
Die Serie „Bounty Law“ machte Rick Dalton (L. DiCaprio) Ende der 1950´er Jahre zum Fernsehstar, doch seitdem die Show 1963 eingestellt wurde, gelang es ihm in den letzten sechs Jahren nicht sich als Kinostar zu etablieren. Beinah vergessen, tingelt er von einem kleinen Fernsehauftritt zum nächsten, die ihm sein Agent Marvin Shwarz (A. Pacino) zu organisieren imstande ist. Seine viel zu unausgefüllte Freizeit verbringt er mit seinem früheren Stunt-Double Cliff Booth (B. Pitt) in einem Rausch aus Sex und Drogen, während Stars wie Steve McQueen (D. Lewis) oder Bruce Lee (M. Moh) im Haus seiner Nachbarn Roman (R. Zawierucha) und Sharon (M. Robbie) ein- und ausgehen. Doch am Abend des 8. August 1969 soll sich all das ändern...
Als es hieß, dass Quentin Tarantinos nächster Film den Mord an Sharon Tate durch Mitglieder der Manson-Family thematisiert, war ich – gelinde gesagt – mehr als skeptisch. Tarantino ist ein begnadeter Filmemacher und seine Filme besitzen eine Coolness dies Ihresgleichen sucht, allerdings war genau DAS das Problem, denn dieses heikle weil wahre und ausgesprochen tragische Verbrechen, dass da im Jahr 1969 verübt wurde, sollte nicht Dreh- und Angelpunkt eines coolen, witzigen Films sein.

Die Gute Nachricht: Ist es auch nicht! Denn das, was Quentin Tarantino hier abgeliefert hat, ist nicht weniger als ein weiteres Meisterwerk des Erzählkinos, und zugleich zelebriert der Filmemacher hier die goldene Ära des Kinos und Fernsehens, und setzt damit ganz Hollywood, der Filmindustrie, und natürlich nicht zuletzt sich selbst ein filmisches Denkmal. Die Handlung bleibt dabei leider weitestgehend auf der Strecke, denn Tarntino verzettelt sich in Anekdoten, Anmerkungen, Hommagen und, wie nicht anders zu erwarten, belanglosen Dialogen, die gerade durch ihre Belanglosigkeit interessant und mitreißend sind – zumindest für Fans des Regisseurs. Eine durchgängige Handlung erzählt der Film dabei nicht, beziehungsweise ist diese so nebensächlich, dass man sie auch locker in einer halben Stunde hätte erzählen können.
Das hat freilich auch zur Folge dass sich all jene, die noch nie einen Film von Tarantino gesehen haben, fragen, was das Ganze überhaupt soll. Es werden Themen angerissen und nicht zu Ende gebracht, Figuren eingeführt die dann ebenso plötzlich wieder verschwinden, und Handlungselemente vorbereitet, die dann nicht gezeigt werden. Aber all das dient eigentlich nur dem einen Zweck: den Zuschauer an die goldene Ära des großen Hollywoods zurück zu erinnern, mit all dem Glamour, dem Ruhm, aber auch all den Schattenseiten.
Natürlich wird das Ganze von den kommenden Ereignissen überschattet, und wenn Charles Manson das erste (und einzige!) Mal kurz auftritt, denkt man: Jetzt geht’s los. Aber: Weit gefehlt. Auch die kurzen Ausflüge zur Spahn-Ranch, welche als Heim für die Manson Family dient, sind nur kurze Zwischenstationen, auch wenn man zugeben muss, dass hier die meiste Spannung entsteht, wenn Brad Pitt in seiner Rolle als Cliff Booth in bester „High Noon“ Manier seinen Standpunkt klarmacht.

Nun wartet die gesamte Zuschauerschar mehr oder weniger auf jenen verhängnisvollen Abend, an dem die Manson Family über Sharon Tate und ihre Gäste herfällt, und ja, dieser Abend kommt, und wird minutiös und mit einem Erzähler aus dem Of wiedergegeben, aber Quentin Tarantino wäre nicht Quentin Tarantino, wenn er seine Tour mit einem solchen Tiefschlag enden lassen würde. Was in jener Nacht passiert ist, können wir überall nachlesen (und es gibt leider sogar Fotos davon!), oder aber wir schauen uns Filme wie „Helter Skelter“ an, aber was hier passiert, wird an dieser Stelle nicht verraten. Wir sagen nur so viel: Das Finale ist blutig, brutal... und so cool, wie man es von einem Tarantino-Film erwarten darf, ohne dass es dabei peinlich oder pietätlos wirkt. Denn wir dürfen vor allen Dingen eines nicht aus den Augen lassen – Tarantino ist KEIN Chronist, er ist KEIN Dokumentarfilmer, sondern ein Geschichtenerzähler. Immerhin heißt der Film bereits „Once Upon A Time in Hollywood“, also „Es war einmal...“, und daher ist dieser Film eine absolute Empfehlung für jeden Cineasten, allerdings gehört ein gehöriges Maß an Filmwissen dazu, um diesen Film in seiner Gänze erfassen und genießen zu können. Wer das nicht besitzt, der erlebt einfach nur zweieinhalb Stunden voller Coolness, Spannung und Anekdoten, und weiß Gott – es gibt Schlimmeres!

Ein absolutes Highlight sind auch wieder einmal die Stars, die hier wahrlich zur Höchstform auflaufen. Allen voran Leonardo DiCaprio als abgehalfterter Serienstar und Brad Pitt als dessen Stuntman. Die beiden liefern eine Performance zum Niederknien ab, vor allen in den Szenen, in denen DiCaprio so herrlich gut schlecht spielt – Perfekt. Dazu gesellen sich Margot Robbie als wundervoll naive Sharon Tate, die hier die vermutlich beste Darstellung ihrer bisherigen Laufbahn abliefert. Aber Tarantino setzt obendrein auf ein ganzes Arsenal von bekannten und weniger bekannten Darstellern, die allesamt großartige Arbeit leisten. Seien es Bruce Dern als dementer Besitzer der Spahn-Ranch, Julia Butters als überprofessionelle Nachwuchsschauspielerin, Kurt Russel als Stuntkoordinator (NICHT Stuntman Mike, aber fast!), die erschreckend realistisch besetzten Mitglieder der Manson Family (unter anderem Dakota Fanning) oder aber Luke Perry in seiner letzten Filmrolle.
Kurz gesagt: Dieser Film ist mehr als die Summe seiner Dinge. Er ist eine Liebeserklärung an Hollywood, eine Verbeugung vor dem Filmgeschäft, eine Hommage an die goldenen Zeiten, oder – in zwei Worten zusammengefasst: Ein „Echter Tarantino“. Damit ist er sicherlich keine Massenware für Jedermann, aber für die, die es zu schätzen wissen, ist „Once Upon A Time In Hollywood“ ein Meisterwerk.
Kleine Anmerkung zum Schluss: Vor kurzem wurde der Film in den Kinos noch in einer um 10 Minuten längeren „Extended Version“ gezeigt. Bei den neuen Szenen handelt es sich lediglich um Werbespots die vor und Serienausschnitte die nach dem Film gezeigt wurden, während der eigentliche Film unangetastet geblieben ist. Die entsprechenden Szenen sind auch im Bonusmaterial zu finden.