Tatortbegehung
31. Juli 2018Keine Zeit mehr für unnütze Gedanken. McWalsh war als Mann der Tat bekannt. Er wandte den Blick ab vom Krankenwagen, der in der Dunkelheit der Nacht langsam verschwand und kehrte seinen großen, wuchtigen Körper in Richtung des Hauseingangs. "Bloom, ich schaue mir die Sache mal etwas genauer an."
Bloom hatte Mühe, mit McWalsh Schritt zu halten und schaffte es trotzdem im letzten Moment noch, die Hand in die Haustür zu bekommen, um zu verhindern, dass diese komplett schließt und die beiden vorerst ausgesperrt gewesen wären. McWalsh betrat das Haus zuerst, gefolgt von seinem Kollegen. Der Weg führte sie geradewegs auf die Kellertreppe, von wo aus sie den großzügigen, offenen Kellerbereich betraten. Neben den Kollegen der Spurensicherung stand dort eine Waschmaschine, ein Wäschetrockner und eine Werkbank aus Holz. 'Musste wohl eine Art Hobbykeller gewesen sein' dachte McWalsch bei sich, nachdem er auf dem Boden neben der Werkbank noch das ein oder andere unfertige Holzgewerk stehen sah.
Der Kellerraum wäre insoweit ganz gewöhnlich gewesen, wären neben den Gewerken nicht noch zahlreiche Glassplitter und halb angetrocknetes Blut zu finden gewesen, ebenso wie auf der Werkbank, wo das Blut bereits teilweise in den Tisch eingezogen war. Hier musste es also passiert sein. Und bei der abgebrochenen Flasche, die die Werkbank zudem zierte, musste es sich wohl um die Tatwaffe handeln. Walsh trat an die Werkbank und nahm die Flasche in die Hand, als kurze Zeit später ein verzweifelter Schrei eines Mitarbeiters der Spurensicherung ertönte: "Nein, bitte nicht schon wieder... Die Flasche hatten wir eben präpariert, um die Fingerabdrücke sicherstellen zu können. Hoffentlich haben Sie..."
Natürlich hatte McWalsh den Hals der Flasche mit der ganzen Hand umfasst und merkte nun, wie sich die aufgebrachte Flüssigkeit der Spurensicherung seifig anfühlte. "Ihr glaubt doch nicht wirklich, dass der Täter nicht so schlau war und wenigstens Handschuhe getragen hat", entgegnete er dem Kollegen, der sich die Hände über dem Kopf zusammenschlug. Ja, McWalsh konnte man nicht mehr verbiegen.
Bloom, der im Gegensatz zu seinem Chef bereits die Handschuhe übergestreift hatte, nahm ihm die abgebrochene Flasche wieder aus der Hand und legte sie zurück. "Wenn meine erste Vermutung stimmen sollte und es sich um den gleichen Täter handelt, dann hätten wir darauf tatsächlich Fingerabdrücke finden können, Boss. So werden es - wieder einmal - nur Ihre sein", versuchte er ein wenig kleinlaut anzumerken. "Sie werden hier nicht für Vermutungen bezahlt, Bloom! Haben Sie nichts anderes mehr zu tun, als hier den Klugscheißer zu geben?" Trotz seinem aufbrandendem Ärger ging McWalsh die Tat gedanklich noch einmal durch: Der Täter verschafft sich nachts unbemerkt Zugang zum Haus, erregt jedoch irgendwie die Aufmerksamkeit des Opfers, das sich dann von selbst in den Keller begibt, um sich dann scheinbar wehrlos seinem Schicksal zu ergeben. Macht so ein Tathergang wirklich Sinn? Und dass es schon zum wiederholten Mal genau in der gleichen Art und Weise funktioniert? Und was soll das Tatmotiv sein, bei derart verschiedenen Opfern?
McWalsh wollte jedoch nicht den gleichen Fehler machen wie sein Kollege und sich in Vermutungen verstricken und kehrte daher schnell zum Tagesgeschäft zurück. Abgesehen von einem kleinen Kellerfenster, durch das höchstens ein Kind passen würde, bestand die einzige Möglichkeit, in den Keller zu kommen ohne Zweifel über die Kellertreppe. Sollte der Tat also ein Einbruch vorausgegangen sein, dann müssen an anderer Stelle im Haus Spuren existieren, die darauf hinweisen. "Bloom, folgen Sie mir!"
Nachts, wenn alles schläft
10. Februar 2015Es klingelte und nur langsam schaffte es Tobey McWalsh sich dies bewusst zu machen.
Schlaftrunken fuchtelte er mit seiner Hand zur Seite, tastete sein Nachtschränkchen ab
auf der Suche nach dem Wecker, den er versuchte mit einem kräftigen Schlag wieder zum
Schweigen zu bringen. Es klingelte weiterhin. Auch ein zweiter und dritter Schlag schafften
keine Abhilfe. Erst sehr langsam und allmählich merkte er, dass es nicht der Wecker war,
der klingelte, sondern sein Mobiltelefon. Just in dem Moment, als er tatsächlich komplett
wach zu sein schien und danach griff, sah er auf dem Display, dass die Mailbox bereits
übernommen hatte. Der Anrufer legte auf, allerdings nur deshalb, um kurze Zeit später ein
weiteres Mal anklingeln zu lassen. Diese Nummer kannte er nur zu gut. Es war die Nummer
seiner Dienststele, die ihn wieder einmal mitten in der Nacht zu seinem Dienst bei der
Mordermittlung rufen musste.
Wieso werden Leute eigentlich grundsätzlich nachts umgebracht dachte er bei sich, in dem
Moment als er den Knopf betätigte, um das Gespräch anzunehmen.
„McWalsh“ knurrte er mit seiner rauen, tiefen Stimme. Er hörte einen Moment zu und
beschloss das Gespräch, indem er wiederholte: „46 Fairway Lane – alles klar, ich bin gleich
da!“
Gleich war bei McWalsh ein sehr dehnbarer Begriff. Alle seine Kollegen wussten das. Daher
war es auch keinesfalls verwunderlich, dass zum Zeitpunkt seines Eintreffens bereits das
komplette restliche Team seine Arbeit aufgenommen hatte.
„Und Bloom, was gibt’s?“ raunte McWalsh seinen jungen Kollegen an, wie er es
grundsätzlich immer tat. Das war einfach seine Art, ihn konnte man nicht mehr verbiegen.
„Wieder ein brutaler Mord! Als Tatwaffe wurde eine abgebrochene Flasche benutzt, die dem
Opfer mehrfach in den Körper gerammt wurde. Den ersten Anzeichen zufolge könnte es
sich...“ „...um einen Wiederholungstäter handeln?“ fiel ihm McWalsh ins Wort. „Ja, Sir“
blieb Bloom nur noch abschließend zu sagen, bevor er hinter McWalsh das Haus des Opfers
betrat.
„Es hat sich im Keller ereignet?“ „Korrekt, Sir. Es ist kein Grund für die Tat erkennbar. Alle
Wertgegenstände sind nach wie vor im Haus. Ich habe eben schon die Nachbarn befragt, auch denen ist nichts Ungewöhnliches aufgefallen in letzter Zeit...“
Ja, wie bereits erwähnt, gleich war bei McWalsh ein sehr dehnbarer Begriff. Genau deshalb
verlor er nun aber keine wertvolle Zeit mehr. Vielleicht gab es noch irgendeinen Hinweis
zu finden, der auf die Identität des Täters schließen lassen würde. „Die Spurensicherung...“
setzte McWalsh ein. Wie in einem Satz setzte Bloom genau dort an „...hat ihren Job schon
gemacht. Wieder einmal existieren jede Menge Hinweise. Nach dem ersten Eindruck ist
diesmal bestimmt etwas Verwertbares dabei. „Können wir denn wenigstens auch wieder
auf Hinweise durch die Obduktion hoffen?“ „Sieht ganz danach aus. Spurensicherung und
Obduktion - sofern wir nicht noch zusätzlich irgendetwas auftun können.“
Im ganzen Haus war es aufgeräumt. Tatsächlich war nur der Keller von einer gewissen
Unordnung geprägt. Auch charakteristisch für diesen Täter. Auf irgendeine Art und Weise
schaffte er es immer, sein Opfer bei Nacht von selbst in den Keller kommen zu lassen,
wo er bereits wartete. Bei den beiden bisherigen Opfern wurden keinerlei Arten von
Abwehrreaktionen oder Kampfspuren gefunden, die dem Täter hätten gefährlich werden
können. Als bisherige Opfer schlugen ein Mann sowie eine Frau zu Buche. Beide hatten
auf dem Papier nichts miteinander zu tun, wohnten in verschiedenen Vierteln der Stadt.
Sie war alleinstehend, er verwitwet. Das aktuelle Opfer passte zudem nicht in die bisherige
Altersstruktur von 30 bis 40 Jahren, sondern war augenscheinlich deutlich älter. McWalsh
konnte noch einen letzten Blick erhaschen ehe die Leiche verladen und weiter verfrachtet wurde. Was hatte dieser Täter nur im Sinn?!
Prolog
27. Januar 2015Top Angebote
Mein Avatar