Soundtrack Review #1: The Fountain
7. August 2010In meiner Review zum Film habe ich es schon angedroht: es gibt Filme mit einem derartig guten Soundtrack, daß man diesen einfach gesondert betrachten muß. Darren Aronofskys angestammter Musiklieferant Clint Mansell hat auch bei dessen dritten Film "The Fountain" mitgewirkt. Heraus kam Musik, die auch ohne Film in hohem Maße genießbar ist...
Details:
Komponist | Clint Mansell |
Interpreten | Kronos Quartet & Mogwai |
Länge | 46 Minuten |
Label / Katalognr. | Nonesuch (Warner) 7559-79901-2 |
SPARS Code | DDD |
Auszeichnungen | 2006 Best Original Score (Chicago Film Critics Association) 2006 Best Original Soundtrack of the Year (World Soundtrack Academy) 2006 nominiert für Golden Globe Award for Best Original Score (Hollywood Foreign Press Association) |
Tracks | The Last Man (6:48) Holy Dread! (3:52) Tree of Life (3:45) Stay With Me (3:36) Death is a Disease (2:34) Xibalba (5:23) First Snow (3:09) Finish It (4:25) Death is the Road to Awe (8:26) Together We Will Live Forever (5:00) |
Musik (5/5):
Die Blu-ray-Ausgabe von "The Fountain" bietet im Extramaterial knapp 29 Minuten des Soundtracks an, zusammen mit dem originalen Filmmaterial in HD-Auflösung. Dadurch erhält man die seltene Gelegenheit, die Musik gleich mit der entsprechenden Szene zu erleben, für die sie eigentlich geschrieben wurde. Dabei läßt sich zunächst ein auf den ersten Blick erstaunlicher Umstand feststellen: Im Film treten Personen in drei Zeitaltern auf, die insgesamt 1000 Jahre auseinanderliegen. Ein naheliegender Ansatz wäre gewesen, für jedes Zeitalter eine eigene Musik zu schreiben, zumal auch so gedreht wurde: Erst wurde ein Zeitalter komplett abgedreht, bevor man zum chronologisch nächsten übergeht. Wer sich Hugh Jackmans Frisuren in der jeweiligen Zeit vergegenwärtigt, versteht auch sofort warum so verfahren wurde.
Im fertigen Film erlebt man aber immer wieder Vor- und Rückblenden sowie Überblendungen selbst partieller Bildinhalte, die von einem Zeitalter ins andere führen. Eine Musik, die solche Wechsel konsequent begleiten würde, müßte zwangsläufig in einer Kakophonie enden, auch wenn thematisch Verbindungen bestünden. |
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Statt dessen aber gibt es einige Motive wie das oben wiedergegebene "Memory Theme" aus dem großartigen Stück "Together We Will Live Forever", die sich durch den ganzen Film in entsprechenden Variationen ziehen. Die Musik wirkt also als ein kohärent Ganzes, das alle Zeitalter umschließt. Daß dies letztendlich auch stimmig mit der Filmaussage ist, merkt der Zuschauer aber erst gegen Ende. (Vielleicht nicht gleich beim ersten Mal, aber der Film kann und sollte öfter geschaut werden...) |
Greifen wir exemplarisch zwei Stücke heraus. (ACHTUNG: Spoilergefahr. Ansonsten die eingerückten Absätze überspringen.)
- First Snow
Die Musik zum ersten Schneefall in der Gegenwart. Als das Thema einsetzt, sieht man Izzi in der Badewanne, Tommy kniet am Rand. Izzy bittet um heißes Wasser, obwohl man schon den Dampf heraufziehen sieht. Es sind Taubheitsgefühle, das Entsetzen der beiden findet seine Entsprechung in der Musik: Das Thema wird mit mehr Intensität gespielt, das Cello fängt die Verzweiflung der beiden ein und steigert sich noch weiter, als Tommy in die Wanne gezogen wird und sie leidenschaftliche Küsse angesichts Izzis drohendem Schicksal austauschen.
- Death is the Road to Awe
Eines der Kernstücke, das Sterben und Tod im Sinne nach dem mythischen Verständnis der Mayas thematisiert und durch alle Zeitalter läuft. Das Klavier spielt solo eine Melodie zu einer Szene der Gegenwart: Tommy schlägt die Bitte Izzis aus, einen Spaziergang in den ersten Schnee zu unternehmen und läuft stattdessen ins Labor. Das Thema setzt mit Streichern ein, während in die Zukunft überblendet wird, in der Tom am Baum des Lebens entlang nach oben schwebt und sich in einer eigenen Sphäre buddhahaft in den Lotussitz begibt. Die Musik wird beschleunigt, mehr Instrumente setzen ein und wir sehen den gottgleichen Tom, wie er schwebend dem Maya-Häuptling erscheint und dieser in ihm den Ersten Vater der Schöpfung erkennt. Der Häuptling bietet seinen Hals an und Konquistador Thomas schneidet ihm die Kehle durch. Daraufhin verstummt die Musik fast, Thomas geht durch den nun nicht mehr bewachten Durchgang hindurch zum Baum des Lebens, sticht mit dem Dolch hinein, sieht die Wirkung des herauslaufenden Safts, während die Musik das Thema wieder verstärkt aufgreift. Als Thomas den Saft trinkt, steigert sich die Musik durch hinzutretende Trommeln und Glocken. Die Maya-Legende erfüllt sich und aus Thomas sprießen Pflanzen heraus, aus ihm wächst der Lebensbaum. Wieder setzt die Musik fast aus, zusammen mit einer weiteren Überblendung in die Zukunft. Dann erstrahlt alles, die Musik bekommt einen hoheitlichen feierlichen Charakter, während Tom nach oben getragen wird, Bläser und Chor setzen ein, als er in Xibalba eingeht, der Baum des Lebens aus ihm hervorbricht und somit die Ehrfurcht (awe) musikalisch versinnbildlicht ist.
Im Gegensatz zu den meisten Soundtracks entstand dieser nicht erst nach der Produktion des Films, sondern begleitend. Schon bei den ersten beiden Filmen Aronofskys, Pi (1998) und Requiem for a Dream (2000) etablierte sich diese Arbeitsweise, bei der Aronofsky und Mansell immer wieder neu geschriebenes Material anhörten und daraufhin überprüften, ob es die Stimmung des Films einfängt, selbst wenn es anfangs nichts anderes als ein Drehbuch gab! Da sich die Arbeiten an The Fountain über sechs Jahre hinzogen, kam auch bei Mansell im Laufe der Zeit sehr viel Musik zusammen. Daraufhin setzte er mit einem Kollegen einen Prozeß in Gang, den man eigentlich nur als musikalisches Destillieren bezeichnen kann: sie brachen alles bis auf die bloßen Sequenzen und Melodien herunter und bestimmten dann eine Tonart, bei der jede Melodie mit jeder Sequenz harmonisch zusammenwirkt. Anschließend setzten sie die Sequenzen zu einzelnen Tracks passend zu Szenen des Films zusammen. Auch dieser Prozeß ist ein Indiz, warum ein gleichermaßen dichter wie thematisch einheitlicher Soundtrack entstanden ist.
Fazit:
Dieser emotionale Soundtrack hat eine Bandbreite von fast minimalistischer Klaviermusik bis hin zu groß angelegter Musik in Orchesterstärke. Er paßt zur Liebesgeschichte von Tommy und Izzi genauso wie er die großen Themen um Tod und Sterben illustriert. Intensive Musik, in den meist eher leisen wie auch lauten Passagen, durch das weltberühmte Kronos Quartet (2 Geigen, 1 Bratsche, 1 Cello) meisterhaft intoniert und vortrefflich begleitet durch die schottische Postrock-Band Mogwai.
Auch in technischer Hinsicht gibt es nichts zu mäkeln: eine saubere, durchgängig digitale Aufnahme mit großem Dynamikumfang.
Kaufempfehlung (***/***):
Daraus leitet sich eine dicke Kaufempfehlung ab. Man muß den Film dazu nicht wirklich verstehen oder mögen, weil die Musik auch sehr gut für sich stehen kann. Aber im Kontext des Films transportiert sie enorm viel Gefühl und sorgt durch ihre Kohärenz unterschwellig auch für ein besseres Verständnis dieses genauso kryptischen wie visuell herausragenden Films. Dank an die Herren Aronofsky und Mansell. Da capo!
BD-Review #15: The Fountain
6. August 2010Wer will schon gerne sterben? In “The Fountain” zeigt Regisseur Darren Aronofsky erstaunlich unterschiedliche Ansätze, wie man sich dieser Frage stellen kann, obwohl doch alle auf der gleichen mythischen Grundlage beruhen.
Details:
Sprachen | Englisch (DTS HD MA 5.1), Deutsch (DTS HD MA 5.1) |
Untertitel | Deutsch |
Bildformat | 1080p HD-Widescreen, 1.85:1 |
Altersfreigabe | ab 12 Jahren |
Länge | 97 Minuten |
Extramaterial |
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Film (5/5):
16. Jahrhundert: Der Konquistador Tomas sucht im Auftrag seiner Königin bei den Maya nach dem Elixier der Unsterblichkeit vom Baum des Lebens.
21. Jahrhundert: Der Neurowissenschaftler Tommy Creo kämpft um das Leben seiner an einem Hirntumor erkrankten Frau Izzi. Er forscht fieberhaft an einem Heilmittel, um den Krebs zu besiegen.
26. Jahrhundert: Tom befindet sich in einer transzendenten Sphäre zwischen Raum und Zeit, auf der Suche nach Antworten auf die letzten Fragen.
Drei Zeitalter, miteinander verwoben, erzählt aus der Perspektive eines Mannes, Tomas/Tommy/Tom (gespielt von Hugh Jackman). Vielschichtig, sich überlagernd, mit ständigen Zeitwechseln - keine leichte Kost, die uns Aronofsky da zumutet, auch wenn sie in wunderschönen Bildern verpackt ist. Vordergründig die ergreifende Geschichte einer großen Liebe in der Gegenwart, die zwischen Tommy und seiner krebskranken Frau Izzi (Rachel Weisz). In der Überzeugung, daß der Tod letztlich auch nur eine Krankheit sei, forscht Tommy fieberhaft nach Mitteln, um seine Frau vom Tumor zu befreien und darüber hinaus auch den Tod zu besiegen. Izzi begegnet ihrem Schicksal anders: Durch ihre Beschäftigung mit der Maya-Kultur weiß sie, daß der Tod dort als Schöpfungsmythos begriffen wird: der Urvater hat sich geopfert, um die Welt zu erschaffen und aus ihm sprießt der Baum des Lebens – „Der Tod ist der Weg zur Ehrfurcht“ heißt es bei den Maya.
Genau diesen Baum sucht Konquistador Thomas fünf Jahrhunderte früher und begegnet auf seiner Suche dem Bewahrer eines großen Geheimnisses. Antworten auf die Fragen, die sich um dieses Geheimnis ranken, sucht auch der zukünftige Tom, der sich in einem durchsichtigen, "ökosphärischen" Raumschiff auf der Reise nach Xibalba befindet, ein Nebel um einen sterbenden Stern. Xibalba, so nannten die Maya ihre Unterwelt, der Ort, an dem ihre Seelen wiedergeboren werden. In dieser lichtduchfluteten Sphäre verschwimmen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Aronofsky läßt uns im Unklaren, ob es wirklich ein Zeitreisender ist, dem wir in gleicher körperlicher Gestalt über 1000 Jahre hinweg begegnen oder aber drei verschiedene Teile der gleichen Person. Etwas Konquistadorenhaftes findet sich in jeder Personifizierung, wie auch deren Streben nach Unsterblichkeit. Aber ob dies dann ein ewiges Leben im Diesseits ist oder die Unsterblichkeit sich erst im Tod offenbart, wird naturgemäß nicht beantwortet.
Sich grundlegenden Fragen des Menschseins auf filmische Weise so nähern zu können, ohne auf die Ebene des Kitsch abzugleiten, ist eine der großen Leistungen von "The Fountain". Er ist nicht zu Unrecht schon mit Kubricks 2001 verglichen worden, denn neben der philosophischen Themenstellung erinnert auch die Bildsprache an den Altmeister. Auf dieser Reise von der Dunkelheit zum Licht (analog: von der Sterblichkeit zum ewigen Leben) begleitet Aronofsky uns mit durchkomponierten Bildern von großer Kraft und Schönheit. In der Art und Weise, wie Erzählebenen in Wort und Bild zusammenfließen und sich überlagern, ist es aber doch ein typisches Stilmittel dieses Regisseurs.
Die schauspielerischen Leistungen sind zudem exzellent: Hugh Jackman und Rachel Weisz verkörpern je drei Charaktere, die doch letztendlich Facetten jeweils einer Persönlichkeit sind. Eine schwierige Gratwanderung, die aber sehr gut gelungen ist.
Bild (3,5/5):
Ein knackscharfes Bild zu erzeugen war offensichtlich weder bei der Regie noch beim Transfer auf Blu-ray höchstes Ziel. Leichte Körnung zieht sich durch den ganzen Film und manche Stellen wirken aufgrund der weichen Ausleuchtung geradezu verwaschen – was aber beabsichtigt ist und gut zum traumartigen Charakter mancher Szenen paßt. Das wird deutlich etwa in den Einstellungen, in denen Konquistador Tomas sich aus dem dunkleren Säulengang des Palastes heraus auf seine Königin zubewegt, die in hellem Licht und glänzender Kleidung erscheint. Auch in vielen Szenen aus der Zukunft läßt sich dies beobachten, wenn Toms Raumschiff dem Nebel entgegenstrebt. Nur in den dunkleren Passagen des Films, so zu Beginn beim Kampf der Konquistadoren gegen die Mayas, vermißt man wirklich ein schärferes Bild, hier gehen Details wie etwa das Gehölz am Boden verloren, was auch den eher schlechten Schwarzwert illustriert. Hier ein entsprechender nicht-skalierter Bildausschnitt:
Ton (3,5/5):
In diesem nicht gerade actionlastigen Film wird an Surroundeffekten gespart, alle Dialoge sind allerdings sehr gut aufgelöst und verständlich. Zudem fügt sich die Musik wunderbar ein, der Soundtrack (wieder von Clint Mansell komponiert) ist eine eigene Rezension wert. Wie schon bei beim Vorgänger „Requiem for a Dream“ setzt hier das weltbekannte Kronos Quartet Akzente, diesmal in Zusammenarbeit mit der schottischen Band Mogwai.
Die deutsche Synchronisation klingt etwas flacher, aber akzeptabel. Nicht hinnehmbar ist ein peinlicher Patzer, denn eine Stelle ist falsch synchronisiert: Statt „Baum des Lebens“ wird „Baum der Erkenntnis“ verwendet (43. Minute). Mit den Sprachspuren Deutsch und Englisch sowie deutschen Untertiteln beschränkt sich diese Ausgabe aufs Allernötigste. Auch die sonst allgegenwärtige Kommentierung des Films fehlt. Schade, denn bei diesem eher kryptischen Machwerk hätte man den Beteiligten gerne zugehört.
Extras (4/5):
Umfangreiches Material erwartet alle Neugierigen. In mehreren Interviews und dem Making of erfährt man etwa mehr darüber, warum es den Film beinahe nicht gegeben hätte oder daß Hugh Jackman für diese Rolle auch wochenlang vor Aronofskys Haus campiert hätte. Spezielle Erwähnung findet auch das Wie und Warum der verwendeten Lichttechnik. Ein viertelstündiger Storyboard-Film-Vergleich bezieht nicht nur Skizzen mit ein, sondern interessanterweise auch texturlose CG-Animationen. Außerdem lassen sich größere Teile der Filmmusik konzentriert genießen, unterlegt mit dem passenden Bildmaterial in HD-Auflösung. Ansonsten beschränkt sich das Bonusmaterial mit Ausnahme des Kinotrailers wieder mal auf die Standardauflösung. Aber selbst mit den zahlreichen Extras werden die offenen Fragen des Zuschauers nicht gelöst. Das lag jedoch auch wohl kaum in der Absicht Aronofskys.
Eigentlich keine Erwähnung finden sollte das "Angebot" von Kinowelt via BD-Live. Das ist nicht wirklich deren Ernst, oder? Siehe hier:
BD-Kaufbewertung (***/***):
Eigentlich ein eher "europäischer" Film, mit dem sicher nicht alle zurechtkommen werden. Thematik, Komplexität sowie ständiges Vor- und Zurückblenden fordern den Zuschauer heraus und laden gleichzeitig zum mehrmaligen Sehen ein. Belohnt wird man mit einem stimmigen Werk, voll visionärer Kraft und tiefgründigen Betrachtungen. Die Altersfreigabe ist hingegen Augenwischerei: Selbst mit 16 Jahren ist nicht jeder soweit, diesen Film erfassen zu können.
Diese Ausgabe auf Blu-ray ist insgesamt ein gutes reichhaltiges Paket, auch wenn man bei Sprachen und Untertitel eher geknausert hat. Bild- und Tonqualität gehen in Ordnung, denn dies ist kein Blockbuster und viele visuelle Effekte sind gewollt.
Trailer (HD):
Therefore, the Lord God banished Adam and Eve from the Garden of Eden and placed a flaming sword to protect the tree of life.
Genesis 3,24
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