The tube? - No tube!
Passkontrolle, Ausgang, Chaos. So empfängt mich London. Jetzt mag man London zu Gute halten, dass es in einem regelrechten Ausnahmezustand ist in dem Moment, wo ich meine Füße das erste Mal auf das Eiland setze, was mir persönlich in dem Moment aber nicht wirklich weiter hilft. Zur Erklärung: „the tube“, wie die älteste U-Bahn der Welt genannt wird, fällt den ganzen Tag aus. Was in einer Stadt wie London dazu führt, dass Chaos eine neue Definition erhält. So nett die von mir angesprochenen Servicepoint Mitarbeiter auch helfen wollen, jede Antwort ist unterschiedlich und leider damit auch wenig hilfreich. Bleiben mir nur zwei Optionen, meine soeben umgetauschten britischen Pfund sofort einem gestressten Taxifahrer zu überlassen oder den violett gefärbten Schildern des Heathrow Express zu folgen, um der Innenstadt wenigstens ein Stück weit näher zu kommen. Nachdem mir ein Mitarbeiter des Busbahnhofs sagte, das kostet nur ca. sieben Pfund dachte ich o.k., haben sie sich sicherlich verschrieben im Service Terminal mit den 20 Pfund, wer zahlt schon so viel Geld? Immerhin sind das schließlich locker 30 Euro für eine einfache Fahrt mit dem Zug.
Ich entschiede mich daher für den Heathrow Express und folge der verführerischen Beschilderung. Zwei freundliche Mitarbeiter nehmen mich am Eingang des Zuges in Empfang und ich betrete ehrfürchtig den mit Teppich ausgelegten Hightechzug. Moderne Abteile mit extra Ablagefächern für die Koffer der Reisenden lassen mich das erste Mal staunen, große saubere Fenster, nicht ein Krümelchen liegt auf dem Boden, die Sitze im gleichen Lila gehalten wie der Rest. Die Bildschirme, die gefühlt an jeder Abteilwand hängen, geben mir schon jetzt das Gefühl ‚“ich bin in der Zukunft“, auch wenn sie nicht in Betrieb sind. Jeder findet einen Platz, Ruhe liegt in der gut klimatisierten Luft und mein Roaming wurde auch eben aktiviert, ich bin wieder online! Leider hält das Gefühl nicht lange an, die überaus freundliche Schaffnerin will doch tatsächlich 40 Pfund für die Hin- und Rückfahrt von mir haben. Kreditkarte sei Dank, verdränge ich heftig den Gedanken daran, dass ich in meiner ersten Stunde auf dem Eiland bereits 60 Euro für ein Zugticket hingeblättert habe und ich damit nur ein Stück zu meinem Ziel Piccadilly Circus vorgedrungen bin.
Nach ca. 12 Minuten verlasse ich den lila Zug an der Station Paddington. Der Name des Bahnhofs erinnert mich an den kleinen niedlichen Bären aus dem gleichnamigen Film und genauso fühle ich mich auch. Überrannt, einsam und vollkommen orientierungslos. Ich sehe mich erneut mit dem Chaos konfrontiert. Menschenmassen drängen sich in alle Richtungen.
Ich finde schließlich einen Mitarbeiter, der mir kurz und knapp erklärt „no tube“, wer hätte das gedacht! Ich muss zum Bus. Ja und wo ist das? Draußen! Gut, kann ja nicht so schwer sein. Also gehe ich da hin, wo die größte Menschenschlange von allen hingeht, immer dem Licht entgegen nach draußen. Kurzer Wettercheck - meinen Schirm brauche ich noch nicht, es empfangen mich angenehme 20 Grad Celsius. Und leider noch mehr Chaos. Ich finde die Haltestelle, zu der ich geschickt wurde, und in mir kommt die Frage auf, wie um Himmels willen soll ich jemals zwischen diesen Massen hindurch in einen Bus kommen? Im gefühlten 20-Sekundentakt kommen und gehen Busse, jeder mit einer anderen Nummer und angeschriebenen Richtungen, die ich aus Film und Fernsehen kenne, aber die ich wahrlich nicht auf eine Stadt anwenden kann. Ich hätte vor meiner Abreise noch mal Mr. X spielen sollen, um mich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln Londons vertraut zu machen. Mist! Inmitten des Chaosverkehrs fällt mir auf, dass die Busse zwar irgendwie komisch fahren, wen wundert’s bei dem Andrang, aber zur Freude aller, halten sie tatsächlich mit dem Einstieg am Bürgersteig. Wie praktisch denke ich noch, bis mir wie vor den Kopf geschlagen der Linksverkehr auffällt, Mensch jetzt reiß dich zusammen, klar du bist in London! Jeder Mensch weiß so viele Dinge, aber Wissen und Erleben sind zwei komplett unterschiedliche Dinge, wie es sich mir in dieser Sekunde schlagartig offenbart.