Bei der Widescreenrevolution gab es einfach die unterschiedlichsten
Ansätze wie man am besten zum breiten Bild kommt:
Das Verfahren Techniscope ermöglichte zum Beispiel ein
Bildseitenverhältnis von 2,35:1 und reduzierte die Kosten des
Fimmaterials beim Dreh um 50 % (gegenüber normalem 4/3 Film),
außerdem machte es die Kameras handlicher und leiser (Filmkameras
sind mechanisch und rattern ziemlich vernehmlich, weshalb man sie
am Drehort in sehr dicke Schallschutzgehäuse packen muß, wenn man
in leiser Umgebung O-Ton aufnehmen will). Auf der anderen Seite
nutzt Techniscope von allen Widescreenverfahren die geringste
Negativfläche. Lichtunempfindliches, feinkörniges, hochauflösendes
Filmmaterial ist hier also oberstes Gebot - Nachtszenen müssen
extrem gut ausgeleuchtet sein.
Cinemascope hingegen erlaubt Bildseitenverhältnisse von bis zu
2,66:1, kostet aber doppelt so viel Material wie Techniscope, die
Objektive und Kameras sind riesig, sehr schwer und sehr laut und
das Ergebnis steht und fällt mit dem exakten Justieren des
Anamorphots. Andererseits nutzt Cinemascope die volle
4/3-Negativfläche von 35 mm Film. Das Bild wirkt dadurch
automatisch feinkörniger. Dafür sind die Scopeoptiken anfälliger
gegen Streulicht, haben meist weniger Kontrast, et cetera.
Widescreen 1,66 kann auf 35 mm 3-perf aufgenommen werden und
erspart etwa 33 % Filmmaterial gegenüber 4/3 oder Cinemascope. Die
Kameras sind etwas leiser, leichter, handlicher, die Objektive
kleiner. Andererseits wirkt 1,66:1 auf großer Leinwand lange nicht
so beeindruckend in seiner Panoramawirkung wie ein 2,35:1.
VistaVision ist nativ 1,5:1 - wird aber nie in 1,5:1 ausgewertet,
sondern schon in erster Instanz auf 1,66 oder 1,85:1 umkopiert.
Würde man es in 1,5:1 zeigen, wären sehr oft mal Mikrofone oben im
Bild sichtbar. VistaVision lebt also davon, dass grundsätzlich mehr
aufgezeichnet wird, als dann später im Film gezeigt wird.
VistaVision Kameras sind sehr laut, verbrauchen doppelt so viel
Filmmaterial wie 4/3 oder Cinemascope, sind klobig und mit
entsprechendem Schallschutzgehäuse unfassbar schwer und unhandlich.
Auf der anderen Seite eignet sich das Bild aufgrund seiner hohen
Qualität, die wiederum mit der großen Negativfläche zusammenhängt
hervorragend zum Blow Up auf 70 mm Film, auf dem es dann in
2,20~2,25:1 auf die Leinwand kommt. Auch lassen sich
Cinemascopische "Reductionprints" in 2,35:1 anfertigen, oder
sphärisches Widescreen in 1,85 oder 1,66:1. Aufgrund der Tatsache,
dass VistaVision so viel Filmmaterial benötigt, ist es aber ein
sehr exotisches Format, das nur selten Anwendung fand
(hauptsächlich 60er Jahre).
Technirama löst das Problem, das VistaVision mit der Umkopierung
auf breites 2,35:1 hat. Bei VistaVision Aufnahme (nativ in 1,5:1)
muß ja oben und unten recht viel weggeschnitten werden, damit man
von 1,5:1 auf 2,35:1 kommt, wodurch sehr viel wertvolle Fläche
verloren geht. Deshalb bedient sich Technirama eines Anamorphoten
(hier gibt es diverse Verfahren mit diversen
Streckungs/Stauchungsfaktoren) um aus dem Negativ (das die selben
Abmessungen wie VistaVision hat) ein breitwandigeres Bild zu
erzeugen bei gleichzeitigem Flächenerhalt. Technirama hat (je nach
verwendetem Anamorphot) 2,25~2,55:1 NATIV (und entzerrt)! Braucht
aber - genau wie VistaVision ebenfalls doppelt so viel Filmmaterial
wie Cinemascope, oder 4/3.
70 mm Film 5-perf benötigt ein (fast) doppelt so breites Filmband
bei der Aufnahme und dazu auch noch etwa 25 % mehr Filmlänge. Macht
summa summarum (Länge mal Breite mal Dicke des Films =
Rohstoff-Masse = Geld) etwa 2,5 mal so viel Filmmaterialkosten wie
für 4/3 oder Cinemascope. Liefert aber die beste Bildqualität aller
bisher besprochenen Formate. Wobei die
Kameras dann so unhandlich und laut sind, dass die O-Tonaufnahme
nur unter extremsten Bedingungen zustande kommen kann und die
Kameras so schwer und groß sind, dass der Kameramann mit dieser
nicht mal eben mit der Hand durch die Kulisse rennen kann, da
solche Monster im allgemeinen dann (voll bestückt mit Schallschutz
usw.) das Gewicht eines Konzertflügels toppen können.
IMAX Kameras sind im übrigen Kameras, die mit 70 bzw. 65 mm Film im
15-perf Verfahren aufzeichnen - für diese erhöht sich der
Filmmaterial (= Geld) Aufwand noch einmal um den Faktor 3 gegenüber
normaler 70 mm 5-perf Aufnahme bzw. ca. Faktor 8 gegenüber
Cinemascope oder klassischem 4/3. Nebenbei sind die IMAX Kameras so
laut - selbst mit Schallschutz, dass IMAX Filme eigentlich IMMER
nachvertont werden müssen, da der O-Ton deutlich wahrnehmbares
Rattern beinhalten würde. Im besten Fall wird am Set die Szene
zweimal gespielt - einmal läuft die Kamera ratternd mit, und das
zweite mal nur ein Tonaufzeichnungsgerät - Kamera bleibt aus. Dann
wird versucht den Ton der zweiten Aufnahme durch geschickten
Schnitt und Manipulation möglichst exakt auf das Bild des IMAX
Streifens anzupassen. Höllisch aufwendig. Aber man gönnt sich ja
sonst nichts. Die Bildqualität ist über jeden Zweifel erhalten.
Vielleicht das qualitativ beste Verfahren... wobei...
Dann hätten wir noch Cinerama. Bei diesem Verfahren mit Bildbreiten
von knapp 3:1 werden drei Filmstreifen gleichzeitig belichtet. Und
die drei Bilder auf der Leinwand nebeneinander projiziert, so dass
sie sich zu einem einzigen verschmelzen. Funktioniert ungefähr so
wie das Stitchen eines Panoramas bei Digitalfotokameras - nur ohne
digital und mit Film statt Foto - und ohne Softwaretechnische
Hilfsmittel.
Die Qualität ist fantastisch - nur der Filmmaterialverbrauch immens
und um Faktor 4,5 höher als bei normalem 4/3 oder Cinemascope. Mal
abgesehen von dem extrem hohen Aufwand drei Kameras immer exakt so
auszurichten, dass der rechte Bildrand des einen Bildes an den
linken Rand des nächsten Bildes grenzt usw.
Cinerama erzeugt panoramenartige Breitbilder, die (zwar nicht in
ihrer Fläche, aber in der Breite) genau so gut aufgelöst sein
können wie IMAX 15/70. Und das bei geringeren Materialkosten.
Allerdings: immer 3 Kameras für EIN Bild und 3 Projektoren für EIN
Bild.
Also - welche Technik ist denn nun die beste? Jede hat Vor- und
Nachteile. Jede liefert unterschiedlich breite Bilder im
Ergebnis.
Es war ein harter Kampf. Viele Formate sind verloren gegangen und
haben sich nicht durchgesetzt. Weder VistaVision, noch Technirama,
noch 70 mm 5-perf, oder 8 oder 10-oder 15-perf, weder der unsäglich
seltene 55 mm Film, noch 2,55:1 Scope mit 4 Kanal Magnetton, oder
Todd AO, Cinemiracle, Showscan, oder, oder, oder.
Geblieben ist eine Hand voll von Formaten, die heute noch verwendet
werden:
1,66
(1,75 / 1,78)
1,85
2,10~2,15
2,20~2,25
2,35~2,40
und Schluß.