Dick und Doof erobern Deutschland
13. Dezember 2013Zeit für neue... alte Themen in meinem ersten richtig multimedialen Blog mit Videos statt Bildern, los gehts:
Jüngst ist das Thema Synchronisierung hier ja in aller Munde. Die Umbesetzung von Thomas Danneberg zu irgendeinem fremden Ösi in "Escape Plan" war für viele Schwarzenegger-Fans ein gewaltiger Fehler. Das große Interesse an diesem Thema zeugt davon, dass die deutschen Fassungen anscheinend mitnichten vom O-Ton ersetzt wurden, im Gegenteil, gute und markante Sprecher faszinieren die Filmliebhaber nach wie vor.
In meinem kleinen Blog möchte ich deshalb diesmal zur Zeitreise mit Stan Laurel und Oliver Hardy als Paradebeispiel für ausländische Filme in unseren Landen bitten:
Bereits in den frühen 30ern kamen einige Filme der beiden nach Deutschland in die Kinos, jedoch waren dies noch Stummfilme, man musste also nur die Texttafeln ändern. Vor einigen Jahren tauchte dann in Russland ein unglaubliches Fundstück auf (die wahrscheinlich im Krieg requiriert wurde): eine deutsche Fassung noch bevor die Synchronisierung technisch überhaupt möglich war. Den Film "Spuk um Mitternacht" sprachen Laurel und Hardy höchstpersönlich in verschiedenen Sprachen ein (auch französisch, italienisch und spanisch). Da die beiden natürlich nicht 5 verschiedene Sprachen beherrschten, mussten sie die Texte in Lautschrift einüben.
Stan meisterte seine Rolle sehr gut, während man Ollie das mechanische Ablesen immerzu anmerkte. Um die Filme nicht 5x komplett abdrehen zu müssen, hatte man damals die aufwändigen Slapstick-Einlagen in stumm abgefilmt und die Textpassagen davon unabhängig, sodass man das ganze nachträglich zusammensetzen konnte. Der wahnsinnige Aufwand, den man sich heute gar nicht mehr vorstellen kann, wurde nur in ein paar Filmen vollzogen, z.B. auch für "Hinter Schloss und Riegel" aus dem Jahre 1931. Damals war das Filmemachen noch richtige Arbeit und die Schauspieler mussten für ihr Geld noch richtige Arbeit leisten und mit Leib und Seele dabei sein.
Durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten kamen in den folgenden Jahren kaum noch Filme mit den beiden nach Deutschland, bei einigen ist jedoch sicher, dass sie bereits vor dem Kriege eine deutsch synchronisierte Fassung hatten, wie z.B. "Zwei ritten nach Texas" 1936, in dessen Erstfassung Stan von Walter Bluhm gesprochen wird, der ihn bis 1976 noch drei weitere Male in Wiederaufführungen dieses Films gesprochen hat, es entstand eine der ersten großen Verbindungen zwischen Schauspieler und Synchronsprecher. Walter Bluhm wird zur absolut wichtigen Identifikationsfigur für Stan Laurel in Deutschland.
Nach dem Verbot amerikanischer Filme durch Klumpfuß Dr. Goebbels und dem Krieg kehrten Laurel und Hardy 1950 im großen Stil nach Deutschland zurück. Es gab noch wahnsinnig viele Filme die nicht den Weg auf die deutschen Leinwände fanden. Kino und Fernsehen waren also bestens bedient mit der leichten Kost, die nach all dem Leid zu gefallen wusste.
Walter Bluhm hatte natürlich auch Partner: von 1950 bis 1967 sprach Arno Paulsen Oliver Hardy am häufigsten. Die Paarung Paulsen & Bluhm gilt unter Fans und Freunden der beiden als beste, vor allem da die Fassungen zum Teil sehr frei übersetzt und durch einige lockere Kalauer aufgepeppt wurden. Vielleicht waren diese Fassungen frühe Ansätze der Rainer-Brandt'schen Schnoddersynchronkunst, wer weiß...
Durch Krankheit und den Tod von Paulsen 1969 hatten Laurel und Hardy ihre wohl schwächste Phase, was die Qualität der deutschen Fassungen anging. Gerd Duwner übernahm nun Ollie, seine sehr nasale Sprechweise gefiel vielen jedoch nicht (mir auch nicht). Ein absoluter Skandal ist bspw. die deutsche DVD von "Die Teufelsbrüder". Weder Stan noch Ollie hatten einen ihrer Standardsprecher, obwohl Mitte der 70er eine neue Fassung entstand:
Das ZDF ließ Schauspielerlegende Theo Lingen etwas ironische, aber sehr liebevolle Einleitungen zu ihren neu synchronisierten Filmen sprechen. Erstmals versuchte man die Filme in einheitlicher Form aufzubereiten: So strich man die geschmacklosen "Dick und Doof" Stereotypisierungen und nannte die Reihe "Lachen Sie mit Stan und Ollie", unterlegte die Streifen zum Teil mit eigenen Musiktiteln aus der Dose und brachte endlich nahezu alle Langfassungen (außer "Atoll K" und "Rache ist süß") mit einheitlicher deutscher Synchronfassung Diesmal gab Michael Habeck den Ollie. Natürlich war an seiner Seite wieder Walter Bluhm , der bereits 68 Jahre alt war, es sich trotz Krankheit jedoch nicht nehmen ließ, seinen Stan Laurel zu sprechen. So waren diese Synchronfassungen geprägt vom alten Herrn Bluhm, der oftmals die Töne nicht mehr richtig traf und recht schief krächzte, aber auch von der im Vergleich zu den Vertonungen der vorherigen Jahrzehnte mit Paulsen eher sterilen und langweiligen Übersetzung.
Walter Bluhm verstarb 1976 und mit ihm starben die Synchronfassungen, denn es sollte nie wieder ein Langfilm der beiden neu vertont werden. Die wahnsinnige Verbindung zwischen Sprecher und Schauspieler, die hier so gewaltig war wie nie zuvor (über 40 Jahre sprach Bluhm Stan in jedem seiner Filme in irgendeiner Fassung), zeigte auf wie wichtig ein fester Sprecher für das deutsche Publikum zu sein scheint.
Doch neben den Lang- und Kurzfilmen, die über Ton verfügten, überlegten vor allem die Fernsehsender, wie man die vielen technisch überholten Stummfilme der beiden passend für ein Publikum aufbereiten konnte, das wohl nicht bereit war, Texttafeln zu lesen. So versuchte man mit Bluhm und verschiedenen Sprechern für Hardy einige Stummfilme zu vertonen, wie der absolute Klassiker "Das große Geschäft" mit Bluhm und Paulsen. Die Kommentare sprach hier (schätzungsweise Mitte der 60er) übrigens Franz-Otto Krüger:
Doch nach dem Tod des angetrauten Sprechers war dies faktisch ausgeschlossen. So kam das ZDF auf einen weiteren cleveren Clou, man setzte übergeordneten Erzähler/Sprecher ein, der sowohl kommentierte, als auch alle Rollen sprach. Diesmal wieder recht frei und locker, da man keine fertigen Texte hatte, sondern die Stummpassagen möglichst kunstvoll ausfüllen musste. Hanns Dieter Hüsch war der Sprecher, der nicht nur "Zwei Herren Dick und Doof", sondern auch viele andere Formate für das ZDF kunstvoll vertonte (stimmlich und inhaltlich zu vergleichen mit heutigen Formaten, wie "Upps die Pannenshow").
Irgendwann Anfang der Achtziger versandete dann die Spur der beiden und sie verschwanden nach und nach aus dem deutschen Fernsehen. Heute sieht man die beiden nur noch sehr selten im Fernsehen, ab und zu laufen jedoch ein paar Filme bei der ARD, lauscht man bspw. "Wir sind vom schottischen Infanterieregiment" dort, wird einem auffallen, dass Stan nicht von Bluhm, sondern einem extrem ähnlich klingenden Sprecher vertont wurde, auf der DVD aber sehr wohl von seinem angetrauten deutschen Pendant die Stimme bekam. Für eventuelle Veröffentlichungen auf Blu-Ray (bildgewaltige HD Master existieren und liefen bereits auf Arte) kann Studiocanal uns also mit einigen Schmankerln und endlich ALLEN verfügbaren Fassungen versorgen, damit ein jeder die Filme so sehen kann, wie es ihm beliebt.
In der Blütezeit der Laurel & Hardy Filme entwickelte sich Deutschland zum "Weltmarktführer" für Synchronisierungen. Angefangen bei den kultigen Schnoddersynchros aus Berlin (z.B. für Bud Spencer), den genialen Arne Elsholtz Arbeiten (Krieg der Sterne / Die nackte Kanone) oder in neuerer Zeit die brachialen "Herr der Ringe" Vertonungen von Andreas Fröhlich. Wenn man will, kann man in Deutschland auch heute noch Fassungen erstellen, die es locker mit den Originalfassungen aufnehmen können. Natürlich sind der richtige Wille und genügend finanzielle Mittel vorausgesetzt.
Die Quellen der Bilder und Videos sind die jeweiligen DVD/Blu-Ray/VHS-Veröffentlichungen oder TV-MitschnitteTop Angebote
Mein Avatar