
Qiao kommt aus einfachen Verhältnissen, doch sie liebt Bin, einen lokal sehr einflussreichen Gangster. Ihre Liebe zu ihm ist bedingungslos und gleichzeitig genießt sie den Respekt und die Vorteile, die der Frau eines Bandenführers zuteilwerden. Als sie von einer rivalisierenden Bande angegriffen werden, greift Qiao zur Waffe. Sie rettet Bin das Leben und wird dafür verurteilt: 5 Jahre verbringt sie im Gefängnis, seinen Namen Bins preiszugeben. Nach ihrer Entlassung begibt sie sich auf die Suche nach ihm, denn ihre Liebe und ihre Loyalität sind ungebrochen.
Eines steht fest, dieser Film ist anders. Er hält sich nicht an die traditionellen „filmischen Normen“ und hat seine ganz eigene Art uns die Geschichte seiner beiden Protagonisten näherzubringen. Wer also eine klar strukturierte und womöglich deshalb auch etwas durchschaubare Geschichte erwartet, wird enttäuscht. „Asche ist reines Weiß“ nimmt sich Zeit, viel Zeit. In oft langen und durchgängig gefilmten Einstellungen, finden wir uns oft in einer reinen Beobachterperspektive wieder. Selten wir der Zuschauer bewusst „an Bord“ geholt und ihm wird auch einiges an Geduld abverlangt.

Allein bis es zum Ausgangspunkt der Geschichte, der fünfjährigen Haft von Qiao und der anschließenden Suche nach Bin kommt, ist schon knapp eine Stunde vergangen. Der Film richtet sich ganz klar an ein Publikum, welches gerne in Bildern verweilt, auch einfach mal die Situation und den Blick der Figuren auf diese Welt hinterfragt oder verstehen will. Trotz des Settings im Gangster-Mileu braucht man nicht mit großen Schießereien oder ausartende Bandenkriegen rechnen. Bis auf eine sehr wuchtige, aber auch einfach choreographierte Sequenz, die dem Wendepunkt der Geschichte vorausgeht.

Womöglich braucht man auch etwas Begeisterung für die generelle Kultur und China selbst, denn Regisseur Jia Zhangke hinterfragt den kulturellen Wandel, den inneren und äußeren Umbau seines Heimatlandes. Letztendlich erzählt er aber auch eine Geschichte um die Stärken einer Frau und die Schwächen der Männer. Qiao wird dabei von seiner Ehefrau gespielt, die bereits öfter in seinen Filmen mitgewirkt hat und vor allem durch ihre minimalistische Darstellung überzeugt. Für Liao Fan als Bin gilt dasselbe, die Inszenierung ist stets darauf bedacht sehr ruhige Töne anklingen zu lassen, wenn es um die Beziehung der beiden Hauptfiguren geht.
Die Kameraarbeit des französischen Kameramannes Éric Gautier verpackt diese Story in viele statische Einstellungen, die in ihrer reinen Stilistik teilweise dokumentarisch anmuten. Perfekt ausgeleuchtete und somit auch „für die Leinwand“ gestaltete Bilder braucht man also nicht zwingend zu erwarten, im Gegenteil. Es ist die Faszination der Einfachheit, die sich in seinen Bildern widerspiegelt. Die Handlung selbst wartet dabei nicht mit der Reduktion auf das Wesentliche auf, es sind vor allem verschiedene Metaphern, auch um das titelgebende „reine Weiß“, die dem Film immer wieder eine zusätzliche Bedeutungsebene geben.

Besonders interessant und auch beeindruckend ist, dass der Film über eine lange Zeit hinweg erzählt wird, ein ganzes Jahrzehnt. Angefangen im Jahr 2001. Vor allem der Mittelteil rund um das Staudammgebiet am Jangtsekiang, was sich auch „die drei Schluchten“ nennt, sticht hierbei hervor. Denn dieses ist auf seiner Bedeutungsebene eng mit der Geschichte verbunden. Ein Gebiet, dass es nicht mehr lange geben wird. Irgendwann wird es in meterhohem Wasser ertränkt sein, es konnte nie richtig entstehen und steht sowohl für die Vergangenheit und die Zukunft der Beziehung von Qjao und Bin. Sie ist zum Scheitern verurteilt, schon bevor sie überhaupt angefangen hat.