Mit dem 1. Weltkrieg assoziieren wir Mitteleuropäer in erster Linie die unglaublich verlustreichen Grabenkämpfe an der Westfront. Alleine die Schlacht um Verdun kostete binnen eines knappen Jahres über 300.000 Soldaten das Leben. Lewis Milestones Im Westen nichts Neues oder Stanley Kubricks Wege zum Ruhm zeigen die ganze sinnlose Grausamkeit dieses Krieges. Ein weniger bekannter Kriegsschauplatz lag im Nahen Osten. Hier versuchte das mit Deutschland verbündete Osmanische Reich, sein Einflussgebiet auf die arabische Halbinsel auszuweiten. Vor allem die Briten und ansässige arabische Stämme leisteten den Eindringlingen Widerstand. Die politischen Auswirkungen dieser Auseinandersetzung sind bis heute spürbar. In dieser Zeit des Umbruchs spielt David Leans mehrfach Oscar-gekrönter Film Lawrence von Arabien, in dem eine besonders rätselhafte Figur die Weltgeschichte nachhaltig prägt.
Story
Thomas Edward Lawrence (P. O’Tool) dient während des 1.Weltkriegs als junger Leutnant beim britischen Nachrichtendienst in Kairo. Ein ruhiger Job verglichen mit den Gräueln der europäischen Schlachtfelder. Das angenehme Leben nähert sich einem abrupten Ende, als er mit einem wenig konkreten Auftrag betraut wird. Er soll Kontakt mit dem arabischen Prinzen Feisal (A. Guinness) aufnehmen, der als einer der Hauptverantwortlichen für die Rebellion gegen die osmanischen Besatzer gilt. Das britische Oberkommando am Nil möchte einschätzen, wie vertrauensvoll dieser Mann als potentieller Verbündeter wäre. Lawrence begibt sich auf die lange und gefahrvolle Suche nach Feisals Beduinen. Was er letztlich vorfindet, sind zahlreiche, untereinander heillos zerstrittene Nomadenstämme, die für einen offenen Krieg gegen die moderne Armee des Osmanischen Reichs kaum geeignet sind. Doch mit Mut, diplomatischem Geschick und militärischer Unverfrorenheit, gelingt es Lawrence nicht nur die Stämme zu vereinen, sondern auch entscheidende Erfolge gegen den Feind zu erzielen.
Bis heute gilt Lawrence von Arabien als einer der besten Filme überhaupt. Sieben Oscars und drei weitere Nominierungen (u. a. für Peter O’Tool in seiner ersten Hauptrolle) sprechen eine deutliche Sprache. Und auch 50 Jahre nach seiner Veröffentlichung hat David Leans gut dreieinhalbstündiges Monumentalwerk nichts von seiner Faszination verloren. Das Drama hat alles, was einen großartigen Film auszeichnet. Zu allererst ist Lean ein wahrer Meister seines Fachs. Die wunderschönen und beeindruckenden Landschaftsaufnahmen bleiben dem Zuschauer noch lange im Gedächtnis. In gewaltigen Panoramaaufnahmen schrumpfen die Menschen zu winzigen Punkten in dieser grandiosen Landschaft und rücken so die Perspektive wieder zurecht. Die ach so ambitionierten Bestrebungen der Menschheit sind in Wahrheit nichts im Vergleich zur majestätischen Größe der Natur.
Sie werden vielmehr zum Spielball von Sonne, Hitze und der unendlichen Weite des Landes. Für einen qualvollen Tod braucht es keinen Weltkrieg. Der kleinste Fehler in dieser ebenso schönen, wie gefährlichen Umgebung reicht aus, um für immer von der Wüste verschlungen zu werden. Des Weiteren bietet die bis heute rätselhafte historische Figur T. E. Lawrence ein enormes dramatisches Potential. Selten zuvor und danach wurde der komplexe und inkonsistente Charakter einer Person in dieser Art beleuchtet. Lawrence Motivationen bleiben letztlich auch für den Zuschauer ein Mysterium. Und so inszeniert ihn Lean auch. Einerseits ein fast biblischer Heilsbringer für die unterdrückten Stämme, andererseits ein wenig ernsthafter, flapsiger „Clown“, der von Kameraden und Vorgesetzten kaum ernst genommen wird.
Einerseits hochgebildet und friedliebend, andererseits lässt er sich zu Kriegsverbrechen an bereits geschlagenen türkischen Truppen hinreißen. Selten lagen Genie und Wahnsinn so dicht beieinander. Peter O’Tool meistert diese Rolle hervorragend und transportiert die Ambivalenz des Protagonisten zu jeder Zeit glaubhaft. Natürlich gönnt sich der Film auch einige Freiheiten gegenüber den tatsächlichen historischen Ereignissen, was seinerzeit einer der größten Kritikpunkte war. Wer mehr über die tatsächliche Chronologie der Ereignisse erfahren möchte, sollte zu einem Geschichtsbuch greifen.
Bildqualität
- Videocodec MPEG-4 AVC, Ansichtsverhältnis 2,20:1, Auflösung 1080p
- der Bildtransfer ist schlichtweg überwältigend
- unglaubliche Detail- und Tiefenschärfe
- natürliche, satte Farben
- ausgewogene Kontraste
- gute räumliche Wirkung
- feines Filmkorn
- Bruchstellen des ursprünglichen Kameranegativs sind in der Bildmitte zeitweise schemenhaft erkennbar
- darüber hinaus wurden Kratzer, Schmutz und sonstige Bildfehler sorgfältig entfernt
- absolut keine digitalen Rauschfilter, Scharfzeichner oder sonstige Verschlimmbesserer erkennbar
Tonqualität
- Deutsch Dolby Digital 5.1
- frontlastig
- gute Stereoseparation
- wenige, lediglich diffuse oder atmosphärische Surroundeffekte
- saubere Sprachausgabe
- keine altersbedingten Störgeräusche wahrnehmbar
- nachsynchronisierte Szenen fügen sich recht unauffällig ein
- gute Dynamik
- Subwoofer wird nicht gefordert
- Maurice Jarres genialer Score kommt sehr gut zur Geltung
Ausstattung
- Geheimnisse von Arabien: Bild-in-Grafik Track
- unveröffentlichte Balkonszene mit einer Einführung von Cutterin Anne Coates (ca. 7 Min.)
- Der Reiz der Wüste: Martin Scorsese über Lawrence von Arabien (ca. 8 Min.)
- Lawrence wird 50: Ein neu aufgelegter Klassiker (Feature über die Restaurierungsarbeiten, ca. 13 Min.)
- König Hussein besucht das Set (s/w, ca. 2 Min.)
- Wind, Sand und Sterne: Die Entstehung eines Klassikers (Vintage Making-Of von 1963, ca. 5 Min.)
- Verliebt in die Wüste (Rückblickende Dokumentation über die Drehorte aus dem Jahr 2000, ca. 84 Min.)
- Interviews mit Steven Spielberg, Sydney Pollak und William Friedkin (ca. 10 Min.)
- sechs Vintage Trailer
Fazit
Bildtechnisch verweist die vorliegende Blu-ray selbst aktuelle Kinoproduktionen auf die Plätze. Der Transfer quetscht jedes Detailpartikel aus der 65mm Vorlage heraus. Überragend! Da verwundert es kaum, dass der Ton dieses Niveau nicht ganz hält. Trotzdem liegt auch hier ein passables Ergebnis vor. Die Extras gestalten sich überaus umfangreich und informativ. Lawrence von Arabien bleibt auch im HD-Zeitalter ein Meilenstein der Filmgeschichte. Der undurchschaubare Charakter des britischen Offiziers fasziniert in gleichem Maße wie David Leans bildgewaltige Inszenierung. Wo heutzutage Computer zum Einsatz kommen, agierten vor 50 Jahren noch tausende Statisten, um monumentale Massenszenen zu erschaffen. Darüber hinaus kommen aber auch persönliche Momente nicht zu kurz, die die unterschiedlichen Charaktere der Protagonisten glaubhaft ausarbeiten. Ein Kuriosum zum Schluss: Keine Frau hat in diesem Dreieinhalbstunden-Epos auch nur eine einzige Dialogzeile. (ml)
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Kaufempfehlung
Testgeräte
TV: Panasonic TX-P55VT50E (55“) (kalibriert)
BDP: Panasonic DMP-BDT500
AVR: Pioneer SC-LX81
Boxen: B&W 803S (Main), Teufel M-500 (Surround)