Soundtrack Review #1: The Fountain
In meiner Review zum Film habe ich es schon angedroht: es gibt Filme mit einem derartig guten Soundtrack, daß man diesen einfach gesondert betrachten muß. Darren Aronofskys angestammter Musiklieferant Clint Mansell hat auch bei dessen dritten Film "The Fountain" mitgewirkt. Heraus kam Musik, die auch ohne Film in hohem Maße genießbar ist...
Details:
Komponist | Clint Mansell |
Interpreten | Kronos Quartet & Mogwai |
Länge | 46 Minuten |
Label / Katalognr. | Nonesuch (Warner) 7559-79901-2 |
SPARS Code | DDD |
Auszeichnungen | 2006 Best Original Score (Chicago Film Critics Association) 2006 Best Original Soundtrack of the Year (World Soundtrack Academy) 2006 nominiert für Golden Globe Award for Best Original Score (Hollywood Foreign Press Association) |
Tracks | The Last Man (6:48) Holy Dread! (3:52) Tree of Life (3:45) Stay With Me (3:36) Death is a Disease (2:34) Xibalba (5:23) First Snow (3:09) Finish It (4:25) Death is the Road to Awe (8:26) Together We Will Live Forever (5:00) |
Musik (5/5):
Die Blu-ray-Ausgabe von "The Fountain" bietet im Extramaterial knapp 29 Minuten des Soundtracks an, zusammen mit dem originalen Filmmaterial in HD-Auflösung. Dadurch erhält man die seltene Gelegenheit, die Musik gleich mit der entsprechenden Szene zu erleben, für die sie eigentlich geschrieben wurde. Dabei läßt sich zunächst ein auf den ersten Blick erstaunlicher Umstand feststellen: Im Film treten Personen in drei Zeitaltern auf, die insgesamt 1000 Jahre auseinanderliegen. Ein naheliegender Ansatz wäre gewesen, für jedes Zeitalter eine eigene Musik zu schreiben, zumal auch so gedreht wurde: Erst wurde ein Zeitalter komplett abgedreht, bevor man zum chronologisch nächsten übergeht. Wer sich Hugh Jackmans Frisuren in der jeweiligen Zeit vergegenwärtigt, versteht auch sofort warum so verfahren wurde.
Im fertigen Film erlebt man aber immer wieder Vor- und Rückblenden sowie Überblendungen selbst partieller Bildinhalte, die von einem Zeitalter ins andere führen. Eine Musik, die solche Wechsel konsequent begleiten würde, müßte zwangsläufig in einer Kakophonie enden, auch wenn thematisch Verbindungen bestünden. |
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Statt dessen aber gibt es einige Motive wie das oben wiedergegebene "Memory Theme" aus dem großartigen Stück "Together We Will Live Forever", die sich durch den ganzen Film in entsprechenden Variationen ziehen. Die Musik wirkt also als ein kohärent Ganzes, das alle Zeitalter umschließt. Daß dies letztendlich auch stimmig mit der Filmaussage ist, merkt der Zuschauer aber erst gegen Ende. (Vielleicht nicht gleich beim ersten Mal, aber der Film kann und sollte öfter geschaut werden...) |
Greifen wir exemplarisch zwei Stücke heraus. (ACHTUNG: Spoilergefahr. Ansonsten die eingerückten Absätze überspringen.)
- First Snow
Die Musik zum ersten Schneefall in der Gegenwart. Als das Thema einsetzt, sieht man Izzi in der Badewanne, Tommy kniet am Rand. Izzy bittet um heißes Wasser, obwohl man schon den Dampf heraufziehen sieht. Es sind Taubheitsgefühle, das Entsetzen der beiden findet seine Entsprechung in der Musik: Das Thema wird mit mehr Intensität gespielt, das Cello fängt die Verzweiflung der beiden ein und steigert sich noch weiter, als Tommy in die Wanne gezogen wird und sie leidenschaftliche Küsse angesichts Izzis drohendem Schicksal austauschen.
- Death is the Road to Awe
Eines der Kernstücke, das Sterben und Tod im Sinne nach dem mythischen Verständnis der Mayas thematisiert und durch alle Zeitalter läuft. Das Klavier spielt solo eine Melodie zu einer Szene der Gegenwart: Tommy schlägt die Bitte Izzis aus, einen Spaziergang in den ersten Schnee zu unternehmen und läuft stattdessen ins Labor. Das Thema setzt mit Streichern ein, während in die Zukunft überblendet wird, in der Tom am Baum des Lebens entlang nach oben schwebt und sich in einer eigenen Sphäre buddhahaft in den Lotussitz begibt. Die Musik wird beschleunigt, mehr Instrumente setzen ein und wir sehen den gottgleichen Tom, wie er schwebend dem Maya-Häuptling erscheint und dieser in ihm den Ersten Vater der Schöpfung erkennt. Der Häuptling bietet seinen Hals an und Konquistador Thomas schneidet ihm die Kehle durch. Daraufhin verstummt die Musik fast, Thomas geht durch den nun nicht mehr bewachten Durchgang hindurch zum Baum des Lebens, sticht mit dem Dolch hinein, sieht die Wirkung des herauslaufenden Safts, während die Musik das Thema wieder verstärkt aufgreift. Als Thomas den Saft trinkt, steigert sich die Musik durch hinzutretende Trommeln und Glocken. Die Maya-Legende erfüllt sich und aus Thomas sprießen Pflanzen heraus, aus ihm wächst der Lebensbaum. Wieder setzt die Musik fast aus, zusammen mit einer weiteren Überblendung in die Zukunft. Dann erstrahlt alles, die Musik bekommt einen hoheitlichen feierlichen Charakter, während Tom nach oben getragen wird, Bläser und Chor setzen ein, als er in Xibalba eingeht, der Baum des Lebens aus ihm hervorbricht und somit die Ehrfurcht (awe) musikalisch versinnbildlicht ist.
Im Gegensatz zu den meisten Soundtracks entstand dieser nicht erst nach der Produktion des Films, sondern begleitend. Schon bei den ersten beiden Filmen Aronofskys, Pi (1998) und Requiem for a Dream (2000) etablierte sich diese Arbeitsweise, bei der Aronofsky und Mansell immer wieder neu geschriebenes Material anhörten und daraufhin überprüften, ob es die Stimmung des Films einfängt, selbst wenn es anfangs nichts anderes als ein Drehbuch gab! Da sich die Arbeiten an The Fountain über sechs Jahre hinzogen, kam auch bei Mansell im Laufe der Zeit sehr viel Musik zusammen. Daraufhin setzte er mit einem Kollegen einen Prozeß in Gang, den man eigentlich nur als musikalisches Destillieren bezeichnen kann: sie brachen alles bis auf die bloßen Sequenzen und Melodien herunter und bestimmten dann eine Tonart, bei der jede Melodie mit jeder Sequenz harmonisch zusammenwirkt. Anschließend setzten sie die Sequenzen zu einzelnen Tracks passend zu Szenen des Films zusammen. Auch dieser Prozeß ist ein Indiz, warum ein gleichermaßen dichter wie thematisch einheitlicher Soundtrack entstanden ist.
Fazit:
Dieser emotionale Soundtrack hat eine Bandbreite von fast minimalistischer Klaviermusik bis hin zu groß angelegter Musik in Orchesterstärke. Er paßt zur Liebesgeschichte von Tommy und Izzi genauso wie er die großen Themen um Tod und Sterben illustriert. Intensive Musik, in den meist eher leisen wie auch lauten Passagen, durch das weltberühmte Kronos Quartet (2 Geigen, 1 Bratsche, 1 Cello) meisterhaft intoniert und vortrefflich begleitet durch die schottische Postrock-Band Mogwai.
Auch in technischer Hinsicht gibt es nichts zu mäkeln: eine saubere, durchgängig digitale Aufnahme mit großem Dynamikumfang.
Kaufempfehlung (***/***):
Daraus leitet sich eine dicke Kaufempfehlung ab. Man muß den Film dazu nicht wirklich verstehen oder mögen, weil die Musik auch sehr gut für sich stehen kann. Aber im Kontext des Films transportiert sie enorm viel Gefühl und sorgt durch ihre Kohärenz unterschwellig auch für ein besseres Verständnis dieses genauso kryptischen wie visuell herausragenden Films. Dank an die Herren Aronofsky und Mansell. Da capo!
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