Der Italowestern-Blog by Bollwerk94 - 13. Jubiläum mit dem Stranger
Rund ein Jahr ist vergangen, als ich zum ersten Mal hier die Blog-Funktion nutzte, um über einen meiner Lieblingswestern zu schreiben: "Keoma", einer von vielen Italowestern, die in der Öffentlichkeit zu schnell als brutaler, billiger Einheitsbrei abgestempelt wird. Der Ruhm und die Anerkennung bekommt in diesem Genre eigentlich nur der Schöpfer Sergio Leone und manchmal auch sein härtester Konkurrent Sergio Corbucci. Dabei gibt es noch genügend geniale Western, die in den 60ern und 70ern in Italien bzw. Spanien entstanden sind.
Aus diesem Grunde schreibe ich nun ungefähr ein Jahr hier für meine kleine Leserschaft, um ihr dieses Genre und die Zeit näher zu bringen.
Doch dieser Blog besteht nicht bloß aus Selbstbeweihräucherung, sondern soll auch einen informativen Part bieten. Dieses Mal möchte ich einen unter Kennern schon längst als Kult gehandelten Film vorstellen: "Ein Dollar zwischen den Zähnen".
Wer nur einen kurzen Blick auf den Film wirft, der wird diesen als reine "Für eine Handvoll Dollar"-Kopie halten, jedoch steckt mehr in diesem Streifen von Luigi Vanzi aus dem Jahr 1967:
Tony Anthony spielt den "Stranger", den namenlosen Fremden, der in eine leere mexikanische Stadt einritt und Banditen bei einem Geldraub von amerikanischen Soldaten hilft. Er versucht sich mit den Dollars aus dem Staub zu machen, jedoch glückt dies nicht, er wird gefangen genommen und von ihnen ordentlich vermöbelt. Zum Schluss folgt dann die große Rache des Helden bzw. Antihelden.
Das der Plot auf diese paar Zeilen passt, liegt nicht zuletzt daran, dass neben Anthony nur Frank Wolff ("Leichen pflastern seinen Weg") als Anführer der mexikanischen Banditen mehr als ein paar kurze Szenen hat und, wie so oft, wirklich glänzt in seiner Rolle.
Doch was macht diesen Western so einzigartig? Seine Stimmung: So spartanisch ist kaum ein Film im Genre, wo beim Vorbild noch Joseph Egger (siehe Blog Nr. 5) als kauziger Sargmacher und Wolfgang Lukschy als Barmann die Sache etwas auflockerten, stand hier nichts als der Konflikt zwischen dem Mann mit Poncho (bzw. zwei ollen Hundedecken) und den Amigos im Vordergrund. Anders als Eastwood ist Anthony absolut skrupellos, d.h. er schießt Leuten auch mal in den Rücken, labert nicht viel herum und schreckt auch nicht davor zurück der Dame unter den Banditen das Genick zu brechen. So dreckig war Italowestern selten.
Die Synchronfassung steht ganz im Zeichen des Vorbildes von Leone, so bekam Anthony Klaus Kindler als Sprecher verpasst, damit die Ähnlichkeit zu Eastwood noch mal gesteigert werden kann. Frank Wolff bekommt Arnold Marquis und der einzige andere Bandit der des Öfteren Sprecheinlagen hatte, Rainer Brandt zum Sprecher.
Für den Amerikaner Tony Anthony war es die Rolle seines Lebens, in die er (immer in etwas abgewandelter Form) noch ein paar weitere Male zurückkehrte. Anders als Wolff, der sich 1971 das Leben nahm, fand sich der US-Amerikaner Anthony damit ab, "nur" in europäischen Produktionen mitzuwirken.
Nachdem er mit Vanzi zwei weitere Filme iszenierte, die heut gern zu einer inoffiziellen Tony Anthony "Stranger" Trilogie zusammengefasst werden, kooperierte er mit Regisseur Ferdinando Baldi, der sonst eigentlich solch unoriginelle nahezu - Plagiate zu Stande brachte, wie die Butch und Toby Filme (siehe Blog Nr. 2). Doch "Blindman - der Vollstrecker" (1971) war alles andere als das, im Gegenteil, er war ein gewagter Sonderling unter den Spaghettiwestern, denn er handelt von einem blinden Revolverhelden, natürlich von Anthony verkörpert. Die Idee stammt übrigens vom blinden Samurai "Zat?ichi".
Zum Plot: Der Blinde soll 50 Frauen zu Minenarbeitern in Texas bringen, damit diese sie heiraten können (hört sich bekloppt an, bringt aber effektiv eine Menge nackte Haut und macht ordentlich was her), diese werden aber vom Mexikaner Domingo und seiner Bande entführt, so verschlägt es den Blinden in jenes südlich der USA gelegene Land. So beginnt ein hin und her um diese 50 Frauen, bei dem die mexikanische Armee auch noch seine Finger im Spiel hat. Der Bruder von Domingo wird übrigens von Ringo Starr gespielt.
Doch die Story ist es nicht, die einen an diesem Streifen fasziniert, sondern, wie der Blinde all diese brenzligen Situationen meistert. Er wirkt auf der einen Seite nicht so lässig wie die sonstigen Rächer, doch gerade dann schafft der Film einen mitzureißen, da man so etwas vorher noch nicht zu Gesicht bekam. Dies fasziniert von der ersten Minute an. Dazu kommen die "bösen", die in diesem Streifen gut miteinander harmonieren, und jede Menge klassische Gewalt. Zwar sind manche Szenen etwas unlogisch, aber darüber sieht man gern hinweg.
Als einziges Manko könnte man anführen, dass man von einem Film, in welchem 1/4 der Beatles mitwirkt, einen interessanteren Soundtrack erwartet, was man bekommt ist die Standardmusik, wie man sie in jedem 0815 George Hilton Ulk-Streifen hört.
Zur (meistens) glaubhaften Darstellung des Blinden durch Tony Anthony kommt, dass Baldi anscheinend mehr Budget zur Verfügung hatte als sonst, so konnten verschiedene teils großräumige Kulissen geschaffen werden. Die gnadenlose Gewalt - auch gegenüber Frauen, wurde übrigens von "Ein Dollar zwischen den Zähnen" übernommen. Für mich ist "Blindman" eine wahrhafte Italoperle, die man gesehen haben sollte!
Die deutsche Synchronfassung kann auch diesmal überzeugen, obwohl mit Rolf Schult nicht unbedingt ein erste Wahl Sprecher (für meinen Geschmack) den Part des Blinden übernahm.
Beflügelt von dieser Glanzleistung, versuchten Baldi und Anthony ihr Glück mit anderen merkwürdigen Westernvariationen, wie einem Fantasy-Spaghettiwestern-Mix oder einem 3D-Western... die Resultate waren allerdings erwartungsgemäß durchwachsen. Jedoch muss unbedingt gesagt werden, wer nicht wagt, der nicht gewinnt.
Zum Schluss: Viele gute Themen wurden schon abgegrast, einige wirklich tolle Filme schon genannt. Aber ich habe Sicherheitsmaßnahmen getroffen, um auch das nächste Jahr mit Blogs zu guten und manchmal auch schlechten Italowestern zu füllen, so hab ich angefangen über Militärfilme zu schreiben und auch in Zukunft will ich mich immer wieder vom Kern entfernen, aber werde immer wieder zu ihm zurückkehren. Viele Themen stehen noch auf meiner Liste: Klaus Kinskis Werk, die Sartana-Reihe, die "Sergio Sollima Trilogie", weitere Django-Knaller und viel anderes. Vielleicht auch über die weiteren Filme mit Tony Anthony, wer weiß...
Zur Einstimmung auf das zweite Jahr, hier ein ultimatives Video, welches jedem Lust auf ein paar blutige Dollars, harte Fäuste und blaue Bohnen machen sollte: Viel Spaß und vielen Dank an die Leser und die Ersteller dieses genialen Clips:
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Kommentare
ich kenne hier nur Blindman, wobei ich auch meinem Opa damals das schwarze Digipack von Koch mitkaufen musste.
nun muss ich natürlich auch "Ein Dollar zwischen den Zähnen" mal sichten!
@Kodijak: den gibts schon auf DVD aber die Auflagen (Amaray/Digipack) werden leider schon schweineteuer gehandelt!
bollwerk, ich freu mich durch deine feine (vor)aussicht auf weitere solcher Blogs und interessante vorstellungen!! echt spitze!
Das Video finde ich auch super (besonders die Musik) und unterstreicht eigentlich nur Das, was du mit deinen Worten davor wieder mal genial vermittelt hast...
Wieder eine super Vorstellung...
auch diese beiden Filme kannte ich noch nicht und den Einen zumindest werde ich bald kennenlernen.
Danke für deine hochwertigen Artikel Bollwerk!
Mit Blick auf Deinen Ausblick darf ich sagen, dass ich dort besonders den kommenden Blogs zu Kinski entgegenfiebere.
Du bis eine echte Bereicherung des Blogbereiches - mach ja weiter ! :-)
Auf die nächsten 20 Jahre im Blogbereich mit Blogs von Dir!
Wie wäre es denn noch mit nem Blog über Anthony Steffen, einer meiner Lieblings Italowestern Stars, da kriegst du bistimmt auch was hin oder? ;-)