Zunächst einmal, ich bin in Bayern geboren und lebe auch in diesem Bundesland, die Lebensart ist mir also nicht fremd ;-)
Anfangen wollte ich dieses mal mit der Erläuterung meiner Erwartungshaltung.
Tja, ich fand den vom selben Regisseur stammenden Film "Wer früher stirbt ist länger tot" sehr amüsant und erfrischend.
Konnte bei einem ähnlichen Thema, auch wird wieder vieles aus der Sicht der Kinder erzählt samt Story, die sich im urigen Bayern abspielt, denn etwas schief gehen ?
Es kann, aber ich beginne einfach von vorne…
Eine Sanyasin Kommune, die freie Liebe praktiziert und auch sonst vieles mit der Hippie Bewegung der 60er gemeinsam hat, zieht dank einer Erbschaft aus dem großstädtischen Berlin in die tiefste Bayrische Provinz.
Wer die Sanyasin Bewegung samt ihrer Gepflogenheiten bisher nicht kannte, dem ging es ähnlich wie mir.
Mit diesem Thema wusste ich vor Sichtung dieses Films auch nichts anzufangen, der Begründer ist ein gewisser Bhagwan aus Indien, die Mitglieder tragen orange Kleidung, ernähren sich vegetarisch, konsumieren keine Drogen und geben sich gerne der Meditation hin.
Im Mittelpunkt und Fokus des Films stehen die allein erziehende Amrita und ihre beiden Kinder Lili und Fabian.
Der Vater ist als Öko-Aktivist vollends ausgelastet und bleibt dem Familienleben fern, so kommen die Kinder immer wieder in den Genuss eines neuen Kurzzeit Vaters.
Besonders Lili leidet sehr unter den ständigen Umzügen und dem dadurch resultierenden Freundeskreis verlieren.
In der neuen Heimat stilecht mit orangefarbenen VW Bulli angekommen, soll aus einem alten Bauernhof, ein Therapie-Zentrum entstehen, so Bhagwan will.
Leider, für Lilis leeren Magen, wird hier der lesifäre Erziehungsstil praktiziert, was in diesem Fall bedeutet, dass Mama Amrita bei einer Bhagwan Tagung die eigene Kindheit aufarbeitet und die Kinder sich selbst versorgen dürfen.
Es wird sehr viel von der 12 Jährigen abverlangt und so kommt es, dass sie unter dem Vorwand sich Butter zu leihen, auch schon einmal bei den Nachbarn zum essen bleibt.
Die WG macht sich alsbald fleißig ans Werk um der schnöden Theorie Taten folgen zu lassen, natürlich ohne Baugenehmigung inklusive "gefundenen" Holz.
So nimmt das Zentrum erste Formen an und soll in ein paar Wochen standesgemäß vom Bhagwan-Vertrauten Prem Bramana, der zugleich ein Auge auf Amrita geworfen hat, eingeweiht werden.
Doch schon bald machen sich erste Probleme in Form der konservativen Landbevölkerung, die mit nackter Körperkultur, meditierenden oder manchmal auch wild herumschreienden Jüngern und ihren Ritualen so gar nichts anfangen können, breit.
Auch untereinander ist man sich nicht immer "grün"
Lili steckt mitten in der eigenen Selbstfindungsphase und ist hin und her gerissen zwischen sich dem neuen Umfeld samt Tradition anpassen zu wollen und dem lockeren Sanyasin Dasein…
Erschwert wird alles nur noch, als sie sich in den Nachbarnjungen verschaut, dessen Vater der Bürgermeister des Ortes und zugleich größter Gegner der Neuankömmlinge ist.
Überhaupt stellt sich die Frage wer hier wirklich spießig erscheint, denn festgefahrenen Meinungen und Ansichten herrschen auf beiden Seiten vor.
Der große Showdown erfolgt dann auf dem jährlichen Dorffest, das natürlich auf denselben Tag wie die Einweihung des Therapie-Zentrums fällt…
Tradition trifft auf Revolution, so könnte man den Film am besten umschreiben.
Ein Glücksgriff ist Amber Bongard, die Lili wirklich großartig und mit jeder Faser ihrer orangefarbenen Kleidung verkörpert.
Auch Oliver Korittke weiß als schräger Bhagwan Anhänger gut zu unterhalten.
Leider wird hier kein Klischee ausgelassen und die Sanyasin Jünger wirklich dermaßen treudoof und overacted dargestellt, dass man sich fragt welches Kraut nun wirklich im Frühstücks-Müsli der Anhänger war.
Man könnte meinen, es seien Karikaturen ihrer selbst.
Dazu fehlt das Bodenständige, was Wer früher stirbt ist länger tot so ausmachte, also das warmherzige, urige Etwas.
Die paar Szenen mit den traditionsbewussten Dorfbewohnern, reichen meiner Meinung nicht aus, auch der authentische Humor kommt hier viel zu kurz.
Ein paar wenige Lacher wie die Terroristen-Fandungsliste in der Metzgerei, machen noch keine Sommerfrische Komödie aus.
Vom Dialog bei der Razzia zwischen dem Bürgermeister und Polizisten als das Dorfoberhaupt mit einem gefundenen Luftgewehr ankommt und meint…
"Da haben wir etwas"
Polizist: "Was haben ? Das ist ein Luftgewehr"
Darauf wieder der Bürgermeister: "Aber die Tendenz ist da"
…hätte es noch viele mehr geben sollen.
Ich will jetzt nicht alles schlecht machen bzw. schreiben, aber meine zugegeben hohen Erwartungen konnte Marcus H. Rosenmüller dieses Mal leider nicht erfüllen.
Übrigens, ich habe in dieser Bewertung bewusst kein einziges mal das inSEKTEn Wort benutzt ;-)
Selbst wenn mich Bhagwan dafür nicht in sein Nachtgebet einschließt, hier vergebe ich nur 2,9 aufgerundet also mittelmäßige 3 Wasserpfeifen.
Bild:
Sehr warme und natürliche Farben.
Kein Top-Bild aber auf einem sehr guten Niveau.
Ton:
Die Dialoge kommen klar und verständlich aus dem Center, wenn man denn der Bayrischen Sprache mächtig ist, denn zum Teil wird hier auch bajuwart.
Die Filmmusik erklingt mit eingängigen und passenden Songs schön räumlich aus den Boxen.
Untertitel:
Sind wählbar zwischen Hochdeutsch und Untertitel für hörgeschädigte
Extras:
- Entfallene Szenen mit optionalen Audiokommentar
hier hätte dem Werk die verlängerte Razzia und die Szene "Streit mit Fabian" gut zu Gesicht gestanden, wie ich finde...
-2 kurze Making Of, davon eines über die Visual Effects das den Namen allerdings nicht verdient, da hier nur Vergleiche mit und ohne Bluescreen Technik gezeigt werden.
-3 Featurettes, ein paar witzige Outtakes, 2 Kinotrailer
-eine ausführliche Dokumentation über den Sound der Heimat
-ein informativer, sehr interessanter Audiokommentar
-ein augenzwinkernder 13 minütiger Kurzfilm aus dem Jahr 1999 der von Marcus H. Rosenmüller stammt und den Namen "Kümmel und Korn" trägt.
Diese Blu-ray besitzt kein Wendecover !
bewertet am 09.06.12 um 16:28