Von Recycling, der Wahrheit, der Gewohnheit, dem Führer und Quentin Tarantino
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Die folgende Filmnachbesprechung enthält Hinweise auf den Inhalt des Films "Inglorious Basterds" von Quentin Tarantino.
Nachdem ich nun zum zweiten mal den vorletzten Tarantino Streifen "Inglorious Basterds" sah und mir meinen Blogbeitrag über "Django Unchained" noch einmal durchlas, bin ich nun quasi gezwungen noch einmal über den so vergötterten Filmemacher zu schreiben, dieses mal dient jener Kriegsfilm als Grundlage, jedoch werde ich auch den Western vergleichend heranziehen.
1944, eine Gruppe Söldner will in einem kleinen Pariser Kino die gesamte Führung des dritten Reichs aus dem Weg schaffen. Diese Handlung garantiert lustige und spannende Unterhaltung, auf den zweiten Blick offenbaren sich allerdings Ungereimtheiten:
Tarantino und die Geschichte: Was wohl jedem Deutschen, der die eigene Historie kennt, sofort auffällt, ist, wie unmöglich und an den Haaren herbeigezogen Tarantinos Plot scheint. 1944, nach gescheiterter Schlacht um England, Russland Offensive und Afrika Feldzug und der Landung der Amerikaner in Italien und der Normandie, soll Hitler und der gesamte Führungsstab der deutschen Streitkräfte in ein Kino in Paris einkehren... 1. Hitler war zu diesem Zeitpunkt schon schwer krank (Wackelhand usw.), weil er längst erkannt hat, dass der Krieg verloren war (wird heute gern als Wahnsinn dargestellt, ich glaube, dieser entwickelte sich erst durch die Ausweglosigkeit), war nur in der Wolfschanze oder auf seinem Berganwesen, besuchte nie Maybach I / Zeppelin bei Zossen, wo der Generalstab eigentlich saß, weil er dort die "Verräter" des 20. Juli saßen, was er wahrscheinlich schon witterte. 2. Paris war eine Hochburg der Resistance. 3. Kann es sich die gesamte Führung erlauben, gleichzeitig ins Kino zu gehen? 4. Wo war Himmler? 5. Göring war zu diesem Zeitpunkt, ähnlich wie Hitler, stark gezeichnet vom Krieg, morphiumabhängig... 6. Die Filmindustrie war zu diesem Zeitpunkt bereits kurz vor dem Zusammenbruch, man musste in Prag drehen, weil es über Potsdam Bomben hagelte. Übrigens hatte die SS während des Kriegs keine schwarzen Uniformen an.
Eine ganz schön lange Liste, die mir aus dem Stehgreif einfällt. Deutlich wird dadurch vor allem eines, Tarantino produzierte diesen Film in erster Instanz für das amerikanische Publikum, welches sich einen Rotz um die nicht-amerikanische Geschichte und Kultur kümmert. Die meisten wissen wahrscheinlich nur folgendes über die Jahre 33-45: "Hitler was a very, very bad man... and he hates the jews".
Über diese Meter großen klaffenden geschichtlichen Ungenauigkeiten kann man einmal hinwegsehen, wir haben es schließlich nur mit einem Unterhaltungsfilm zu tun, vielleicht war diese Realitätsferne auch Pflicht für Tarantino, gerade um den Zorn zahlreicher Historiker auf sich zu ziehen. Jedoch gibt es ein für mich viel größeres Problem:
Sarkasmus oder Hass?: Die Basterds sagen, sie skalpieren alle Nazis, bringen sie alle um, oder "Brandmarken" sie. Das ist typische Western-Gerechtigkeit, jedoch ist für die Tarantino Bande um B. Pitt das deutsch-sein bereits ein Todesurteil, es wird jeder der in einer deutschen Uniform steckt, dafür bestraft. Folglich haben die deutschen Soldaten, die den Basterds begegnen 2 Möglichkeiten gehabt: Sich der Wehrmacht verweigern und als Deserteur erschossen werden, oder von dieser anglo-jüdischen Vendetta-Bande gehenkt werden. Dieser unmenschliche Grundton des Films ist für manche schwarzer Humor oder Sarkasmus, für mich ist es jedoch einfach nur das Unvermögen des Regisseurs, universellem Hass, Gewalt und Faschismus etwas anderes entgegenzusetzen, als selbiges. Tarantino, wie auch sein Lieblingsfreund R. Rodriguez, waren nie in der Lage auf irgendeine andere Weise, als per Gewalt und Hass ein Problem zu lösen. Lieber hangelt sich Herr Tarantino starrsinnig von Filmzitat zu Hommage und lässt dabei immer wieder die alte Morricone-Musik leiern und das schon seit fast 20 Jahren (Auf die Idee, einen gänzlich eigenen Soundtrack zu komponieren, kommt er natürlich nicht, wahrscheinlich aus Angst vor dem Scheitern).
Erstaunlich ist, dass dies niemanden hierzulande in Kopfschüttelstürme versetzte, wahrscheinlich, weil für die jüdisch dominierte Filmlandschaft Hollywoods andere Maßstäbe gelten, als für die europäische...
Wenn man nun den Vergleich mit "Django Unchained" sucht, wird deutlich, es ist genau das selbe: Jude gegen Hitler, oder "Neger" gegen Sklaventreiber... so wirkt sein Schaffen fast schon pubertär, da es sich nie in Richtung intelligenter Filme weiterentwickelt hat, eher in Richtung Roland Emmerich. Die Unterdrückten hauen den Bösen kräftig in den Arsch. Leider stellt sich in seinen Filmen auch nie die Frage, wer hier der böse ist, selbst bei Krieg der Sterne war diese Frage nicht so eindeutig zu beantworten, denn man weiß bei einem Hitler-Film / Blaxploitationsfilm bereits vorher wie er endet. Denkt mal an "Reservoir Dogs", da hing man ewig in den Seilen, warsich nie ganz sicher.
Und zuletzt Tarantino und die Gewohnheit: Nicht nur, dass immer wieder ähnliche Themen mit ähnlicher alter Musik gepaart werden, nein, auch Schauspieler und Humor werden immer wieder verwurstet.
Der große Star, der einzig wirklich geniale Teil von "Inglorious Basterds", Christoph Waltz, der im doch sehr umfangreichen Anti Nazi Epos immer wieder die richtigen Nadelstiche setzt, aber auch den anderen Schauspielern Raum gibt, sich zu entfalten, wird mit seiner trockenen und unberechenbaren Art von Tarantino für den Django Verschnitt einfach mit dem Nudelholz so platt gewaltz (haha, welch geniales Wortspiel...), das er die gesamte erste Hälfte für jede gute Szene eingesetzt wird, nach dem Motto: Story...Pointe Waltz...Story...Pointe Waltz...Django...Pointe Waltz... .
Was folgt als nächstes Herr Tarantino? Ein besoffener Waltz, der die Prohibition nieder ballert? Waltz gegen die Marsmenschen? Waltz als US-Präsident gegen Al-Kaida? Gucken wir uns einfach bei italienischen Filmen der 60er und 70er um, dort ist Tarantino bisher immer fündig geworden und musste aufgrund der winzigen Bekanntheit in den USA nichtmal den Titel des Streifens ändern, oder nur marginal. Zwiebel-Waltz räumt auf, Banana Waltz oder Vier Waltzen für ein Halleluja (mit einer Vierfachrolle!) wären toll.
Sarkasmus beiseite, dem Film hätte ein wirklich bitterböses Ende verdammt gut getan, es sind zwar alle Nazis Tod, aber dieser Zustand ist im Endeffekt nur ein extrem aufgeblähtes Wiederkäuen des Inhalts zahlreicher Filme, wie Indy und co., sowie der Realität. Viel interessanter wäre ein Sterben aller, außer Hitler, und ein Aufeinandertreffen mit Landa danach.
Bitte, lieber Quentin Tarantino, du hast fast alles durchgeleiert, was Morricone und co. halbwegs hörbares komponiert haben, bitte denk Dir etwas neues aus. Bitte, mach wieder einen Film, bei dem ich nicht schon nach 5 min weiß, dass er damit endet, dass der schwarze alle weißen weghaut, bitte versuch dich endlich wieder an etwas gänzlich neuem, nicht dem neu gestalten alten Stoffes, sonst wird sich dein Publikum wohl endgültig auf ein halb besoffenes, pubertäres und minderjähriges Niveau einschrumpfen!
Schlussendlich scheint, wenn es um Filme mit Nationalsozialisten geht, hüben wie drüben, nach interessantem Anfang, irgendwann eine Macht einzuziehen, die diese Filme - statt zu einem ultimativ zynischen Endsiegszenario - zu einem konventionellen "Wir haben die Nazis besiegt" Thema führt (siehe auch "Iron Sky").
Damit alle Tarantino Fans beruhigt sind, ich halte diesen Film keinesfalls für schlecht, allein wegen Waltz, des Filmes der in jenem Kino läuft und dem zwar vorausschaubaren, aber launigen Plot, lohnt sich das ganze bereits, allerdings stört mich der Status der beiden letzten Streifen von ihm als Meisterwerke einfach, weil sie keine echten Überraschungen bieten.
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Kommentare
Auch scheinen wir eine ähnliche Meinung zu Tarantinos jüngeren Werken zu haben. Meine Ausführlkiche Meinung hatte ich in deinem älteren Django Blog gepostet (https://bluray-disc.de/blulife/blog/bollwerk94/14775-wie-viel-italowestern-steckt-in-django-unchained).
Das Problem ist einfach, dass Tarantino mittlerweile verkennt, dass die Mechanismen, die zu Zeiten eines Pulp Fiction usw. erfrischend und spannend waren, sich in der Art wie er sie vorträgt einfach abgenutzt haben. Es fällt mir immer schwerer in vielem was sich in seinen Filmen abspielt die Kunst zu erkennen.
Ich nehme immer wieder gerne das Paradebeispiel Pilp Fiction: Dies ist auch ein sehr gewalttätiger Film, was mich aber zu keinem Zeitpunkt stört, da die Gewalt eine perfekte Symbiose mit der Handlung eingeht und diese stets voranbringt.Auch all die skurillen SItuationen dieses Films waren erfrischend und sehr originiell. Von der Szene im Waffengeschäft eines Zed oder den Auftritten des Killerduos is der Bärenjude aber eben leider Meilenweit entfernt. Hier kommt einfach ein Dummbutz mit nem Knüppel und haut Nazis auf eklige Weise die Birne ein. Während er dies tut kommt keinerlei Spannung o.ä. auf... Es passiert einfach und ich warte, dass der Film weiter geht. Ich sehe also zwei Probleme: Das was früher sehr erfrischend war ist es nicht mehr im selben Maße und auch die Qualität von Tarantinos Einfällen hat stark abgenommen.
"Tarantino ist ja wie der Typ, der jedes Jahr mit der Gulaschkanone auf dem Dorffest steht und seine immergleiche Pampe unters Volk bringt, immer wieder die selben Elemente in seinen Filmen, nur in anderer Umgebung."
Dem muss ich wiedersprechen, ich sehe in den Filmen schon Veränderung und Fortschritt, natürlich kann Tarantino seinen Stil nicht leugnen, aber das geht den meisten Genre-Regisseuren doch so.
"Ein trotz seiner Hautfarbe gegenüber Waltz extrem farbloser Django, da Tarantino, anstatt wie Corbucci und Leone zu ihrer Zeit, einfach den alten Landa Character in die Microwelle geschmissen, kommt als frischer, unverbrauchter Hauptdarsteller gar nicht zur Wirkung."
Sehe ich auch anders. Ich fand den Django enorm präsent. Gerade neben dem aufgeplusterten Dr. Schulz. Eine gelungene, düstere Darstellung.
Insgesamt würde ich Tarantino nie auf einen Thron heben. Es gibt da zahlreiche Filme, die ich nicht mag (Jackie Brown, Kill Bill) und einige überschätzte (IB). An Django weiß ich aber nichts auszusetzen. Insgesamt halte ich Tarantino für eine der Größen, des Erwachsenenkinos allerdigns eben mit besseren und schechteren Filmen.
Auch ich bin primär Fan der "älteren" Tarantino-Streifen, vermag aber den Vorwurf, IB und DU sein "vorhersehbar" und "innovationsarm" nicht nachzuvollziehen. Natürlich ist in beiden Fällen sofort klar, wie die Filme wohl inhaltlich ausgehen mögen - allerdings kommt es hierauf für meinen Geschmack doch gar nicht an, denn "der Weg ist das Ziel" - entscheidend ist vielmehr die "Geschichte drumrum" das "Ideenpotpourie", dass Tarantino vor dem Hintergrund jeweils stringenter und fraglos absehbarer Rahmenhandlungen spinnt. Und das ist und bleibt, für meinen Geschmack, meisterlich.
Gleichwohl Danke für den Blog, denn kritisches Filmbewußtsein ist immer gern gelesen! :-)
Auch, dass Waltz gleich 2x für fast die selbe Rolle (einmal gut, einmal böse), den Oscar bekommen hat, ist für meinen Geschmack nicht richtig. Vielleicht will Hollywood nun aber - bevor man wie früher wieder dutzende Genies übergeht (Bsp: Leone / Morricone) - nun gleich im Vorraus die nicht amerikanischen Schauspieler mit Lob überschütten.
Nicht dass mir seine Filme nicht gefallen, jedoch ist es seit Jahren einfach so, dass sie nicht mehr innovativ sind. Bei Django gehe ich sogar so weit, dass Corbucci 2 Jahre nach dem echten Django mit "Leichen pflastern seinen Weg" einen viel innovativeren Western gemacht hat, als dieser fast 50 Jahre ältere. Oder hat von euch auch nur einer (Achtung Spoiler) daran gezweifelt, dass der Afro-Django zum Schluss gegen alle bösen in einem großen Feuerwerk gewinnt?
Ein trotz seiner Hautfarbe gegenüber Waltz extrem farbloser Django, da Tarantino, anstatt wie Corbucci und Leone zu ihrer Zeit, einfach den alten Landa Character in die Microwelle geschmissen, kommt als frischer, unverbrauchter Hauptdarsteller gar nicht zur Wirkung.
Im Endeffekt fährt Tarantino nun schon fast auf der gleichen Schiene, wie die Macher der Bud Spencer Filme damals, nach dem Motto:
"Oh, ein neuer Tarantino, wieder mit Waltz, genauso trocken und schwarz-humorig, wie zuletzt, Morricone und Louis Bacalov Soundtracks sind auch genial, zum Schluss sind dann alle bösen Tod".
oder auch
"Oh, ein neuer Bud Spencer, Rainer Brandt\'s Sprüche gehen immer, Oliver Onions macht auch immer tolle Melodein... und zum Schluss hat Buddy sie eh alle mit reichlich Fäusten versorgt"
Man weiß schon vorher, was einen erwartet, sucht fast schon verzweifelt den Cameo des Regisseurs, Gott sei dank, da ist er ja...
Waltz, Mardsen, Carradine, Jackson, Zoe Bell ... auf einem fremden Planeten, indem zu High-Noon ein Gipfeltreffen mit einem riesigen Feind (vllt die neue Star Trek Crew *ggg*) und einer ausserirdischen blutrünstigen Morphing-Lebensform ansteht, könnte ganz spannend sein!! :D
Der Film könnte eventuell "Flash Rogers gibt Alarm bei Gefahr im Weltraum - wegen eines Dings" heißen ;)
Als Musik muss neben Morricone-Carpenter Geplänkel definitiv auch das Synthie Gezetter eines Aetherophone (Theremin) enthalten!
Dein Blog ist echt genial und regt sehr zum überlegen an!
Respekt welche historischen Hintergründe du so aus dem Stehgreif holst.
Das was du hier erwähnst ist mir auch bewusst und einerseits kritisiere ich ihn auch dafür ABER andererseits (wiegt ganz leicht mehr) ist es genau DAS, was seine Filme ausmacht! Eine Hommage und küstlerische Aneinanderreihung von Altbekanntem und somit dem verwurschten und zitieren vieler filmischer Zeitepochen. Stark angelehnt an Filme die allen Subgenres entspringen und dessen markanten Klischees - moralische Fragwürdigkeiten, Antihelden, Trash, Unlogik, Fehlern, KULT ... - wieder auf den selben (damaligen) Nenner bringen.
Was entweder manche durch den Widererkennungswert lieben (oder deshalb auch hassen) und anderen, nämlich denen die nicht damit vertraut sind - einer neuen Generation, etwas näher bringen was wir damals für deren simple Einzigartigkeit, Charme und Seltenheit so geschätzt haben.
Und scheinbar gerade deshalb bei vielen auch heute so gut ankommt?!
Das schwierige für das junge Puplikum ist hier wohl intellektuell zu unterscheiden, weil sie wohl unmöglich all diese Hintergründe kennen oder verstehen können ...
... oder diese Filme vllt sogar wegen etwas völlig falschen/unsinnigem (Gewalt?) gut finden?
Als Meisterwerk würde ich sie definitiv auch nicht betrachten. (Stammt wohl aus der Perspektive einer POP-Kultur?)
Besonders "Inglorious Basterds" fand ich nun nicht so sehenswert, da ziehe ich mir "das dreckige Dutzend" allemal lieber rein.
Also ich bin mir sicher er findet noch viel zum erneuten durchkauen und ich werde es mir auch interessiert/kritisch ansehen. :)
Auf jeden Fall fantastischer BLOG und wunderbar das das mal gesagt wurde!!! echt SPITZE!!!!
Als wir uns damals die Karten für Django besorgt haben, hieß es in unserem Freundes und Bekanntenkreis nur "Gemma Waltz schauen" oder
"Hast den neuen Film mit Waltz schon gesehen"