Vampirgeschichten gibt es wie Sand am Meer. Immer wieder verfilmte Klassiker wie „Nosferatu“ und „Dracula“ bedienten ureigene Ängste, immer gepaart mit einer pseudoerotischen Komponente, neuere Ausflüge wie die „Twilight“-Saga zielten dann deutlicher auf die Teenager-Generation mit Herzschmerz – und neben diversen Parodien und dem ein oder anderen experimentellen Genre-Mix bekannte sich die Filmbranche in letzter Zeit zurück zu den Anfängen mit beispielsweise „Die letzte Fahrt der Demeter“. Auch die Idee zu „Feinfühlige Vampirin sucht lebensmüdes Opfer“ wiederholt bekannte Muster älterer Streifen, betrachtet aber eher das psychische Profil einer jungen Vampirin, die mit ihrem Dasein ein grundsätzliches Problem hat. Atlas Film bringt im Vertrieb der Al!ve AG den Film aus dem Jahre 2023 als Blu-ray - Standard Edition auf den Markt. Bringt Regisseurin Ariane Louis-Seize frisches Blut in das Genre zurück?
Story
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Aurélien (Steve Laplante) und Georgette (Sophie Cadieux) sind besorgt: ihre junge Tochter Sasha (Sara Montpetit) lüstert es beim Anblick leidender Menschen nicht nach ihrem Blut, sondern sie entwickelt Mitleid mit ihnen. Was in einem normalen Leben auch eine durchaus normale Reaktion wäre, treibt Sashas Eltern zum Arzt. Der Hintergrund: es handelt sich nicht um eine normale Familie, sondern Vampire! Und als solche gilt es nun mal, rechtzeitig selbst auf die Jagd nach frischem Blut zu gehen ohne Rücksicht auf Verluste. Doch Sasha zieht sich stattdessen lieber zurück und widmet sich ihrem Hobby des Klavierspielens.
Jahre später hat sich ihre Situation nicht merklich verändert – und ihre Eltern geben sie voller Verzweiflung aus ihrer bisherigen Obhut in die weniger behütenden Hände von Tante Denise (Noémie O’Farrell), die ihr das richtige Jagen und Beißen beibringen soll. Sasha flüchtet sich in die dunkle Nacht – und trifft unversehens auf den jungen Paul (Félix-Antoine Bénard), der – gefördert durch sein Umfeld, das ihn erniedrigt und als Außenseiter abstempelt – hochdepressiv seinem Leben ein Ende setzen will. Da scheint es fast Schicksal zu sein, als die beiden wenig später in einer gemeinsamen Hilfegruppe wieder zueinanderfinden – und sich gegenseitig helfen wollen.
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Ach, was klingt die Handlung letztlich so dramatisch wie auch romantisch: eine junge Vampirin hat Probleme, sich zu akzeptieren und trifft auf einen jungen Außenseiter-Menschen mit ähnlichen Themen. Dass es zwischen den beiden zu einer wunderbaren Zusammenkunft kommt, aus der Großartiges entstehen kann, macht im Vorfeld Appetit auf den Streifen – und die Hoffnung ist da, dem Vampirgenre wieder neues Leben einzuhauchen, gerne gepaart mit einer Art Coming-of-Age-Geschichte. Anfangs lässt man sich denn auch viel Zeit, Sashas Probleme ausgiebig zu zeigen – und das Bestreben vor allem ihrer Mutter, sie in das Zwangskorsett eines Vampirs zu pressen. Dabei übernimmt sich das Schauspiel Sara Montpetits als Sasha nicht gerade mit Gestik und Mimik – sie bleibt stets ruhig, traurig ohne echte Gefühlsausbrüche – und leidet eher still. Ziemlich ähnlich ergeht es Paul, ebenso minimalistisch gespielt von Félix-Antoine Bénard, dem man zwar den Außenseiter glatt abnimmt, sich aber doch zu wundern beginnt, wie jemand ausdauernd mit leerem Blick halb auf den Boden sehen kann – und das bei fast jeder Gelegenheit.
Dieser Minimalismus, kombiniert mit der sich nur sehr langsam entfaltenden Geschichte ist es, der dann doch auf Dauer ermüdet. Echte Überraschungen bleiben aus: dass die beiden jungen Leidenden zueinander finden, ist schon sehr früh im Film klar. Aber dass sich daraus so gut wie nichts entwickelt, außer dass die beiden in ihrem eigenen sehr behäbigen Tempo das Beste aus der Situation machen bis zum wenig überraschenden Ende, enttäuscht schon etwas. Es bleibt zudem über den gesamten Film entlang recht blutleer, echter Witz fehlt ebenso wie eine aufkeimende Leidenschaft oder wenigstens ein emotionaler Ausbruch zweier Außenseiter, die sich letztlich gefunden haben. Stattdessen bewegen sich die beiden fast schon in Zeitlupe von Szene zu Szene, die Geschichte verliert an Spannung und letztlich Überzeugungskraft.
„Feinfühlige Vampirin sucht lebensmüdes Opfer“ könnte damit allenfalls angehenden Teenagern gefallen, die gerade selbst in einer Art „Coming-of-Age“-Phase stecken und sich über den Umweg einer Vampir-Mensch-Geschichte selbsterkennen möchten. Doch so wirklich lebensbejahend bleibt es dann am Ende nicht wirklich, auch ist fraglich, ob die beiden mit ihrer gefundenen Lösung länger glücklich werden. Ein enttäuschender, weil viel zu langweiliger Mix aus etwas Horror, wenig Drama, Fantasy und dem Anflug einer Komödie – da wäre deutlich mehr drin gewesen.
Bildqualität
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Ein Großteil des Films spielt – letztlich bedingt durch die Lichtsensibilität von Vampiren – meist im Dunkeln. Das stellt Anforderungen vor allem an Kontrast und Schwarzwert. Glücklicherweise befinden sich beide auf gutem Niveau, so dass in diesen vielen Szenen noch Details zu sehen sind und nicht untergehen. Die Schärfe ist für eine neue Produktion recht hoch ausgefallen und zeigt sowohl auf den dunklen Straßen, als auch in schwach ausgeleuchteten Innenräumen Objekte fein aufgelöst. Die Farben werden natürlich wiedergegeben, insbesondere abendliche Wohnzimmer suggerieren mit ihren warmen Braun- und Orangetönen der Lampen eine trügerische Sicherheit – davon kann der Clown zu Beginn des Films mittlerweile wohl kein Lied mehr singen.
Filmkorn ist zwar sichtbar, aber nicht wirklich störend, Bildfehler oder Verschmutzungen sucht man vergebens. Leider zeigt sich vor allem in dunklen Szenen hin und wieder digitales Rauschen, das so stark ausarten kann, dass man gegebenenfalls am Fernseher mit einer digitalen Bereinigung nachjustieren muss.
Tonqualität
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Der deutsche und französische Ton liegt jeweils in DTS-HD Master Audio 5.1 vor. Raumklang stellt sich aber kaum ein – der Score legt sich immer wieder sanft über alle Kanäle, das war es aber auch schon. Stimmen bleiben in beiden Tonspuren im Centerbereich klar verständlich und mit der nötigen Bassunterstützung, das französische Original ist dabei eine Spur lauter abgemischt, hier wirken sowohl Dialoge als auch die Musik ein Tick dynamischer mit mehr Volumen. Effekte gibt es wenige, es bleibt ein ruhiger Film, bei dem sich Dialoge und Musik die Waage halten. Gut, aber frei von tonalen Höhepunkten. Französische Untertitel werden vermisst.
Ausstattung
- Trailer (02:01 Min.)
- Wendecover
Fazit
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Blutleerer Coming-of-Age-Mix ohne Biss, der dem Genre des Vampir-Horrors ebenso wenig neues Leben einhaucht wie die üblichen Teenagerstreifen auf ein höheres Level befördert. Kombiniert mit einem guten Bild, sowie einem braven Ton und kaum Extras könnte der Streifen allenfalls Teenagern mit Identitätsproblemen einen Wiedererkennungseffekt schenken, diesen aber mit etlichen Längen serviert.
(Dominik Böhler)
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