Nachdem ich gestern den Film nochmal gesehen habe, muss ich einen
Kritikpunkt revidieren: Wiederschauwert ist doch vorhanden und
fällt m.E. nicht zu gering aus. Auch beim zweiten Mal hat sich
dieses unheimlich beklemmende Gefühl der Hilflosigkeit wieder
ausgebreitet. Und obwohl ich nun natürlich wusste, was als nächstes
passiert, war es wieder extrem spannend. Insbesondere die Szenen
zum Ende des Films hin, als Rumpf des Kutters unter Beschuss gerät
und die dort gefangenen Soldaten zunehmend irrational
agieren.
Zwei Kleinigkeiten sind mir jedoch beim zweiten Gucken stärker
aufgefallen, weil ich nun auch ein wenig genauer drauf geachtet
habe. Zum einen die fehlende digitale Nachbearbeitung des Stadt-
und Strandbildes, die McFly in seiner Kritik bereits schon
angesprochen hat. Es gibt im Hintergrund doch ein paar Gebäude zu
sehen, die nicht unbedingt nach zeitgenössischen Jahren aussehen.
Kann man zwar verschmerzen, aber mit den heutigen technischen
Mitteln wäre es wohl ohne viel Aufwand möglich gewesen, hier und da
ein wenig nachzuhelfen. Der andere minimale Kritikpunkt: Die
Wetterwechsel in den "Mole" Szenen. Mir ist bewusst, dass es hier
Zeitsprünge gibt; aber irgendwie passt in den ersten Minuten, die
von dem Beschuss in der Gasse bis zur Verladung des Verwundeten auf
das Schiff in Echtzeit ablaufen, das Wetter nicht zusammen. Als
Tommy erstmals den Strand betritt, ist das Wetter freundlich und
sonnig. Mit "Gibson" und dem Verletzten auf dem Weg zur Mole jedoch
ist See sehr stürmisch und der Himmel wolkenverhangen. Mehr noch,
als sie das Sanitätsschiff erreichen. An der Küste kann sich das
Wetter zwar schnell verändern, aber das wirkte ein wenig
unglaubwürdig auf mich. Entweder es hatte dramaturgische Gründe
oder ich habe am Ende doch einen Zeitsprung verpasst?! Wie dem auch
sei, das ist freilich nur ein kleiner Kritikpunkt.
Nun noch kurz zum Bild und Ton, im Vergleich zur IMAX-Vorstellung.
Letztere hatte das schärfere, wesentlich hellere Bild. Ganz
eindeutig. Die zusätzlichen Bildinformationen waren zwar nett, aber
der Film hat auch auf der "normalen" Kinoleinwand sehr gut
funktioniert. Einzig bei den (groß-groß-großartigen!)
Luftkampfszenen habe ich mir gedacht "Mensch, die waren im IMAX
aber
noch besser!". Einfach, weil man noch mehr von der
Weite des Meeres und offenen Himmels wahrgenommen hat. Ganz
interessant war zudem, dass man Collins Notwasserung, wie man sie
aus der Perspektive Farriers (Tom Hardy) sieht, in der regulären
Vorstellung nur die Spitze des zu Hilfe eilenden Bootes am obersten
Rand der Leinwand sieht - während im IMAX-Format auch das Boot noch
komplett abgebildet war. Das ist meines Erachtens aber auch der
eklatanteste Unterschied zwischen den beiden Fassungen
gewesen.
Soundtechnisch hat mir die gestrige Vorstellung definitiv besser
gefallen, als am WE in Karlsruhe. Die Motorengeräusche der
Spitfires und Heinkel-Bomber, das Stuka-Gebrüll, die peitschenden
Gewehrschüsse, das metallische Klirren von Projektilen, berstendes
Holz, das Stimmengewirr ... absolut fantastisch und erschreckend
real (soweit ich das eben beurteilen kann). Da hat es mich richtig
in den Sitz gedrückt. Könnte mir sehr gut vorstellen, dass die
unkomprimierte Audiospur auf der Blu-Ray das Zeug zur Referenz
haben wird.
Um es jetzt zum Abschluss zu bringen: An meiner Wertung von
starken 9/10 Punkten ändert sich durch den gestrigen
Kinobesuch nichts.
Dunkirk ist ein extrem packender,
technisch überragender und hervorragend inszenierter Film.
Beeindruckend sind im kleinen die Details (man denke nur an die
Vibrationen im Cockpit bei den Flugmanövern), im großen die
Kameraeinstellungen . Nicht zuletzt - und da wiederhole ich mich
gerne - machen die Schauspieler durch die Bank durch einen
fantastischen Job. Ich könnte sie deswegen alle aufzählen, aber am
meisten beeindruckt hat mich einmal mehr Tom Hardy. Wegen der
Flieger- und Atemmaske muss er für die meiste Zeit sämtliche
Gefühlsregungen über die Augenpartie ausdrücken. Dies gelingt ihm
so überzeugend, dass es keiner vielen Worte bedarf, um zu
verstehen, was jeweils gerade in ihm vorgeht. Meine Herren, das ist
schlicht und ergreifend eine mitreißende
Schauspielerleistung.
Nicht vergessen zu erwähnen möchte ich in meinem zweiten Kommentar
zum Film aber auch nicht, dass man bei all dieser audiovisuellen
Überwältigung doch sehr deutlich mit dem Horror des Krieges und
hier im speziellen der Evakuierung von Dünkirchen konfrontiert
wird. Gerade die Darstellung des Untergangs des torpedierten
Schiffes in nächtlicher Dunkelheit macht den Film beinahe zu einem
Horrorfilm; auch die Verzweiflung und Todesangst, die Männer dazu
bringt, in die tosende See zu springen, um nach Hause zu
schwimmen, ist in der Konsequenz definitiv nichts für
Zartbesaitete. In diesen Szenen zeigt sich eben, dass Krieg nicht
allein aus großen Schlachten besteht, sondern auch eine - und
vielleicht noch größere - psychologisch-zermürbende Seite hat.
Diese Darstellung ist Christopher Nolan in
Dunkirk
eindrucksvoll geglückt.