Da ist es ja wieder, dieses ärgerliche Review ;)
Ich hatte mich in den Kommentaren zum Film ja bereits geäußert, aus
meinem Blog und meinen vielen Beiträgen im Filmthread ist manch
einem sicher schon deutlich geworden, dass ich eine recht positive
Meinung von dem Film habe ;)
Ich kann der inhaltlichen Bewertung schlicht an keinem Punkt
zustimmen. Das mag zum Teil dem subjektiven Geschmack geschuldet
sein, das mag zum Teil auch schlicht an verschiedenen
Interpretationen liegen...
Es beginnt schon bei dem Vergleich mit Inception, den man sicher
anstellen kann, in dessen Ergebnis man aber schlicht feststellen
muss, dass Snyder dort weitermacht wo Nolan schon lange aufgehört
hat und somit neue Wege beschreitet. Sucker Punch ist eben nicht
einfach nur eine 'verdrehte Version von Inception' sondern die
konsequente Weiterführung dieses Konzepts. Während Nolan am Ende
sämtliche Ebenen fein säuberlich auflöst und damit zum
konventionellen Erzählstil zurückkehrt, lässt Snyder seinen
Zuschauern Raum für eigene Gedanken. Das kann man sicher als Ideen-
und Konzeptlosigkeit des Regisseurs abtun, man kann Zack Snyder
aber auch für den Mut loben, als erster Regisseur im
Mainstream-Kino den mutigen Schritt hin zu postmodernen
Erzählweisen getan zu haben.
Und da sind wir dann bei der vermeintlich 'dünnen Handlung'. Kann
ein Film mit dünner Handlung tatsächlich so viele Seiten
gehaltvoller Diskussion füllen? Liegt es nicht viel mehr am
Betrachter, wie viel inhaltlicher Tiefe er dem Film zugestehen
will?
Was die 'naiv-frauenfeindliche Moral' angeht hat der Schlumpfmaster
bereits perfekt ausgedrückt, was des Pudels Kern ist. Inhaltlich,
wenn auch nicht in so geschliffener Sprache habe ich es seinerzeit
im Filmthread auch interpretiert. Genau an dieser Stelle kommen wir
doch zur Krux des Films: Snyder hält dem durchschnittlichen
Fantasyfan hier einen Spiegel vor. Den wahrzunehmen ist jedoch der
individuellen Wahrnehmung des Zuschauers überlassen, damit reden
wir also wieder über den postmodernen Erzählmodus der keine
verbindliche Wirklichkeit mehr kennt.
Zitat:
Zitat von VincentVinyl
Ich habe im Kommentarthread schonmal geschrieben, dass ich finde
"Sucker Punch" ist genau so wenig reflektiert oder kritisch wie
etwa ein Mann der einer Frau sabbernd auf den Hintern haut und das
im Nachhinein rechtfertigt: "Ich wollte damit auf die zunehmende
sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz hinweisen!" Nur weil man
selbst zum Klischee wird, reflektiert man es noch nicht, dazu ist
schon mehr nötig.
...Und genau an dieser Stelle habe ich mich in der
Kommentar-Diskussion ausgeklingt. Einerseits weil dort immer
gemeckert wird, wenn inhaltliche Diskussionen aufkommen,
andererseits weil ich diesen Vergleich als absolut daneben
empfinde. Mal ganz davon abgesehen, dass Kunst Dinge darf, die wir
uns im Büro zweifellos nicht erlauben können, greift Snyder seinen
Protagonistinnen im Film keineswegs an den Po. Hätte er das tun
wollen, hätte er die Tänze in ihrer gesamten Ausführlichkeit
dargestellt. Um dieser exploitativen Falle zu entgehen, wendet er
den Kunstgriff der Traumwelten an in denen die Frauen Männern nun
nicht mehr nur metaphorisch den Arsch aufreissen. Warum sie dabei
aussehen wie sie aussehen hat Schlumpfmaster in seinem grandiosen
Beitrag erläutert.
Sexismus, oder gar Chauvinimsus? - Nicht in diesem Film. Den hat
dort im Übrigen auch meine gendersensible Freundin weder nach dem
Kinobesuch, noch nach dem Sehen des Films auf BD ausmachen können.
Mich würde an dieser Stelle mal interessieren, wie Du (@Vincent)
Filme wie Herr der Ringe bewertest, die in meinen Augen vor
Chauvinismus nur so triefen und denen dabei nicht mal eine gute
Absicht unterstellt werden, bewertest.
Die Busfahrerszene habe ich für mich im Übrigen so aufgelöst, dass
die Flucht tatsächlich auf der realen Ebene gelingt. Dass sich dort
nun aber wieder ein Abhängigkeitsverhältnis einstellt ist der
EyeOpener der uns sagen soll, dass im echten Leben eben doch (noch)
keine echte Gleichberechtigung herrscht. Insofern würde der Film
auch nicht mit einem Happy End enden, was seinen kritischen
Charakter unterstreicht.
Abschließend: Ich habe das Review eingangs als 'ärgerlich'
eingestuft und als das fasse ich es noch immer, nach mehrmaligem
Lesen auf, möchte aber auch erklären, weshalb. Man kann über einen
Film unterschiedlicher Meinung sein und ich bin weit davon entfernt
meine persönliche Interpretation als allein gültige darzustellen.
Wie oben gesagt denke ich auch, dass es im Wesen des Films liegt,
dass es diese ultimative Interpretation nicht gibt. Es wird hier
jedoch mit einem Satz geschlossen, der nicht mehr den Film
kritisiert, sondern dessen Zuschauer, die hier schlicht als
chauvinistisch und unsensibel für Geschlechterklischees dargestellt
werden. Das ist harter Tobak und meines Erachtens nach in einem
solchen 'offiziellen' Review nicht tragbar. Ich fühle mich dadurch
persönlich angegriffen und das sollte nicht sein.