Das Hauptproblem der US-Adaption besteht nicht darin, dass er sich
in vielen Dingen von der Vorlage löst, sondern darin was er
stattdessen macht. So werden viele anregende Fragen auserzählt und
dem Zuschauer noch recht penetrant unter die Nase gerieben. Schon
die Eröffnungstexttafel weist den Zuschauer auf eigentliche Thema
hin, die meisten Dialoge in den ersten 30 min. dienen hauptsächlich
dazu die Welt und die jeweiligen Standpunkte zu erklären, die noch
verbliebenen ethischen Fragen werden dem Zuschauer regelrecht auf
dem Silbertablett präsentiert. Es wirkt so als wenn sie sich gar
nicht lang mit einem Subtext aufhalten wollen um dann schnell zur
Cybercrime-Story übergehen zu können.
Das wäre weniger problematisch wenn die eigentliche Handlung nicht
so "by-the-numbers" geraten wäre: Da muss natürlich der Major noch
eine Backstory bekommen damit auch ja keine Frage offen bleibt.
Dabei hätten sie gut daran getan wenn sie die Whitewashing-Debatte
einfach hingenommen hätten und die Geschichte einfach mit Scarlett
erzählen würden. Aber sie machen es tatsächlich noch schlimmer
indem sie versuchen ihre westliche Erscheinung zu erklären und das
wird auch noch denkbar schwach umgesetzt. Der Moment, in dem sie
ihre Herkunft erkennt ist ein Paradebeispiel für schlechtes
Scriptwriting in Blockbustern: Das was der Zuschauer sich bereits
im Kopf zusammenreimte wird hier noch auf mehrere Minuten
ausgedehnt um in einem emotionalen Moment zu gipfeln, der es aber
nicht vermag irgendwelche Emotionen beim Zuschauer hervorzurufen.
Dabei rechtfertigt diese Alibi-Erklärung weder die Besetzung noch
wird sie spannend erzählt oder beinhaltet eine wichtige
erzählerische Funktion. Solche Szenen kommen häufiger vor, z.B.
wenn der Major tauchen geht nur um anschließend erklären zu dürfen,
dass die dabei gespürte Angst sie daran erinnere, dass sie in der
Lage ist fühlen. Der philosophische Exkurs der Vorlage wird hier
auf eine Referenz und eine Standard-Plattitüde reduziert. Auch der
Baum des Lebens, welcher im Original auf den Eingriff in den
biologischen Reproduktionsprozess der Menschen anspielte, findet
hier nur als Zitat auf das Original Verwendung, da die Themen
Fortpflanzung und Natur sonst überhaupt nicht thematisiert werden.
Manche Szenen wirken gar wie Füll-Material, da sie nicht richtig
mit der Geschichte verknüpft wurden.
Dass die philosophischen Inhalte hier auf ein Minimum beschränkt
werden war zwar zu erwarten, aber sie hätten dann der Geschichte
irgendeine andere Form von Tiefe als Ausgleich geben müssen. Die
eigentliche Handlung kommt aber nie über das übliche
SPOILER! Inhalt
einblenden
„Gut vs. den gierigen & unmoralischen
Konzern“
hinaus, die Identitätskrise und die Frage nach dem wahren Bösewicht
sind die einzigen Elemente, welche sowas wie Interesse erzeugen.
Das Fehlen von irgendeiner erzählerischen Tiefe wirkt umso
schwerer, da der Film überraschend wenig Action beinhaltet und
somit „story-driven“ wirkt, hätte er denn nur was Tolles zu
erzählen. Die zahlreichen (optischen) Anspielungen und die
sparsamen ethischen Fragen täuschen nur bedingt über dem geringen
Inhalt hinweg, emotionale Anteilnahme ist bei solch rudimentärer
Charakterzeichnung auch schwierig.
Dafür weiß
Ghost in the Shell 2017 auf optischer und
atmosphärischer Ebene zu überzeugen. Der Ton ist angenehm kalt und
düster, lustige Sidekicks und auflockernde Momente sind
glücklicherweise nicht vorhanden. Die Action-Sequenzen sind
erfreulich kurz & knackig gehalten, anstatt sich in
irgendwelche ausufernden Materialschlachten zu verlieren. Da eine
Handkante, hier ein Abschuss und dann war es das auch schon. Bei
Hollywood-Umsetzungen muss man mittlerweile mit dem schlimmsten
rechnen, aber hier fühlte sich die Action erfrischend kompakt an.
Der Soundtrack hat zwar keinen Wiedererkennungswert, arbeitet dafür
aber erfreulich stimmungsdienlich. Die Synthesizer-artige
Begleitmusik passt hervorragend zum Setting und unterstreicht die
ernste Atmosphäre. Leider taucht das Hauptthema
Making of a
Cyborg erst im Abspann auf, wo sich doch die Verwendung im
Film mehrfach anbot. Das Design der Welt kann als geglückt gelten,
auch wenn manche CGI-Shots arg künstlich aussehen (z.B. mancher
Shot über die Stadt, Unterwasserszene & das Finale). Die Bilder
atmen den dystopischen Geist von
Blade Runner und dafür
müssen sie nicht mal sonderlich viel auf Nacht & Dauerregen
zurückgreifen. Die allgegenwärtigen digitalen Projektionen sind
toll in der Welt integriert und tragen zum künstlichen (aber nicht
gekünstelten) Flair bei, besonders der Effekt wenn sich reale Welt
und Erinnerungen in Majors Kopf miteinander vermischen sieht
fantastisch aus.
Johannsons Performance ist recht solide und fällt hauptsächlich
durch ihr eigenartiges Movement, ihre Körperhaltung und das
Waffenhandling positiv auf. Sie hat sich anscheinend wirklich
Gedanken gemacht wie man einer Maschine Leben einhaucht. Ihr Gang
und ihre Körpersprache wirken eher unelegant & sonderbar als
cool & sexy. Ihr Charakter erlaubt natürlich keine großen
Emotionen und deshalb wirken ihre wenigen Regungen umso deutlicher.
Für einen Major-Film (Pun intended) war das ganz ordentlich. Der
Rest ist kaum der Rede wert: Batou ist bestenfalls okay, Michael
Pitt ist fast durchgehend digital verfremdet und kaum sichtbar,
Binoche ist hoffnungslos unterfordert und Takeshi Kitano (der in
den Credits noch oldschoolig „Beat“ betitelt wird) hat keinerlei
Material sich auszuzeichnen.
Die US-Adaption kann weder Tiefe noch Herz vorweisen, weshalb das
Interesse an der Geschichte und den Charakteren sehr gering bleibt.
Sie bedienen sich lediglich beim Setting und den Figuren, versuchen
damit aber ein amerikanisches Produkt zu verkaufen, ohne die
Substanz welche das Thema mit sich bringt. Optik und Atmosphäre
liefern zwar ab, aber leider täuscht das nur bedingt darüber
hinweg, wie groß die Diskrepanz zwischen Quellmaterial und
seelenloser Neu-Interpretation ist.
(6/10)