Hallo, QuantumStorm.
Du hast natürlich Recht. Ich hab schon sehr sehr stark
schwarzgemalt in meinem letzten Post. Ich halte aber alle diese
schwarzgemalten Szenarien bei einem Monopol von VoD für
realistisch. Sicher nicht gleich am Anfang. Die werden sich nicht
den Fehler erlauben, daß sie gleich von vornherein so viele
Unbequemlichkeiten und unverschämte Preise von Anfang an einbauen.
Erst muß ja der physische Datenträger verdrängt werden. Das geht
nur über eine gesteigerte Attraktivität von VoD gegenüber
physischen Datenträgern. Da wird die Übergangszeit zu VoD von den
Betreibern höchstwahrscheinlich extrem "geschmeidig" und
kundenfreundlich geregelt. Wenn der physische Datenträger dann
allerdings beseitigt ist... ein paar Jahre drauf und wir haben
vermutlich genau solche Verhältnisse wie von mir beschrieben.
Finde ja sehr toll, daß Du so engagiert auf meine Schwarzmalerei
eingegangen bist und Dir zu jedem Argument Deine Gedanken gemacht
hast. Ich will das mal honorieren, indem ich auch wieder auf Deine
Argumente genau so detailliert eingehe und hoffe, wir können noch
weitere spannende Pros und Cons finden. :)
Argument: Filme plötzlich gar nicht mehr erhältlich.
Zitat:
Zitat von QuantumStorm
Das ist in der Tat eine Gefahr, die nur durch
Verfügbarkeitsgarantien gesichert werden könnte.
Schon richtig. Nur auch in Verfügbarkeitsgarantien werden sich die
Betreiber Ausnahmeregelungen vorbehalten. Da hilft alles nichts.
Und selbst wenn der Betreiber damit seine eigenen Grundsätze
verletzt, was will der einzelne gegen den großen Konzern schon
machen? Ihn verklagen, weil er den historisch hoch interessanten,
kommerziell aber unrelevanten Schwarzweißstummfilm "The Lodger
[1927]" aus dem Programm genommen hat? Welches Gericht würde so
eine Klage zulassen?
Argument: ungeschnittene Versionen werden durch geschnittene
ersetzt.
Zitat:
Zitat von QuantumStorm
Das mit den Schnittversion glaube ich in sofern nicht, da die
Mediathek ja ähnlich wie PayTV funktioniert, und daher jeder FSK 18
Film z.B. per PIN freigeschaltet werden könnte.
PIN halte ich für denkbar ungeeignet, da sie im gleichen Haushalt
lebende nicht-18-Familienmitglieder ganz leicht ausspionieren
können. Ob der Staat, der 1200 Quadratmillimeter große FSK Logos
verordnet sich mit einer erspähbaren PIN-Verifikatikon zufrieden
gibt, wage ich zu bezeifeln.
Davon abgesehen ging es mir gar nicht um Jugendfreigabe oder nicht,
sondern auch darum, daß aus FSK12 Filmen Sachen geschnitten werden,
damit auch das FSK6-Publikum den Film sehen darf. Und dafür gibts
ja auch auf DVD und BD Beispiele genug. Das ärgerliche ist dann
halt, daß die ungeschnittenere Version vermutlich gar nicht mehr
angeboten wird.
Hinzu kommt, daß die Religionsgemeinschaft der Brieftaubenverehrer
in der Szene eines Zeichentrickfilmes, in welcher eine Brieftaube
vertrottelt gegen eine Glasscheibe fliegt, eine Verletzung der
Gefühle ihrer Religion sehen könnten und daraufhin gerichtlich
erwirken, daß diese Szene aus dem Film genommen wird.
Solche und ähnliche Ärgernisse. Dafür gibts zwar momentan noch
nicht viele Beispiele, aber der Trend geht ja da hin, daß die
Gesellschaft immer vorsichtiger wird und immer mehr auf politische
Korrektness gesetzt wird, selbst bei unsinnigen Forderungen wie der
obigen. Im Falle der OnlineMediathek wäre dann die ursprüngliche
Version von heute auf morgen weg. Ende aus. Für den Fall, daß die
Welt noch mit physikalischen Datenträgern handelt, muß ich halt
Glück haben und einen Datenträger gekauft haben, der noch vor
dieser Änderung in die Läden kam. Ansonsten halt mal bei Ebay
rumschauen.
Zitat:
Zitat von QuantumStorm
Nun, das passiert ja nun leider auch auf dem Medium DVD/BD. Zwar
nicht auf dem Medium selbst, aber doch von Version zu Version.
Schönes Beispiel ist hier "Der Weiße Hai". Die alte (und sehr
coole) Synchonstimme vom Hauptprotagonisten wurde gegen eine andere
ersetzt.
Schon richtig. Nur bei der DVD-Änderung im Nachhinein hat man immer
noch die Möglichkeit sich einen Datenträger zu ersteigern, der noch
die alte Sync besitzt, sofern diese mal auf dem Markt gewesen ist.
Siehe Arielle, alte Sync von '89, auf VHS gebraucht noch im Umlauf.
Nun gehen wir doch mal von einer Welt aus, in der die
OnlineMediathek bereits die physikalischen Datenträger komplett
ersetzt hat. Und nun kommt ein Film zunächst in alter Sync raus und
wird dann nach einem Jahr durch eine neue Sync ersetzt. Ich mag
aber die alte lieber. Nur wie komm ich da jetzt wieder ran?
Ein physisches Medium der alten hab ich ja nicht.
Schade wars.
Argument: 2001 plötzlich mit Techno-Soundtrack
Zitat:
Zitat von QuantumStorm
Das würde aber nicht der Betreiber der MediaThek tun, sondern eher
der Verleiher bzw. ds Studio oder der Regisseur. Dann heißt das
ganze "Directors Cut" und alle sind glücklich.
Der Betreiber darf allerhöchstens Schneiden, aber nicht ändern, da
sonst Rechte dritter verletzt werden.
Schon richtig. Nur arbeiten Betreiber und Rechteinhaber ja
zusammen. Der Rechteinhaber hat ja kein Interesse daran, daß der
Betreiber sein Produkt nicht an den Mann bringt und wenn der
Betreiber glaubhaft machen kann, daß eine "akustische Politur" den
Gewinn vergrößern würde und dem Rechteinhaber eine
Gewinnbeteiligung vorschlägt... dann... glitzerts in den Augen des
Rechteinhabers.
Ich muß mal nachsehen, aber ich glaube, ich habe noch die
VHS-Urversion der "unendlichen Geschichte" (Petersen, 1983), in
welcher in diversen Titelsequenzen und Flugszenen noch die original
Klaus-Doldinger-Instrumentalmusik unterlegt ist und nicht dieses
dämliche, gesungene "Neverending Story" Popgedönse.
Aber das ist halt auch wieder so ein Beispiel. Da hat sich wohl
einer gedacht, hey, wenn wir die Popmusik reinschneiden, dann
verkauft sich auch diese Musik auf MaxiSingle besser. Der Markt
profitiert, die Authenzität verliert.
Argument: Kinoformat plötzlich beschnitten
Zitat:
Zitat von QuantumStorm
Nun, das ist ja schon im TV manchmal der Fall, aber auch dies ließe
sich durch Garantien des Betreibers lösen.
Garantien wem gegenüber? Dem Publikum? Betreiber, Vertriebe und
Verleiher handeln bei saowas ja eher nach dem Motto: naja, das
haben wir damals so gesagt, weil wir das damals dachten und für gut
hießen, aber die Zeiten ändern sich. Auf eine Garantie gebe ich da
recht wenig. In den 80er und 90er Jahren waren "Original" Hörspiel
Kassetten zu den Disneyfilmen im Umlauf, die weder die
Originalsprecher, noch die Originaldialoge, noch die Originalmusik
oder die Originalgeräusche beinhalteten - nur das Cover sah dem
Filmplakat recht ähnlich und wurde trotzdem von einem schönen
ORIGINAL-Hörspiel-zum-Film-Siegel geziert.
Argument: neuer Transfer, weniger Dreck, aber schlechterer
Kontrast
Zitat:
Zitat von QuantumStorm
Mit fortschreitender Technik sollte soetwas ja eigentlich der
Vergangenheit angehören, und ich hätte in der Tat von einem solchen
Vorgang auch noch nie gehört. Denn wenn der Film nicht besser wird,
dann steckt da wohl auch keiner Geld rein (erst recht nicht die
Betreiber).
Beispiele dafür gibt es jetzt bereits en masse. Kunden beschweren
sich, daß DVD-Transfers teilweise besser und schärfer sind, als
manch schlechte BD, eine Neuauflage, die schlechter ist als die
ältere (gabs übrigens auch einmal bei Star Wars - man denke an die
unglaublich verrauschten digital remasterten VHS-Versionen von ...
ich glaube es war '91 oder '92, die schlechter waren als die vorher
erschienenen Versionen).
Solche Sachen (neuer Transfer, schlechteres Bild) sind nicht
abhängig von der Güte der Technik, sondern davon, daß genügend Geld
ausgegeben werden muß, damit jemand sich die Zeit nehmen kann, die
Technik so zu bedienen, daß eine Verbesserung dabei herausspringt.
Und da sieht man jeden Euro, den der Rechteinhaber in einen
Transfer hineingesteckt hat und auch jeden Euro, den er sich
gespart hat. Und sparen und Geiz sind ja bekanntlich ziemlich geile
Wörter heutzutage.
Argument: Kornrauschen weg, Unschärfe da.
Zitat:
Zitat von QuantumStorm
hmmm, siehe oben.
Noch nie erlebt, daß Dir eine Entscheidung des Verleihs /
Rechteinhabers qualitativ bei einer Neuauflage "nicht geschmeckt"
hat? Dann schätze Dich glücklich! :) Tja, ich leider schon.
Argument: Rechtsstreit beim Ton, deutsche Sync weg
Zitat:
Zitat von QuantumStorm
Öhm, ich glaub nicht das es eine solche Trennung von Audio / Video
gibt. Will heißen, das eine einmal für einen Film erzeugte Tonspur
an diesen Film gekoppelt ist. Sicher kannes sein, dass der ganze
Film zurückgezogen wird, aber nicht nur Teile von ihm.
Oh, ne. Das ist leider tatsächlich so. Das ist der Grund, warum es
Jahre gedauert hat, bevor McGyer in Deutschland mit deutscher
Tonspur rauskam und vermutlich noch viele Jahre dauern wird, bis
die DEUTSCHE Version der Muppet Show hier in D rauskommt.
Interessant wird das Problem ja dann, wenn der Streit erst
entsteht, nachdem bereits etwas veröffentlicht wurde. Wenn ich mir
den physischen Datenträger gekauft habe, bevor der Streit entstand,
kann mir das egal sein. Ich hab die deutsche Version zuhause und
gut is. Gibt es den Film nur online, und es entsteht ein
Rechtsstreit, ist von heute auf morgen die Verfügbarkeit weg.
Aus.
Dazu ein Beispiel, das jetzt nicht so ganz reinpaßt... aber
irgendwie doch. In den 70er und bis Mitte der 80er Jahre erschien
auf Hörspielkassetten die Jugendkrimiserie "die drei ???" mit einer
genialen Überleitungsmusik von Szene zu Szene, komponiert von
Carsten Bohn. Die Musik war zeitlos und einfach genial.
Interessanterweise wurde diese Musik aber ohne Wissen und ohne
Tantiemenzahlungen an Bohn in der Hörspielserie eingesetzt. Er ging
wohl davon aus, daß seine Musik nach der Aufnahme im Studio
irgendwann in irgendwelche TV-Serien zum Einsatz kommen sollte, die
aber noch bevor sie produziert wurden, wieder verworfen wurden.
Damit - dachte er - sei auch seine Musik in der Schublade gelandet.
In Wahrheit wurden aber eben alle Hörspiele damit unterlegt.
Dreisterweise wurde auf den Inlays der Kassetten auch noch
vermerkt, die Musik stamme von einem gewissen Herrn Bert Brac -
einem virtuellen Pseudonym, das die wahre Herkunft der Musik
verschleiern sollte.
Als Bohn davon erfuhr, klagte er sich die Tantiemen ein, die das
Hörspiellabel nicht zahlen wollte. Alle Tonträger mit der Bohnmusik
wurden vom Markt genommen. Die Bohnmusik wurde entfernt und gegen
eine langweilige, gesichtslose AerobicStudioPowerstepper Musik
ersetzt. Und fortan gab es alle bereits erschienenen Hörspielfolgen
statt mit Bohnmusik nur noch mit eben dieser unbeschreiblichen
Fließbanddudelei.
Fazit: Wer die alten Kassetten (Gott sei Dank gibt es physische
Datenträger!!!) bei Ebay ersteigert, kann sich die originalen
Hörspiele mit original genialer Bohnmusik reinziehen.
Wäre das alles Online abgelaufen wären Kunstwerke der
Hörspielgeschichte nun ausgelöscht.
Ein besseres Beispiel, das zeigt, daß Ton und Bild nicht unbedingt
zusammen hängen. Als die erste Sync von Arielle, die Meerjungfrau
auf VHS durch die zweite ersetzt wurde, wurden alle VHS Datenträger
mit der ersten Syncversion so rigoros und schnell vom Markt
genommen, daß man schon fast Angstzustände bekam und an Zensur,
oder sonstwas dachte. Hier wurde extrem schnell eingezogen,
ausgetauscht. In einem Blitzkrieg des Marketing war plötzlich die
alte VHS-Sync Version spurlos verschwunden.
Spurlos?
Nein, denn auch wenn die Rechte an der Vermarktung der Erstversion
in Verbindung mit dem VHS Video ausgelaufen sind und daher die
zweite Version angefertigt werden mußte, da es für den Verkauf der
Erstsync nun keine Rechtsgrundlage gab, war es offensichtlich so,
daß die Erstsync auf dem Markt in Form von Hörspiel-CDs und
Kassetten weiterleben durfte.
Bin mir nicht sicher, ob das Originalhörspiel zu "Arielle" nicht
sogar HEUTE noch den Soundtrack der Erstsyncversion enthält - müßte
man mal prüfen.
Offenbar laufen die Rechte an der Sync in Verbindung mit dem Film
und die Rechte an der Sync in Verbindung mit einem reinen
Tondatenträgern auf zwei unterschiedlichen Vertragspapieren.
Und wer sich ein Fachbuch über Filmrecht kauft und liest, wird
sehen, daß das gar nicht so ungewöhnlich ist.
Argument: Lizenzprobleme. Film plötzlich in D gar nicht mehr
erhältlich.
Zitat:
Zitat von QuantumStorm
OK, das ist in der Tat ein Problem, aber wenn dem so ist, dann
bekommt man den Film in dem Land ja auch nicht auf DVD / BD. Grau-
und Importversionen lass ich da mal bewusst außen vor, denn es hat
auch nicht jeder die Möglichkeit sich diese zu besorgen.
Schon richtig, aber auch hier argumentiere ich wieder damit, daß es
den Film irgendwann mal frei käuflich gibt und er erst später durch
Lizenzprobleme vom Markt genommen wird. Physischer Datenträger: was
ich zuhause habe, kann mir keiner mehr wegnehmen. OnlineMediathek:
was weg ist ist weg.
Argument: Preise sonntags teuer, werktags billig.
Zitat:
Zitat von QuantumStorm
Da geb ich Dir in sofern Recht, als das die Preispolitik (wie im
Moment bei der BD) ziemliche Blüten treiben könnte, aber wie ich
schon geschrieben hab: Die Flatrate machts möglich. ;)
Die Flatrate ist nur der Kostenanteil, der für den Internetzugang,
nicht aber für das Nutzen der Filme gezahlt werden muß. Die
Filmnutzungsgebühr kommt noch dazu. Und hier wird dem Betreiber
wirklich jede Möglichkeit geboten, immer mehr einzusacken für immer
schlechtere Konditionen.
Argument: Quote nicht erreicht, Film raus!
Zitat:
Zitat von QuantumStorm
Nun ja, das hinkt insofern ein wenig, wei die Speichermöglichkeiten
in den nächsten Jahren sich nochmal verbessern werden, d.H. es gibt
eigentlich keinen Grund für das entfernen eines Filmes vom Server,
wenn der nur groß genug ist.
Das ist wahr. Aber auch da sagt sich der Betreiber. Eine
Festplatte, die sich dreht, verbraucht Strom und Platz und
Wartungsaufwand (Backups, Austausch etc.).
Und wenn darauf Filme sind, die kaum einer bucht und somit die
Kosten nicht reinkommen... weg damit.
Gerade historisch interessante, oder sehr gute, doch reichlich
unterschätzte Filme fliegen somit raus.
Argument: Werbung per BD-Java auch bei Bluray
Zitat:
Zitat von QuantumStorm
Wie man z.B. eine Cola Dose die der Protagonist in der Hand hält,
sich per Online Update in eine Pepsi Dose verwandelt (anderer
"Skin"). Auch könnten dann Werbeplakate im Film von heute auf
Morgen geändert werden.
Dies wäre auch mit einem fest auf der Disk gespeicheten Version
möglich, denn es ist ja auch nur eine Frage der Zeit, bis es BD mit
gaaaaaanz besonderen Features gibt, die aber nur in Playern mit
Internetzugang abspielbar sind.
Da geb ich Dir Recht, das macht mir auch Angst. Aber da vertrau ich
auf zwei Dinge. Nämlich daß die Hersteller der BD irgendwie in die
Pflicht genommen werden können, die BDs so herzustellen, daß man
den Internetzugang auch zwischendurch mal kappen kann - und dann
wars das mit der Pepsidose.
Und zweitens darauf, daß das Modell - so es kommt - bei den Käufern
so schlecht ankommt (mit Zurückgeben der Disks, Geld zurück und
sowas), daß die ganz schnell wieder von diesen Plänen
abrücken.
Wow, schon wieder so viel Text. Jetzt hätt ich glatt ein Buch
rausgeben können. ;)