Technisch ein Meisterwerk, keine Frage. Aber es gibt für einen Film dieser Liga Mängel, die offensichtlich sind. Hier die drei Schlimmsten:
1. Mitten in der Schlacht gegen das Tulkunfänger-Schiff ist Jake Sullys Familie plötzlich ganz allein auf sich gestellt. Der Metkayina-Stamm, welcher in der ersten Angriffsphase noch mitgeholfen hat, ist spurlos verschwunden. Und es gibt dafür keinerlei Erklärung. Die sind einfach weg. Totalversagen der Drehbuchautoren.
2. Als Neytiri mit ein paar befreiten Kindern vom Schiff flüchten will, entzündet sich auf dem Wasser ausgelaufener Treibstoff. Was tut nun Neytiri, die mit ihrer Familie wochen- oder monatelang am Meer gelebt, Traditionen der Metkayina studiert und fleissig das Tauchen gelernt hat? Sie flüchtet zurück aufs untergehende Schiff. Wohl aus rein dramaturgischen Gründen, damit man noch ein wenig Spannung reinzaubern kann. Halten die das Publikum wirklich für so dumm? Ein bis zwei Minuten munter Richtung Ufer getaucht, so hätte man das Feuer problemlos hinter sich lassen können. Aber man wählt lieber die Titanic-Variante...
3. Jake Sully stirbt nach dem Schlusskampf gegen Quaritch beinahe wegen Atemnot. Glücklicherweise erhält er HIlfe und erreicht gerade noch rechtzeitig die Meeresoberfläche. Der besiegte Quaritch hingegen, der ohnmächtig auf den Meeresgrund gesunken ist, wird von Spider entdeckt, und nach längerem Überlegen ans Ufer gebracht. Während Sully kurz vor dem Ertrinken stand, gelten für einen Bösewicht wie Quaritch wahrscheinlich andere Gesetze. Ohnmächtig überlebt er die gefühlt doppelte oder dreifache Zeit unter Wasser - ganz ohne Reanimation. Das ist mal ein Avatar!
Diskutieren kann man auch über die Entscheidung, den alten Bösewicht nochmals in Teil 2 zu verwenden. Oder die magere Erklärung, dass Grace aus Teil 1 schwanger war und eine Tochter namens Kiri geboren hat - wie geht das denn? Sie ist in Teil 1 gestorben und war zu keinem Zeitpunkt vorher schwanger. Plötzlich schwimmt sie in der Fortsetzung postmortal in einem Tank und bringt tot ein Kind zur Welt? Und Spider rettet den Mörder seines Adoptivbruders? Den Mann, der Einheimische mit dem Tode bedroht und ganze Dörfer abfackelt? Einfach, weil seine Adoptivmama nach dem Tod ihres Erstgeborenen etwas irre in die Gegend blickt?
Auch die ganze Storyline erinnert an Teil 1, nur mit neuen Schauplätzen und Kulturen. Aber auf den Punkt gebracht: wieder ist die Menschheit mehrheitlich böse, zerstört Fauna und Flora auf Pandora aus Profitgründen, misshandelt und jagt Indigene - und am Schluss gibt es den grossen, langen Kampf. Das ist eigentlich nichts Anderes als das, was auch mit Star Wars (Teil 7-9) geschehen ist: aus Angst vor Neuerungen hat man auf Bewährtes gesetzt und recycelt, was das Zeug hält, ohne Mut und Fantasie für eine wirklich gute Geschichte und spannende, neue Charaktere. Das führte zum Super-Gau im Star-Wars-Universum. Und auch in Avatar 2 läuft inhaltlich eigentlich dasselbe ab wie im ersten Teil - nur viel länger und tatsächlich auch langweiliger. Die Dramaturgie hält in keiner Art und Weise mit der technischen Brillanz mit, die Originalität in der visuellen Umsetzung hätte auch dem Drehbuch gut getan.
Der Film ist nicht schlecht, aber leider auch bei weitem nicht so gut, wie es Avatar 2 hätte werden können. Fehler wie bei B- und C-Movies haben in so einer Produktion nichts zu suchen. Dass die meisten Unstimmigkeiten im letzten Teil auftreten und sich häufen, reisst mich als Zuschauer völlig aus dem Geschehen heraus. Zu wenig Figurenentwicklung und Tiefgang - das war in Avatar 1 noch gänzlich anders. Der erste Teil bleibt für mich das Mass der Dinge, und ich hoffe, dass in Teil 3 wieder mehr Sorgfalt auf die Geschichte gelegt wird.
Bild und Ton einwandfrei, da kann man nicht jammern. Bei Disney Plus auch schon die 4K-Version gesehen, wunderbare Sache - rettet den Film leider trotzdem nicht.
bewertet am 30.01.24 um 18:11