Wie viel Italowestern steckt in Django Unchained?
Der folgende Text enthält leichte, allgemein gehaltene Spoiler
Quentin Tarantino propagierte sich selbst stets als Verehrer des Italo-Kinos und insbesondere als Fan von Italowestern. Bereits sein letzter Film, "Inglorious Basterds" war das Remake zu einem Film von Enzo G. Castellari ("Keoma", "Zwiebel-Jack"). Auch die Soundtracks seiner Filme beinhalteten oftmals Lieder diverser Italowestern. Er scheint also der ideale Kandidat zu sein, um ein mögliches Revival des Genres einzuleiten.
"Django Unchained" heißt nun das Machwerk, welches einen alten bekannten Namen wieder in Erinnerung ruft. Doch Western allein reichte Tarantino noch nicht, so degradierte er es zur Nebenhandlung in einem Film über die Geschichte der Afroamerikaner, bzw. den weg vom "Neger" zum Schwarzen. Das Wort Neger/Nigger fällt im Film übrigens gefühlte 200 Male.
Doch ich möchte mich nicht weiter mit diesen Dingen beschäftigen, von denen ich ehrlich gesagt gar keine Ahnung habe, sondern sagen, ob der Film das Richtige für Italowestern-Freunde ist.
Nachdem der Film vom Titellied des Originales eingeleitet wurde und Christoph Waltz in der Geschichte auftauchte, wurde es durch seine unglaublich geniale Performance ca. eine Stunde lang zu einem wahren Genuss, Ballereien, der staubtrockene Humor des Österreichers und die (noch) sehr gute Mischung aus alten und neuen Liedern und Melodien waren eine absolute Freude.
Ich glaube, Tarantino verlor sich so langsam in diesen Szenen, die die Geschichte nicht weiterbrachten, sondern einfach nur zeigen, wieso Western durchaus noch nicht ganz ausgestorben sind. Die Geschichte um Djangos Frau wird fast beiläufig mit eingepflegt und wirkt noch wie ein Fremdkörper. Dazu kam eine viel zu lange Comedy-Einlage in der eine Bande von verärgerten Leuten Django und Dr. King Schultz (Waltz) umbringen wollten. Sie passte nicht zum restlichen Humor des Streifens.
Irgendwann kam dann das Zusammentreffen mit dem Sklavenhalter Candie (DiCaprio), in welches noch der für meinen Geschmack zu plumpe Gastauftritt von Franco Nero (für diese Synchronkleinstrolle ist sogar Rainer Brandt aus der Sprecherrente zurückgekehrt) eingepflegt wurde. Nun ging der Film deutlich bergab, denn nun folgte die Handlung, die man über die erste Stunde weggelassen hat, weil man sich in den flotten Ballereien usw. verloren hatte. Nun nahm das "schwarze" Thema Überhand und die Action rückte in den Hintergrund. Auch Waltz hatte nicht mehr solch grandiose Szenen, wie noch zu Anfang. Ebenfalls die Musik wechselte zu Rap, ab hier fühlte ich mich etwas Fremd. Erst gegen Ende hin kam die wieder vollkommen übertriebene Gewalt zurück (die FSK mag Tarantino anscheinend) und es war wieder mehr nach meinem Geschmack.
Zuletzt kehrt auch die Italowestern-Musik zurück, mit dem Titel "Trinity" aus "Die Rechte und die Linke Hand des Teufels" (wirkte nach alledem unpassend) wurde der Streifen beendet.
Fazit: Tarantino wollte zu viel: Western, Comedy verschiedenster Art, Blaxploitation, die unterschiedlichen Lieder... Das Alles ergab keine Einheit, es spricht mehrere Zielgruppen an, aber keine wird vollends glücklich mit dem Konstrukt. Wäre der Film nicht 165min lang, hätte er im zweiten Akt nicht diese Längen im zweiten Akt. Eine Kleinigkeit wäre noch zu Jamie Fox zu sagen, er bleibt etwas blass in seiner halbgaren Figur des Django, vor allem neben Waltz, ohne den er wohl deutlich besser zur Geltung gekommen wäre.
"Django Unchained" ist alles andere als schlecht, jedoch nicht frei von Fehlern. Allein wegen unseres Landsmannes (ist der nun Deutscher oder Österreicher oder beides?) lohnt es sich, diese 2:45 Stunden zu Gemüte zu führen.
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Kommentare
Fazit: Mein gesamtes, nicht westernaffines Umfeld, war von dem Film begeistert. Ich fand in ihm leider nicht das was ich mir erhofft hatte.
Ich habe auch als Antwort in meinem Blog geschrieben, dass ich dir leider nicht vollends (was vollkommen so sein soll ;) ) zustimmen.
Wo ich dir aber zustimmen kann und will, ist, dass Django Unchained doch weniger Western als zB Inglorious Basterds ist, meiner Meinung nach. Dennoch wie auch mehrere Stimmen vor mir angemerkt haben, ist Tarantino ein Genie darin Genres so darzustellen, dass sie genau das sind was man will und gleichzeitig genau das Gegenteil. So kommt, am Beispiele des Soundtracks, diese Mischung aus HipHop, Morricone und auch das Originalthema genau richtig daher, um den Geist seines Schaffens zutreffen. Und das mag einen Western-Fan, wie dich, bitter aufstoßen, einen Liebhaber für unkonventionelles Mainstreamkino so aufregend.
Es kommt natürlich auf die Sicht der Dinge an, die Szenen auf Candieland waren nett, aber man hat zu Anfang des Filmes eigentlich schon das Magazin leer geballert, sodass eine Steigerung quasi nicht mehr möglich war. Und nochmal zu dem berechenbaren zu kommen: bestes beispiel "Der Bärenjude" im letzten Film, hätte dort und hier in der Kapuzenszene etwas mehr Feingefühl erwartet. Tarantino ist nun gefangener seines eigenen Rufes, er muss anders sein, was ihn schon wieder einschränkt. - auch fast schon wieder ein Paradoxon
Für Puristen eines bestimmten Genres ist das natürlich gewöhnungsbedürftig, manchmal zuviel des Guten und "Over the Top" und es wird nicht alles vorbehaltlos "geschluckt" was dieser Mann zu bieten hat. Da kann ich dich "Bollwerk94" sehr gut verstehen. Aber davon konntest du aber, wenn du ehrlich bist, eh nicht davon ausgehen, das ein Tarantino sich so vollends auf ein bestimmtes Thema einlässt und sich ihm unterordnet. Keine seiner bisherigen Arbeiten weist auf so eine "normale" Arbeitsweise und Umsetzung hin. Das konnte man sicher schon vorher wissen.
Anders ist es für prinzipielle Liebhaber des Kinos an sich, ohne beinharte Genreaffinität (also jemanden wie mich) Von daher weiß ich jetzt schon, der Film wird mir wieder uneingeschränkt zusagen, wie all seine Filme bisher. (Habe ihn tatsächlich noch immer nicht gesehen)
Tarantino schafft es schließlich ja auch (wie sonst NIEMAND Anders es kann) eine "spröde" Blondine, in "Bruce Lees" gelben Kampfanzug zu stecken und in Schwarzweiß, in Splattermanier, asiatische Killerkommandos und Mörderbabes, zu den Klängen einer Nancy Sinatra aufzumischen, den wie auch in Star Trek, kommt auch sie zum Schluss...Rache ist ein Gericht das am Besten kalt serviert wird!
Und all diese eigentlich so gar nicht zusammenpassenden Einzelteile fügt er so toll und harmonisch zusammen, als ob es das Normalste der Welt wäre. DAS ist "Tarantino" und dafür verehre ich ihn.
Übrigens hat mir sehr gut gefallen wie du geschrieben hast, das sozusagen das "Außergewöhnliche" an ihm, das eigentlich "Berechenbare ist", also "Langeweile" durch "Abwechslung",
Das nenne ich ein lupenreines "Paradoxon" und ist von Tarantino somit gar nicht lösbar. Das Ergebnis wäre nämlich, egal was er auch macht, immer "berechenbar".
Aber Danke für deine Eindrücke des Films, da du (zu Recht) der uneingeschränkte Western Experte hier bist (wovon ich schon seeeeehr profitiert habe) war mir hierzu gerade deine Meinung sehr wichtig und interessant zu erfahren.
Danke
Gruß Daniel!
Außerdem wird es wohl so sein, dass er in dieser ersten Stunde des films als Fan so viele Ideen einbauen wollte, dass er gar nicht merkte, wie der Film ein wenig zerfiel. Bin auch kein Fan von unidentifizierbarem Genre-Mix, daher liebe ich solche Filme, wie die von Leone, wo der Humor nur unterschwellig oder sehr sarkastisch vorhanden war, aber alles eine wundervolle Einheit ergibt.
Übrigens: ich schöpfe riesige Hoffnung durch AMC\'s neue Serie Hell on Wheels, sehr nett die bisherigen 3 Folgen.
Danke für den Blog! :)
Das Triniti-Thema am Ende hat dem Film (meiner Meinung nach) noch das Sahnehäubchen obendrauf gesetzt.
Ich fand den Film von der ersten bis zur letzen Minute in JEDEM Punkt gelungen, zu keinem Zeitpunkt langweilig und absolut sehenswert. Da hat sich wirklich jeder Cent gelohnt. Und ich bin kein Fan des Kinos!