7 Nights in Istanbul... und zurück in die Zivilisation
17. Juli 2010
Ein Reisebericht eines enttäuschten Urlaubers
(Nach langer Zeit mal wieder ein Blogeintrag von mir, der meinen letzten Urlaub zum Thema hat)
Als ich Ende Mai meinen ersten Urlaub nach vier Jahren gebucht habe – damals war es Schottland, zufälligerweise auch zur WM – war ich voller Vorfreude und das Fernweh hat schon in den Schuhen gedrückt. Es sollte nach Istanbul gehen, nicht in den Süden der Türkei, wo ich sowieso nur in der Sonne gelegen hätte. Ich liebe Großstädte und war schon von Tokyo 2005 endlos begeistert; eine Stadt in der man an jeder Straßenecke etwas Neues entdeckt.
Für gewöhnlich ist es mir egal, ob ich alleine in den Urlaub fahre oder mit einem Freund. Da ich durchaus selbstständig solch eine Reise organisieren kann und drüben etwas mit meiner Zeit anzufangen weiss, habe ich mich diesmal dafür entschieden, die Stadt auf eigene Faust zu erkunden. Mal den Kopf frei kriegen und ein fremdes Land "erforschen".
Meine Reise sollte in Münster beginnen. Von da aus ging es mit dem Zug nach Dortmund und vom Bahnhof Holzwickede mit dem Bus zum Flughafen Dortmund. Von Dortmund ging es dann nach Istanbul, zum Sabiha Gökçen Airport. Dass sich meine Reise mehr oder weniger anders als gedacht entwickelt, habe ich schon in den ersten Stunden gemerkt.
Wenn ich schon einen Urlaub buche, will ich Abenteuer und etwas erleben, durch entlegende Straßen gehen, Leute kennenlernen und eine unvergessliche Zeit haben. Nachdem ich zufälligerweise bereits in Dortmund einen Türken getroffen hatte, war der Anfang des Abenteuers etwas einfacher, da er mich direkt nach Ankunft in ein Taxi gesetzt hat. Während der etwa einstündigen Fahrt habe ich die ersten Probleme dieser Stadt/dieses Landes kennengelernt: die kranke Fahrweise der Türken und die mangelnden Englischkenntnisse. Bis heute habe ich keine Ahnung, was mir der Taxifahrer erzählen wollte; auch mit Handzeichen kam ich nicht wirklich weiter. Die Türken scheinen so auf ihr Land fixiert, dass sie es nicht für nötig halten, Englisch oder eine andere Sprache zu lernen, die ich wenigstens im Ansatz hätte verstehen können. Problematisch wird auch das Aussprechen und Lernen der Orts- und Straßennahmen.
Die mangelnden Kenntnisse für andere Sprachen ziehen sich durch die komplette Stadt. Erst wenn sich irgendwelche aufdringlichen Menschen an dich heranschleichen, dir von Gott und der Welt erzählen und letztenendes doch nur keine Knete wollen, egal ob Euro oder Lire, dann können sie es auf einmal: ENGLISCH. Selbst wenn man sie ignoriert, sie sind so penetrant, gehen dir hinterher, labern dich voll; ja, manche sprechen plötzlich sogar Deutsch - wenn sie Geld wollen (egal ob sie etwas zu verkaufen haben oder nicht).
Da ich, wie oben bereits erwähnt, auch gerne abseits der Wege gehe und eher ungewöhnliche und nicht von Touristen gestürmte Orte aufsuche, habe ich das typisch türkische "Straßenleben" kennengelernt, das egoistischer, aufdringlicher und unfreundlicher gar nicht sein kann. Selbst in Großstädten wie Berlin, Tokyo, Göteborg und Barcelona habe ich Menschen kennengelernt, die auf ihre Mitmenschen achten. In Istanbul kommen Menschen aus den Geschäften gestürmt, egal ob auf dem Bürgersteig gerade jemand entlanggeht. Sich mal umzuschauen ist fehl am Platze.
Es macht den Anschein, als würde all das – dieses egoistische Verhalten und auf das eigene Glück bedacht – auch Sinn machen, schaut man sich erst einmal dieses vollkommen schwachsinnige Straßenbausystem an. Um lebendig und vorallem komplett über eine Fussgängerampel zu kommen, muss man schon rennen, ansonsten könnte man Pech haben, in der Mitte auf eine weitere Grünphase warten zu müssen. Das ist besonders ärgerlich für ältere oder gehbehinderte Mitbürger. Die Ampelsysteme sind jedoch noch das geringere Übel; dass der Stadt die Fußgänger vollkommen egal sind, sieht man spätestens an der Fahrweise der Autofahrer. Es wird gehupt was das Zeug hält und nicht nur dann, wenn jemand überholen möchte. Türken packen die Gelegenheit am Schopfe und hupen zu jeder noch so kleinen Möglichkeit. Steht ein Fußgänger im Weg; er wird weggehupt - Herzattacke inklusive. Natürlich wird auch beim Überholen gehupt; man muss sich ja irgendwie bemerkbar machen, wenn man sich zwischen die anderen Autos drängelnd. Bei diesem Fahrverhalten sieht oder hört man nicht allzu selten Krankenwagen, die aber keineswegs durchgelassen werden, ohne nicht auch irgendwie selbst voran zu kommen. Die Regierung sollte allen Autos die Hupen wegnehmen und den gesamten Autofahrern ein Fahrsicherheitstraining spendieren, dann würden auch weniger Autounfälle passieren und auch die Fußgänger könnten aufatmen. Dann würde man auch nicht alle 10 Minuten einen Krankenwagen sehen ;)
Was die Autofahrer auf den Straßen machen, machen die Fußgänger par excellence vor Kiosken oder anderen Läden, bei denen man sich in der Regel anstellen muss. Manche stellen sich an, manch anderem ist es egal, ob der eine vor ihm schon seit ein paar Minuten auf seine Bestellung wartet. NEIN, in Istanbul musst du dreist und egoistisch sein, um an dein Ziel zu kommen. :-) Vordrängeln heisst die Devise. Andere Länder schaffen es auch mit Höflichkeit und Geduld, aber wir befinden uns in der Türkei, denen immer noch mehr als 30 Punkte zu einem Beitritt in die EU fehlen... (Der Punkt "Höflichkeit" steht leider nicht zur Debatte ;-) )
Um noch mal näher auf den Städtebau einzugehen: die Straßen Istanbuls weisen zwar durchaus eine gewisse Attraktivität und einen einzigartigen Charme aus, nichtsdestotrotz hat man den Eindruck, als dürfte jeder Klempner an den Straßen herumpflastern. An der einen Stelle wurden Gullideckel halb zugeteert und auf jeder Straße gibts "Stolpersteine" inklusive, weil irgendwo immer etwas aus dem Boden ragt, was da eigentlich nicht hingehört. Zudem hat es den Anschein, als wären die Straßen per Augenmaß gebaut worden. Wer braucht schon moderne Technik?
Auch umwelttechnisch hat das Land/die Stadt noch einiges aufzuholen. Du kannst Kilometer gehen, ohne bewusst einen Mülleimer zu finden. Da bietet sich der Bosperus natürlich geradezu an. Grünanlagen sind verdreckt und manche Straßen gleichen Müllhalden. Statt großen Mülleimern, haben sie Behälter, die auch als rechteckige Wokschalen durchgehen könnten und die bereits nach drei Wasserflaschen gefüllt sind.
Trotz der zahlreichen negativen Punkte, die ich in meinem Urlaub erlebt habe, konnte ich dennoch auch positive Schlüsse ziehen. Ich werde die Menschen als fürsorgliche Eltern im Gedächtnis behalten, die für ihre Kinder wohl alles tun würden, aber ihre Kinder auch meist alles tun lassen.
Man sollte Istanbul als Reiseziel nicht vollkommen ausschließen, wenn man ein paar Punkte beachtet. Hier ein paar Tipps:
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wenn möglich mit einem Partner fahren. Die Stadt kann für Paare ganz romantisch sein
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versuchen nicht als Tourist erkannt zu werden; Kamera verstauen. Es reicht vielleicht schon, nicht alleine durch Istanbul zu gehen
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Schuhputzer und nervende Händler ignorieren. Notfalls RENNNEEEEENNN!!!!
Zugegebenermaßen habe ich nur die europäische Seite Istanbuls näher kennengelernt und nicht die orthodoxere asiatische Seite der Stadt, in der sich die großen Geschäftsviertel der Stadt befinden. Durch die asiatische Seite bin ich lediglich mit dem Taxi gefahren. Glaube aber kaum, dass das meinen Eindruck Istanbuls beeinflusst hätte.
Wie bereits erwähnt, habe ich nicht nur Negatives aus meinem 8-tägigen Trip erlebt. Der Bosperus ist bei Nacht sehr ansehnlich, wenn die Straßen wie leergefegt scheinen und sich die Lichter im Wasser spiegeln. Atemberaubend. Dennoch gibt es in zahlreichen Punkten Nachholbedarf, der nichts mehr mit dem einzigartigen Charme der Stadt zu tun hat. Einen ganz anderen Charme versprühen die teils wirklich hübschen, türkischen Mädels. Heiss :-)
Die Rückreise war aus irgendeinem Grund kürzer. Der Taxifahrer auf der Hinfahrt muss irgendeinen anderen Weg genommen haben, da ich bereits nach einer halben Stunde – anstatt der 60 Minuten auf der Hinfahrt – beim Flughafen war. Sehr lobenswert ist das kostenlose WLAN-Netz beim Airport; sollten sich deutsche Flughäfen mal eine Scheibe von abschneiden ;-)
Trotz des genialen, kostenlosen
WLAN-Netzes, sieht mich das Land so schnell nicht wieder. Ausnahme
wäre eine Sonnenreise nach Side. Genug Lire habe ich auch noch, da
die Waren (Nahrung etc.) in der Regel dort drüben nur ein Bruchteil
von dem kosten, was sie in Deutschland kosten würden.
Ich könnte noch so viel über das leider viel zu schlecht ausgebaute U-/S-Bahn-Netz, über die anderen öffentlichen Verkehrsmittel und die "Sehenswürdigkeiten" plaudern und sonstige Kritikpunkte aufzählen (mein Reiseführer...), das meiste davon wäre aber schon Meckern auf großem Niveau.
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