Zocken statt Glotzen: Rückkehr nach Mittelerde
2. März 2015Nach gezwungenermaßen längerer Blog-Pause, bin ich zurück und habe mir für mein kleines Comeback mal wieder etwas neues ausgedacht. In meiner neuen Rubrik widme ich mich nicht Filmen oder Serien, sondern einem anderen Format um spannende Geschichten zu erzählen: den Videospielen.
Eine der stärksten Filmmarken aller Zeiten leidet auf den Konsolen und dem PC seit jeder unter Umsetzungen, die dem brillanten Vorbild nicht gerecht werden. Es wirkt fast so, als hätte die teure Lizenz für das von J.R.R. Tolkien geschaffene und von Peter Jackson bravourös in Film umgesetzte Mittelerde-Universum bei nahezu allen Games so den Rahmen gesprengt, sodass man sich kein gutes Gameplay oder nette Geschichten mehr leisten konnte. Im Falle des Entwicklerstudios PANDEMIC ging dies so weit, dass man es wegen "Der Herr der Ringe - Die Eroberung" schloss.
Am Anfang, als Jackson gerade "Die Gefährten" herausbrachte, hatten noch Sierra und Vivendi die Lizenz für die Bücher und brachte einige mehr oder weniger belanglose Spiele heraus, die man noch nicht einmal als besonders schlecht bezeichnen konnte. Mit dem zweiten Film stieg dann Electronic Arts mit ein und von nun an wurden alle Spiele (außer "Herr der Ringe - Online") mit den Filmlizenzen versehen. Beim Spiel zu "Die Rückkehr des Königs", einem Hack'n'Slay Metzelgame, durfte man alle Hauptcharaktere aus den Filmen spielen. Nicht zuletzt durch den Einsatz von Gandalf-Synchronsprecher Achim Höppner als Erzähler blieb mir die absolut dichte Atmosphäre und das unkomplizierte Gameplay in Erinnerung.
Nach den Filmen konnte dann EA Los Angeles mit den beiden Strategiespielen "Die Schlacht um Mittelerde" 1 und 2 riesige Erfolge feiern. Unter Fans haben beide Spiele heute extrem hohes Ansehen und gelten als beste Spiele rund um das Franchise. Auf PS2 Gamecube und Xbox kam zum Beispiel "Das dritte Zeitalter" heraus. Ein rundenbasiertes Rollenspiel in welchem man eine Gruppe aus Gondorianer, Elb, Zwerg und Rohirim befehligt (also Kopien der Ringgefährten), die immer ein bisschen zu spät an allen wichtigen Schauplätzen der Hauptfilme ankamen und hin und wieder Unterstützung von einem der Filmhelden bekamen. Die hanebüchene Story war gerade noch verschmerzbar, weil die deutschen Originalsprecher, allen voran wieder Höppner als Erzähler, für ein ordentliches Filmflair sorgten. Doch das Gameplay hat funktioniert und man war in Mittelerde, toll!
Danach begann jedoch so langsam der große Abstieg der Herr der Ringe Spiele (kurioserweise fast zeitgleich mit Star Wars). Das bereits erwähnte "Die Eroberung" von PANDEMIC, welche mit "Battlefront" zuvor noch halbwegs erfolgreich "Battlefield" ins Krieg der Sterne Universum hieven konnten, war der große Totalausfall. Denn nun wollte man "Battlefield" mit Schwert, Bogen und Zauberstab auf Teufel komm raus in die Tolkien Lizenz hämmern. Das ganze wirkte einfach nur lieblos zusammengeschustert und unfertig. Diesmal hatte man bis auf einen einzigen Sprecher (ich glaube Wolfgang Condrus auf Elrond, bin mir aber nicht mehr sicher), keine Originalsprecher mehr dabei. Nach diesem Spiel machte PANDEMIC dann noch "The Saboteur", eigentlich ein ganz nett durchgestyltes Open World Spiel im besetzten Paris, zum Zeitpunkt der Veröffentlichung jedoch noch total unfertig und verbuggt. EA entschied sich, den Namen PANDEMIC daraufhin in die Mottenkiste zu schicken.
Ähnlich schwach bewertet wurde das erste Game unter der Schirmherrschaft von Warner (eigentlich war es "Aragorns Abenteuer", ein Wii-Kinderspiel). "Der Krieg im Norden", ein nicht mal mittelmäßiges Action-Rollenspiel, welches einfach nichts auch nur im Ansatz so gut macht wie die Konkurrenz. Die Abteilung für die Lokalisierung hat sich nun gänzlich gegen die Sprecher aus den Filmen entschieden.
Vier Jahre waren seit diesem letzten "Herr der Ringe" Game vergangen. Als nun 2014 ein neuer Ableger sich anbahnte, musste es etwas besonderes sein. Sich nicht zu sehr auf die Lizenz verlassen, nicht als reine Kopie eines anderen Spieles enttarnt werden und trotzdem das Feeling von Mittelerde einfangen. Und irgendeine eigene Innovation sollte auch mit dabei sein.
Herausgekommen war etwas interessantes: "Mittelerde: Mordors Schatten". Ein Open-World-Spiel welches hauptsächlich aus Hack'n'Slay Schwertkämpfen gepaart mit Schleicheinlagen und Kletterpartien besteht. Doch der Reihe nach...
Man schlüpft in die Rolle von Talion, einem Waldläufer der als Hauptmann für Gondor das Schwarze Tor bewachen soll, also die Pforte zu Mordor. Die Story spielt also zwischen den Ereignissen im "Hobbit" und der Ringtrilogie. Mordor schlummert, der böse Herrscher Sauron kann ohne den Ring, der sich ja im Besitz Bilbos befindet, keine Gestalt annehmen und bleibt so machtlos. Jedoch formt sich in Mordor eine neue mächtige Orkarmee, die Menschen versklavt und raubt und mordet wie wildes Getier. Eines Tages überfallen die Orks nun also das von Talion bewachte Schwarze Tor. Dieser wird samt seiner gesamten Familie ermordet. Jedoch ist ihm der Tod nicht vergönnt, denn die Schwarze Hand, einer von Saurons mächtigen Schwarzen Hauptmännern und seine rechte Hand, hat ihn mit einem Fluch belegt. Als Grabwandler findet er keine Ruhe, im Gegenteil, er teilt sich den Körper mit einem Elben, den man immer nur als Geist erleben kann.
Das ganze hört sich anfangs recht unsinnig an, wird aber zum Ende des Spiels hin recht stimmig erklärt und sehr spannend mit Sauron und dem Ring verwoben. Spielerisch erweist sich dieser Ableger als erster, als absolut ausgereift. Das Spielprinzip ist sehr simpel: Man befindet sich in Mordor, welches von einem grünen und fruchtbaren Land nun zu dieser kahlen Aschelandschaft gemacht wird, die wir aus "Die Rückkehr des Königs" kennen. Bis auf ein paar Menschensklaven der Orks gibt es nichts, aber auch gar nichts friedliches in dieser toten Gegend. Der Grabwandler wird zum Hauptfeind der Orks denn durch seinen Fluch kann er nicht sterben, dies ist eine einfallsreiche Art, dem Game Over und das wieder Leben mit narrativen Mitteln zu erklären. Talions einzige Aufgabe ist es also sich den Orks zu stellen und die Hauptmänner von Saurons Armeen zu töten, um seine Macht so zu schwächen.
Hier greift nun die große Innovation des Spiels, das Nemesis-System. Es stellt die Hierarchien und Machtkämpfe zwischen den Orks dar. Tötet man beispielsweise einen Hauptmann bei einem Überfall auf einen anderen und dieser entkommt, steigt dieser in seiner Macht auf und wird stärker. Wird man selbst von einem Hauptmann getötet, wird dieser besonders in seiner Macht aufsteigen und alle, bei denen man einen Rückzieher machen musste, anstatt ihnen die Birne von Leib zu trennen. Jeder Hauptmann hat aber auch eigene Stärken und Schwächen, die man durch feige Orks, die sie verpfeifen, in Erfahrung bringen kann. So kann der eine mit einem einzigen Pfeil in den Kopf getötet werden aber durch Schleichangriffe kriegt er nicht einmal einen Kratzer ab. Ihre Vorgesetzten sind hingegen die Häuptlinge, die mächtigsten und wichtigsten Orks. Sie zu töten erfordert am meisten Geschick, da man zuvor mit einer Tat wie 20 seiner Leute in 2 Minuten zu töten, auf sich aufmerksam machen muss. Hauptmänner können durch erfolgreiches Bekämpfen von Talion auch zu Häuptlingen aufsteigen. Dieses System funktioniert sehr gut und ist zumindest anfangs sehr interessant.
Doch hier beginnt das Spiel zu schwächeln, denn irgendwann stellt sich Routine ein. Man hat die für einen selbst am besten funktionierenden Angriffe für Saurons Heerscharen gefunden und metzelt sich durch immer größer werdende Gegnermassen. Unfair, bzw. nervig wird das Spiel, wenn zufällig drei, oder vier Hauptmänner samt Gefolge an der gleichen Stelle hocken. Hier hilft nur die Flucht und isoliert sie voneinander. Leider haben es die Entwickler von Monolith verpasst, irgendwelche anderen Aktivitäten ins Spiel einzubauen, im Endeffekt baut auch jede Nebenmission auf dem Töten von Orks auf. Da für das Kampfsystem eindeutig die "Batman - Arkham" - Spiele Vorbild standen, hätte man sich auch bei Nebenaktivitäten bei den Kollegen umsehen sollen. Auch unschön ist, dass man zwar recht nett die Landschaft von Mordor samt der aus den Filmen bekannten Architektur einfing, sich alle Gebiete aber sehr ähneln und richtige Zuckerstücke, wie der Schicksalsberg mit Saurons Turm leider nicht besuchbar sind.
In der ersten Hälfte lebt das Spiel also vom Nemesis-System und den Ränkespielen der Orks, wenn man dieses in seiner Endlosigkeit durchschaut hat, gibt's noch ein kleines Leckerli, denn man kann dann auch Orks mit der Macht des Elben unter seine Kontrolle bringen und Hauptleute für einen selbst kämpfen lassen. Leider war man hierbei nicht wirklich strikt, so kämpfen ihre Untergebenen immer noch gegen Talion.
Aber das ist Meckern auf hohem Niveau, das Spiel macht Spaß und in der zweiten Hälfte wird es durch die immer interessanter werdende Story rund um die Vergangenheit des Elben, Sauron und den Ring vorangetrieben. Das Ende kann dem aber nicht ganz gerecht werden, denn durch die Geschichte in den Filmen und das Übereinstimmen mit diesem ist man etwas begrenzt gewesen um hier nicht mit so einem Blödsinn wie der alternativen Zeitlinie bei "Star Wars - The Force Unleashed" aufzuwarten.
Wir deutschen Spieler kommen ja auch noch in den Genuss einer besonderen Wohltat. Wo im Original Andy Serkis nicht Gollum seine Stimme lieh, konnte in Deutschland Andreas Fröhlich seine Paraderolle übernehmen. Dieser Smeagol sorgt in der ersten hälfte des Spiels für die besten Momente. Das lässt Erinnerungen an die Hobbit-Trilogie wach werden, wo Gollums Spielchen mit Bilbo doch auch die mit Abstand beste Szene darstellte. Die restliche Synchronfassung kann auch überzeugen. Zwar bekamen Saruman und Galadriel auch winzige Auftritte, diese waren es aber nicht wert, die Originalsprecher zu engagieren - verständlicherweise. Dennis Schmidt-Voss, Berndt Vollbrecht oder Sonja Spuhl sind weitere Sprecher.
Endlich, nach 2006 das erste wirklich gute (ich würde Note 2 geben) Spiel um Mittelerde. Das erste mal seit langem eine funktionierende Geschichte, die sich selbst aber auch nicht allzu sehr in den Mittelpunkt der Saga drängt. Vielleicht ist es ja der Grundstein für ein neues Franchise. Man stelle sich einmal ein Open-World-Spiel vor, in welchem man zwischen Minas Tirith, Osgiliath und Mordor pendeln kann. Dabei hin und wieder einen bekannten Charakter trifft und zum Ende hin in die Ereignisse aus dem dritten Film geworfen wird.
Ich hoffe, euch hat mein kleiner Exkurs in ein anderes Gebiet gefallen. Wenn dem so sei, hätte ich schon die richtige Idee für meinen nächsten Blog, ein Spiel dass die Atmosphäre der Filmvorlage so gut wie kein anderes vor ihm einfing, von den Kritikern zu schlecht bewertet wurde und eigentlich die positive Überraschung des letzten Jahres war.
Wie immer: alle Bilder sind Screenshots, Fotos, die von mir persönlich angefertigt wurden und stammen von den jeweiligen Veröffentlichungen. Die Rechte liegen bei den jeweiligen Rechtsinhabern.
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