„Das Phantom der Oper“, „Der Glöckner von Notre Dame“, „Frankenstein“ und „Nosferatu“ gehören sicherlich zu den ältesten und bekanntesten Hollywoodmonstern, die selbst genrefremden Filmfreunden ein Begriff sein dürften. Ein Mann fehlt allerdings in der Aufzählung, und auch wenn es sich bei Gwynplaine, dem „Mann, der lacht“ nicht im Entferntesten um ein Monster handelt, so hat er doch einiges zum Genre beigetragen, wenn nicht gar geprägt. Der Film „Der Mann, der lacht“ geriet beinahe in Vergessenheit, doch dank Wicked Vision erscheint das von Carl Laemmle produzierte Melodrama von Paul Leni mit Conrad Veidt und Mary Philbin in den Hauptrollen nun erstmals hierzulande auf Blu-ray Disc in Form von fünf unterschiedlichen Mediabooks. Dafür wurden sämtliche deutschen Texttafeln, im Film zu sehenden Handschriften und ähnliches anhand alter Zensurkarten in mühevoller Arbeit komplett neu angefertigt. Was der Film zu bieten hat und wie sich die Blu-ray Disc in technischer Hinsicht schlägt, klärt das nun folgende Review.
Story
Gwynplaine, der Sohn des Lords Clancharlie, wurde bereits als Kind von Dr. Hardquannone grausam entstellt: Ein künstlich geschaffenes irres Grinsen verurteilt ihn dazu, auf ewig über seinen törichten Vater zu lachen, der vom König zum Tode verurteilt wurde. Derart gezeichnet und zum Sterben in der Kälte verdammt, kämpft sich Gwynplaine durch das Leben, landet zunächst bei einer Gruppe fahrender Gaukler, und erlangt durch die Gunst der späteren Königin sogar beinahe sein altes Leben zurück. Zugleich verzehrt er sich vor Liebe zu der blinden Dea, die er dereinst vor dem Tode gerettet hat. Doch das Schicksal hält viele Höhen und noch mehr Tiefen für den „Mann, der lacht“ bereit ...
Der Film basiert auf einer der bekanntesten Geschichten von Victor Hugo, dessen Werke wie „Les Miserables“ und natürlich „Der Glöckner von Notre Dame“ nicht nur mehrfach verfilmt wurden, sondern auch als Grundpfeiler der Weltliteratur angesehen werden. Gerade der letztgenannte Titel, beziehungsweise dessen erste bekannte Verfilmung mit Lon Chaney Senior in der Titelrolle, war auch der Auslöser dafür, dass man sich an eine Verfilmung von „Der lachende Mann“ heranwagte, denn das Publikum gierte nach entstellten Fratzen und grausiger Unterhaltung. Dabei ist „Der Mann, der lacht“ im Grunde überhaupt kein Horrorstoff. Ehrlich gesagt ist die Geschichte nicht einmal gruselig, wenn man einmal von der Grundidee absieht. Viel eher handelt es sich hier um ein äußert tragisches Melodrama über einen herzensguten Menschen, dessen äußeres Erscheinungsbild ihn aber zu einem „Freak“ macht, den man weder ernst nimmt noch lieben kann. Dennoch ist „Der Mann, der lacht“ eine Art Blaupause für viele Horrorfilme, die später folgen sollten. Dies ist primär auf die expressionistische Inszenierung zurückzuführen, welche die dramatische Liebes- und Leidensgeschichte des Gwynplaine in düsteren, unheimlichen Bildern einfängt, die für sich genommen grausig und gruselig wirken, auch wenn die Handlung dies nicht tut. Gepaart mit der diabolischen Maske, dem Spiel mit Licht und Schatten, und natürlich der dramatischen Musikuntermalung, entsteht letztendlich ein Horrorfilm, der dem Zuschauer ganz ohne Grauen und Grusel einen Schauer über den Rücken jagt.
Die Handlung des Films ist tatsächlich sehr dramatisch, tragisch und bittersüß. Victor Hugo selbst war seinerzeit ein scharfer Kritiker, der mit seiner Meinung auch selten hinter dem Berg hielt. Auch „Der Mann, der lacht“ ist eine scharfe Kritik – zum einen an der Monarchie, zum anderen am Menschen selbst. Conrad Veidts phantastische Maske, die unverkennbar das Aussehen des Jokers in den Batman-Comics und Filmen beeinflusste, ist atemberaubend gut. Nicht auszudenken, welche Schmerzen das martialische Drahtgestell verursacht haben muss, welches die grausamen Züge des entstellten Gwynplaine erzwingt, ohne dass man irgendetwas davon sieht. Die Maske stand ganz in der Tradition derer von Chaney und steht diesen in nichts nach. Darstellerisch ist Veidt ebenfalls über jeden Zweifel erhaben. Die innere Zerrissenheit, die Verzweiflung und Hoffnung, all das zeichnet sich schon in seinen Augen und seinen Gesten ab, und wer jemals einen so großartigen Stummfilm wie diesen gesehen hat, der weiß, welche Kraft die Körpersprache und Mimik eines fähigen Mimen auch ohne Worte ausdrücken kann – und Veidt war einer der besten seiner Zeit. An seiner Seite erleben wir die bereits aus „Das Phantom der Oper“ bekannten Mary Philbin, die hier erneut brilliert. Die Rolle der blinden und aufopferungsvollen Dea ist ihr wie auf den Leib geschnitten.
Lenis Film orientiert sich weitestgehend an der Vorlage und bleibt dieser sehr treu. Lediglich am Ende schlägt der Film einen anderen Weg ein, und weicht final erheblich von der Vorlage ab. Ob dies der damaligen Zeit oder schlichtweg den Wünschen des Studios, des Regisseurs selbst oder wem auch immer entsprach, soll an dieser Stelle ungeklärt bleiben. Fakt ist, dass das Filmende definitiv zufriedenstellt und den Zuschauer mit Hoffnung erfüllt. Dennoch wirkt der Film lange nach, denn er ist schlichtweg deutlich mehr als nur eine perfekt erzählte und fotografierte Geschichte. Er ist ein leidenschaftliches Plädoyer an die Menschlichkeit, die Kraft der Liebe und letztendlich einfach ein cineastisches Meisterwerk, dessen Auswirkungen bis heute spürbar sind.



Bildqualität

Tonqualität

Ausstattung

Fazit
Ein dramatisches Meisterwerk aus den Geburtsstunden des Gothic-Horrors liegt erstmals seit dem zweiten Weltkrieg in seiner ungekürzten und rekonstruierten Fassung vor, und dabei ist nicht nur die Veröffentlichung erstklassig, sondern auch die technischen Aspekte. Das Bild wurde bestmöglich restauriert und sah mutmaßlich nie besser aus, und auch die musikalische Untermalung, von der es gleich zwei zur Auswahl gibt, klingt hervorragend. Besser kann man einen Film dieser Art nicht präsentieren. Der Film selbst ist heute genauso aktuell wie damals und ist nicht nur aus filmhistorischer und in popkultureller Hinsicht ein Meilenstein, sondern unterhält und berührt auf seine ganz eigene Art und Weise. Dieser Film sollte in keiner gutsortierten Filmsammlung eines Cineasten fehlen.
(Michael Speier)
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