Meine Begeisterung für asiatische Filme ist groß, vor allem für Werke aus Südkorea und Japan. Umso trauriger, dass es nur die wenigsten Titel nach Deutschland schaffen, geschweige denn überhaupt eine Heimkino-Veröffentlichung bekommen. „Asche ist reines Weiß“ lief 2018 bei den Filmfestspielen in Cannes und konnte die Kritiker überzeugen, doch was steckt hinter diesem Geheimtipp?
Story
Qiao kommt aus einfachen Verhältnissen, doch sie liebt Bin, einen lokal sehr einflussreichen Gangster. Ihre Liebe zu ihm ist bedingungslos und gleichzeitig genießt sie den Respekt und die Vorteile, die der Frau eines Bandenführers zuteilwerden. Als sie von einer rivalisierenden Bande angegriffen werden, greift Qiao zur Waffe. Sie rettet Bin das Leben und wird dafür verurteilt: 5 Jahre verbringt sie im Gefängnis, seinen Namen Bins preiszugeben. Nach ihrer Entlassung begibt sie sich auf die Suche nach ihm, denn ihre Liebe und ihre Loyalität sind ungebrochen.
Eines steht fest, dieser Film ist anders. Er hält sich nicht an die traditionellen „filmischen Normen“ und hat seine ganz eigene Art uns die Geschichte seiner beiden Protagonisten näherzubringen. Wer also eine klar strukturierte und womöglich deshalb auch etwas durchschaubare Geschichte erwartet, wird enttäuscht. „Asche ist reines Weiß“ nimmt sich Zeit, viel Zeit. In oft langen und durchgängig gefilmten Einstellungen, finden wir uns oft in einer reinen Beobachterperspektive wieder. Selten wir der Zuschauer bewusst „an Bord“ geholt und ihm wird auch einiges an Geduld abverlangt.
Allein bis es zum Ausgangspunkt der Geschichte, der fünfjährigen Haft von Qiao und der anschließenden Suche nach Bin kommt, ist schon knapp eine Stunde vergangen. Der Film richtet sich ganz klar an ein Publikum, welches gerne in Bildern verweilt, auch einfach mal die Situation und den Blick der Figuren auf diese Welt hinterfragt oder verstehen will. Trotz des Settings im Gangster-Mileu braucht man nicht mit großen Schießereien oder ausartende Bandenkriegen rechnen. Bis auf eine sehr wuchtige, aber auch einfach choreographierte Sequenz, die dem Wendepunkt der Geschichte vorausgeht.
Womöglich braucht man auch etwas Begeisterung für die generelle Kultur und China selbst, denn Regisseur Jia Zhangke hinterfragt den kulturellen Wandel, den inneren und äußeren Umbau seines Heimatlandes. Letztendlich erzählt er aber auch eine Geschichte um die Stärken einer Frau und die Schwächen der Männer. Qiao wird dabei von seiner Ehefrau gespielt, die bereits öfter in seinen Filmen mitgewirkt hat und vor allem durch ihre minimalistische Darstellung überzeugt. Für Liao Fan als Bin gilt dasselbe, die Inszenierung ist stets darauf bedacht sehr ruhige Töne anklingen zu lassen, wenn es um die Beziehung der beiden Hauptfiguren geht.
Die Kameraarbeit des französischen Kameramannes Éric Gautier verpackt diese Story in viele statische Einstellungen, die in ihrer reinen Stilistik teilweise dokumentarisch anmuten. Perfekt ausgeleuchtete und somit auch „für die Leinwand“ gestaltete Bilder braucht man also nicht zwingend zu erwarten, im Gegenteil. Es ist die Faszination der Einfachheit, die sich in seinen Bildern widerspiegelt. Die Handlung selbst wartet dabei nicht mit der Reduktion auf das Wesentliche auf, es sind vor allem verschiedene Metaphern, auch um das titelgebende „reine Weiß“, die dem Film immer wieder eine zusätzliche Bedeutungsebene geben.
Besonders interessant und auch beeindruckend ist, dass der Film über eine lange Zeit hinweg erzählt wird, ein ganzes Jahrzehnt. Angefangen im Jahr 2001. Vor allem der Mittelteil rund um das Staudammgebiet am Jangtsekiang, was sich auch „die drei Schluchten“ nennt, sticht hierbei hervor. Denn dieses ist auf seiner Bedeutungsebene eng mit der Geschichte verbunden. Ein Gebiet, dass es nicht mehr lange geben wird. Irgendwann wird es in meterhohem Wasser ertränkt sein, es konnte nie richtig entstehen und steht sowohl für die Vergangenheit und die Zukunft der Beziehung von Qjao und Bin. Sie ist zum Scheitern verurteilt, schon bevor sie überhaupt angefangen hat.
Bildqualität
Der Film kommt in einem AVC-kodierten 1080p-Transfer in 1.85:1 auf die blaue Scheibe. Das Bild wird dem Look des Filmes auf jeden Fall gerecht, die dunklen Töne und Schwarzwerte sind auf einem guten Niveau und die Kombination zwischen den eher entsättigten Farben und den schönen reduzierten Kontrasten wird unverfälscht wiedergegeben. Das digitale Bild kommt ohne jegliches Filmkorn aus und lässt nur in machen wenig belichteten, dunklen Szenen stellenweise Details vermissen. Dennoch werden stellenweise hervorragende Bilder geboten, die in manchen Teilen eben nicht „perfekt“ sind, was aber zu dem passt, was der Film uns erzählt.
Tonqualität
Der Ton liegt auf Deutsch und im Original auf Mandarin in DTS-HD MA 5.1 vor und da ich gerade bei asiatischen Filmen oft eher weniger gute Synchronfassungen kritisiere, ist diese hier wirklich gelungen, schön besetzt und übersetzt. Die Sprecher machen einen wirklich guten Job. Richtige Atmosphäre kommt natürlich erst im Original auf, doch insgesamt ist der Klangeindruck mehr als in Ordnung. Die Dialoge sind immer gut abgemischt. Der Bass bekommt aber selbst bei den (wenigen) musikalischen Einlagen nicht viel zutun, sind diese doch immer den Szenen untergeordnet.
Ausstattung
Leider beinhaltet die Blu-Ray keine Extras, wie sehr hätte ich mir zumindest ein Interview mit dem Regisseur gewünscht.
Fazit
„Asche ist reines Weiß“ ist kein typischer Gangsterfilm, keine klassische Milieustudie oder ein reinrassiges Beziehungsdrama. In ruhigen und langen Einstellungen erzählt er uns vor allem von seinen beiden Hauptfiguren, dem Wandel Chinas und der beeindruckenden Stärke einer Frau. Ein besonderer Film, der sich nicht dem Mainstream-Publikum anbiedert und seine ganz eigene Erzählweise findet, wer sich an das Werk herantraut wird allerdings belohnt.
(Tom Sielemann)
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