Tages nahm mich einer von Ihnen zur Seite, und erzählte mir, abseits von den Zuständen, die ich ohnehin schon bemerkt hatte, noch weitere Facetten. Von Unterdrückung, Korruption, das Überleben des Stärkeren. Es war zur Zeit der Umbruchphase, 4 Monate vor der Wahl letztes Jahr. Ich habe ihm von Deutschland erzählt. Von Dingen, die hier anders laufen, die er umsetzen kann. Die ihn allein betreffen.
Nach meiner Zeit dort, sprach ich erst im Dezember zu seinem Ehrentag wieder mit ihm. Via Internettelefonie gratulierte ich ihm, und erkundete mich nach seinem Befinden. Mittlerweile hat er eine eigene Firma gegründet und betreut den Internetauftritt der Georgischen Regierung. Ich war stolz auf Ihn. "Danke, mein Freund. Du hast dazu beigetragen." Ich fühlte mich unglaublich gut.

"Du solltest ein Buch schreiben!" Diesen Satz habe ich schon oft gehört. Aber zwischen dem Hören, und dem Anerkennen, liegt ein weiter Weg. Nicht nur Menschen wie mein georgischer Freund legten mir das Nahe, auch Freunde zu Hause, Menschen, mit denen ich eine lange Zeit im Ausland gelebt habe, selbst eine Professorin kam eines Tages auf mich zu und fragte mich, warum ich das nicht wagen wolle. "Ich weiss es nicht." Bin ich wirklich dazu bereit, ein Werk zu verfassen, das eine Nachricht vermittelt? Habe ich die nötige Schreibfertigkeit? Wie werde ich mich tatsächlich fühlen, wenn ich all das erzähle, und somit mich selbst auf eine gewisse Weise preisgebe? Kann ich mit Kritik umgehen?

Zurück zur Bar. Nach einer Diskussion zu diesem Thema, gingen wir getrennte Wege. Ich sah Sie danach einmal wieder, 2 Tage vor Abflug. Sie lud mich zu sich nach Hause ein. Sie bereitete eine Lasagne vor, zu der ich mit Weißwein erschien. Nach einem leckeren Essen, und einem netten Gespräch, gingen wir in ihr Wohnzimmer.
"Weisst du, was wir jetzt tun?" Ich war mich nicht ganz sicher, wie ich ihr Lächeln deuten sollte. Es hätte in dem Moment wirklich alles bedeuten können..
"Nein?" Bleib brav, Junge. Sie meint es sicher nicht so. Das wäre Gift für die Freundschaft, richtig? Auch wenn ein wenig Alkohol im Spiel war, wir lassen uns dadurch nicht verleiten.
"Wir werden ab heute an den Dingen arbeiten, die wir tun wollen. Ich mach den Anfang."
Sie öffnete ihren Laptop, stöpselte das Kabel zum Soundsystem ein, und legte los. Was mich erwartete, darauf war ich nicht gefeit. Eine wunderbare Symphonie von Rhythmen, die ich so noch nicht gehört hatte. Ein fremder, doch interessanter Musikstil, eröffnete in mir eine neue Dimension von Geborgenheit, die ich von nun an mit diesem Raum in dieser Nacht verbinde. Ich bin mir nicht sicher, ob Sie verstand, was dieser Moment für mich bedeutete, während Sie mit ihrem DJ Programm arbeitete. Ich konnte nicht umhin; ich war nur noch in der Lage, zu lauschen. Es lud mich ein, einfach nur da zu sein. Diese Ein/Einhalb Stunden der puren Emotion, Selbstreflexion, und das Gefühl, dass Sie diese Musik nur für mich spielte. Es war, als ob wir eine stumme Vereinbarung gehabt hätten, und Sie mich damit in die Bringschuld brachte. Nur war es mir egal, solange Sie nicht aufhörte zu spielen.
Nachdem der letzte Track abgemixt war, eröffnete Sie mir, dass Sie müde war, und wollte schlafen gehen. Sie legte mir ungefragt Bettzeug mit auf das Bett.
Ich zog mich aus, wir legten uns nebeneinander, und sprachen bis spät in die Nacht. Wir liebten uns nicht, das war nicht nötig. Wir liebten was Gemeinsames, wir liebten den Moment, wir liebten was wir taten. Wir fühlten uns gut, miteinander, nebeneinander.

Und nun, nach diesem Tag, der heute fast eine Woche zurückliegt, suche ich mir ein Ventil. Und eine Möglichkeit, meine Bringschuld einzulösen. Sie hatte Musik gemacht, die mich berührte. Es ist an der Zeit, das erste Kapitel zu verfassen, in Hoffnung, dass es Sie berührt.

Ich werde dieses Jahr mein Buch schreiben. Für all diejenigen, die mich ermutigt haben, es zu tun. Für all diejenigen, die es lesen werden. Für mich. Für Sie.







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Liebe Leserschaft, ich bedanke mich für die Kommentare und motivierenden Wünsche - es war mir ein großes Anliegen. Generell schreibe ich nämlich nur in diesem Forum, deswegen sind Meinungen immer willkommen.
Ich glaube, ich sollte nochmal auf den Begriff "Bringschuld" eingehen. Dieser wurde von mir verwendet, um ein Gefühl zu vermitteln, dass mir dieser Abend beschert hat. Ich fasse es nicht als tatsächliche Bringschuld auf, eher als Ansporn. Sie hat es geschafft, also lege ich jetzt nach (endlich), um zu beweisen, dass auch ich das kann.
Das kann in einem Schreibwahn natürlich mal untergehen - generell passe ich immer auf, dass Formulierungen korrekt widerspiegeln, was ich ausdrücken will. Aber bei einem Blog, schreibe ich in einem Zug durch. Korrektur wird selten getätigt.
Das wird bei dem Buch natürlich anders sein. Sicherlich sind hier noch ein paar Passagen, die ich vielleicht durch die ein oder andere Phrase besser hätte machen können, aber das hebe ich mir für das Werk selbst auf. Aber nach ca. 2 Jahren experimentieren denke ich, dass es nun soweit ist.
PS: Wer dem Englischen mächtig ist, lege ich einen anderen, von mir angefangenen, aber nie zu Ende geschriebenen Blog nahe. Und nochmals, vielen Dank für die Kommentare!
http://trialtales.wordpress.com/
Blackidol
03.04.2013 um 13:33
#9
Viel Erfolg! Ich habe so ein Projekt nach knapp 200 Seiten erstmal auf Eis gelegt. Zum einen ist Schreiben auch immer Arbeit und erfodert viel Disziplin, zum andern stellt man irgendwann in Frage, ob es sich wirklich lohnt das mitzuteilen, was man schreibt.

Wenn ich mir aber anschaue, was so zum Teil veröffentlicht wird, dann sollten entweder viel mehr oder viel weniger Schreiben um diesen Mist auszudünnen.
BTTony
03.04.2013 um 11:26
von BTTony
#8
Die größte Hürde der eigenen Kreativität ist, diese schlicht und einfach "rauszulassen" - was klingt, wie ein Spruch aus einem Poesiealbum (ja, ich bin so alt, dass ich sowas noch kenne :-)), trifft es jedenfalls für mich selbst ganz gut - den Plan die diversen Anekdoten, die immer wieder auf uns einschlagen mal zu Papier zu bringen, haben viele (mich eingeschlossen :-)). Und man denkt dann immer wieder drauf rumm - und sagt sich, das müßte ich mal machen - damit mal anfangen - und zumeist bleibts dann bei dem reinen Konjunktiv :-).
Der ernsthafte Entschluss, diese Hürde zu nehmen, ist also entscheidend - und den "versprüht" Dein wunderbarer Blog, ist davon erfüllt.
Dabei habe auch ich keinerlei Zweifel, dass das, was da der schriftlichen Darlegung bei Dir harrt, wirklich überaus interessant und spannend zu lesen sein wird - ebenso wie dieser Blog, der hier fraglos als Gradmesser agieren kann :-).
Deshalb: Danke für den Blog + an die Arbeit - und lass mich wissen, wenns geschafft ists und wo mans erwerben kann :-).
Cineast aka Filmnerd
03.04.2013 um 09:55
#7
Etwas konsequent in die Tat umzusetzen, was man sich selbst schon lange vorgenommen hat, oder sogar wünscht, ist der größte, weiteste und schmerzlichste Schritt.
Egal ob es ein Buch, oder der Flugschein für einen Hubschrauber ist.
Wenn der Tag der Erleuchtung gekommen ist, dann sollte man ihn nutzen.
Bei manchen bleibt nur der Wunsch bis zum Tode übrig und steht nicht mal für die Nachwelt
auf dem Grabstein. Menschen brauchen für bestimmte Dinge immer einen Anstoß.
Hier scheint es eine Art Bringeschuld zu sein. Pfeif drauf!
Wichtig ist doch nur, dass man anfängt. Wenn am Ende auch noch
etwas perfektes dabei rum kommt, dann hat diese Bringeschuld einen guten Dienst getan.
Wünsch jedenfalls viel Erfolg und eine flüssige Hand.
Joker1969
02.04.2013 um 20:04
#6
Ein mutiger Schritt. Ich schreibe gerade an meinem Vierten Roman, und kann nur sagen: Wenn es einmal läuft, dann läuft es. Aber bis dahin ist es wirklich ein sehr weiter Schritt, wie Du ja auch schon gesagt hast.
Ich würde Dir empfehlen, es erst einmal mit Kurzgeschichten angehen zu lassen. Vielleicht entwickelt sich daraus dann etwas größeres. Gleich mit einem Buch anzufangen ist ein wirklich großer Sprung, und es könnte entmutigend sein, wenn Du nicht voran kommst.
Wenn Du noch Fragen hast, dann stehe ich Dir natürlich gerne mit Rat zur Verfügung. Einfach PN an mich ;-)
Michael Speier
02.04.2013 um 17:28
#5
"Es war alles gleich, doch mir eben auch"

Spätestens nach diesem Satz bin ich in die Küche gegangen und hab mir einen Kaffee runtergelassen um den restlichen Blog in aller Entspanntheit und mit Genus würdigen zu können.
Da kann einer mal aber mal so richtig gut schreiben und traut sich das auch noch zuzugeben.

Genau wie "Moements" auch finde ich den Ausdruck "Bringschuld" tatsächlich etwas unglücklich gewählt, denn das wäre wohl der falsche Ansatz und vor allem im Endeffekt auch eine nicht zufriedenstellende Motivation und somit nicht das glücklichmachende Ziel der Reise, auf das du dich jetzt einzulassen gedenkst.

Vor allem wünsche ich dir "viel Freude" und ein "befreiendes" Glücksgefühl wenn du dich deinen zukünftigen Texten widmest, frei von jeglicher "Schuld" oder "Druck" in jeglicher Form. (persönlicher Art, Freunde, Familie, soziales, berufliches Umfeld)

Aber diese kleine Kostprobe jetzt lässt mich nicht mal im Entferntesten daran zweifeln dass du das auch schaffen wirst.

JA, du kannst richtig, richtig gut schreiben, wie sehr dieser Wunsch dich auch tatsächlich ausfüllt, beseelt und dich beherrscht, wirst du aber erst in weiterer Zukunft sehen...(und birgt somit auch einige Risiken)

Mir scheint als bräuchtest du deine (geistigen) Koffer erst gar nicht auszupacken, denn du scheinst dich mitten auf einer neuen und aufregenden persönlichen "Reise" zu befinden...viel Glück und vor allem......ganz viel SPASS und persönliche Erfüllung!
Kodijak
02.04.2013 um 15:59
#4
Find ich richtig gut, dass Du Dich dazu entschlossen hast! :-) Sobald es als Kindle Version verfügbar ist ... bitte Info! ;-)
LG von Irmy.
Pandora
02.04.2013 um 15:26
#3
das du gut schreibst und etwas hervorragend rüber bringen kannst, wissen wir (oder zumindest ich) schon.
(auch wenn mich ein gewisser beitrag von dir ein wenig skeptisch gemacht hat ...;)

aber völlig egal, dieser beitrag war TOLL und solche Momente sind das wunderbarste... die erinnerungen daran, unbezahlbar !

ich würde es aber nicht als bringschuld sehen, außer dieser gedanke animiert dich zum realisieren.
mach einfach was DU möchtest, und wenn du Freude daran hast, TU ES ...
andere werden mit deinen worten und erlebnissen bestimmt auch Freude finden (wenn es so sein soll) !

das beste daran ist nämlich was du aus diesen erlebnissen ERFAHREN hast !
unabhängig von buchstaben ... aber du kannst sie SUPER EINFANGEN !
also immer raus mit dieser kreavitität in die große weite WELT !
MoeMents
02.04.2013 um 14:40
#2
Ich wünsche dir Mut, Fantasie und Durchhaltevermögen um deinen Wunsch umzusetzen!
Gandalf123
02.04.2013 um 14:15
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