Wildes China [Blu-Ray]
>> EINLEITUNG
China – Das Land der Gegensätze. Viertgrößtes und
bevölkerungsreichstes Land der Erde. Älteste Kultur der Welt.
Mega-Metropolen und enormes Wirtschaftswachstum. Menschenrechte und
Reichtum. Wer von China redet, redet von Extremen. Eine
unglaubliche Arten- und Landschaftsvielfalt durchzieht das Land von
Nord bis Süd, von Wüste bis Dschungel. Über Jahrtausende hinweg hat
es die einzigartige Kultur Chinas geschafft im Einklang mit der
Natur und dessen Bewohnern zu überleben. Doch die Bedingungen haben
sich in letzter Zeit drastisch verändert. Wie ein dunkler Schatten
drückt die Industrialisierung aufs Gemüt. Worte wie „bedroht“ und
„ausgestorben“ erscheinen allgegenwärtig.
Das ist das China des 21. Jahrhunderts. Während die ärmliche und
immer älter werdende Landbevölkerung versucht ihre alte Lebensart
zu pflegen, befindet sich der unaufhaltbare Mechanismus der
Verstädterung in vollem Gange. Ob bessere Lebensqualität durch
Wirtschaftswachstum oder Erfüllung neuer Träume durch Landflucht -
mehr und mehr junge Chinesen und Chinesinnen folgen dem Ruf des
Geldes in die Städte. Hinfort vom Leben mit und für die
Natur.
Die Produktion von BBC/CTV und Travel Chanel entführt den Zuschauer
sowohl in die letzten unberührten Regionen Chinas, die es so zum
Teil wohl nicht mehr allzu lange geben wird, als auch in neu
entstandene Megastädte. Es bietet sich die einmalige Möglichkeit
einen Blick hinter die Grenzen konventioneller westlicher
Berichterstattung zum Thema China zu werfen und sowohl das Land als
auch die Menschen abseits, aber dennoch nie ganz abgeschottet vom
kommunistischen Regime, kennenzulernen.
>> EINIGE
INFORMATION
Wildes China (Originaltitel Wild China) ist eine Veröffentlichung
unter dem Label Polyband. Diese konnten mit Planet Erde, Galapagos,
Expedition Erde und Sharkwater bereits mehrere qualitativ sehr
hochwertige Dokumentationen auf Blu-Ray in Deutschland anbieten.
Auch Wildes China besticht von der Aufmachung her durch
ansprechende Qualität. Die zwei Blu-Rays der Dokumentation befinden
sich traditionell im informativ gestalteten Pappschuber. Auf diesem
ist zum einen eine kleine Inhaltsangabe zu jeder der sechs ca. 60
minütigen Episoden zu finden, zum anderen eine grobe
Übersichtskarte der Regionen Chinas inklusive Markierungen wohin
die dokumentarische Reise führt.
Erstmals in Deutschland wurde diese Serie von der ARD ausgestrahlt.
Auf Blu-Ray befindet sich nun die, laut Polyband, mit einer
Gesamtlaufzeit von 6 Stunden um 4 Stunden längere, ungekürzte
Fassung. Leider wurde es versäumt alle zusätzlichen Szenen
nachträglich zu synchronisieren, weshalb einige Abschnitte (ca. 5-7
Minuten je Folge) ausschließlich in Englisch mit deutschen
Untertiteln vorliegen
„Wir Chinesen essen alles war
vier Beine hat, und kein Stuhl ist.
Wir essen alles was zwei
Flügel hat, und kein Flugzeug ist.“
>> EPISODE 1: Das Herz des
Drachen
Die erste Episode entführt den Zuschauer in die südlichen Regionen
Chinas. Dieses Gebiet - rund fünf mal so groß wie Deutschland und
Österreich zusammen – ist geprägt von bizarren Gebirgen sowie den
ältesten Bauwerken Chinas - den Terassenfeldern. Diese gigantischen
Reisplantagen prägen seit rund 8000 Jahren die Landschaften dieser
Region. Die 60 Minuten andauernde Reise stellt sowohl die Natur,
dessen Tierreich und die Menschen die dort wohnen vor.
Selbstverständlich kann in der wenigen Zeit nur ein grober
Überblick gegeben werden. Dieser gelingt jedoch ganz ordentlich.
Der von
Planet Erde verwöhnte Zuschauer ist jedoch zuerst
ein wenig darüber enttäuscht, dass ein wesentliches Augenmerk auf
den dort lebenden Menschen und weniger auf der ausführlichen
Präsentation aller natürlichen Umgebungen liegt. Wer also eine
reine Naturdokumentation erwartet kann sich unter Umständen mit
Wildes China nur schwer anfreunden.
Wer jedoch nicht abgeneigt ist zusätzlich etwas über die letzten
Kormoranfischer, Chinas Drachen und die Beeinflussung von Schwalben
auf die Saat der Reispflanzen zu erfahren, der sollte den kommenden
folgen eine Chance geben.
Bewertung der Folge 3/5 ***
>> EPISODE 2: Land der
Legenden
Der Südwesten Chinas ist ein Land voller Geheimnisse und Legenden.
Üppige Dschungellandschaften weit nördlich der Tropen prägen das
Landschaftsbild. Aufgrund der Teils extremen Abgeschiedenheit ist
dort eine unglaubliche kulturelle Vielfalt entstanden. Erzählt
werden unter anderem die Geschichten des kleinen und großen Panda,
der
Dai (die Menschen des Wassers) und der ehemals
mächtigen Handelsrouten für Tee und Seide, die wie Schwerter durch
ganz Asien schneiden. Wiederrum liegt der Einbruch der Moderne wie
ein Schleier über allem was diese Dokumentation zu erzählen vermag.
Rodungen der Wälder gefährden nicht mehr nur Elefanten und
Pandabären, der Lebensraum für viele Waldbewohner wird zunehmend
knapper. Doch ist eine steigende Anzahl von Naturschutzgebieten in
ganz China ein positives Zeichen für die Zukunft.
An der Nordgrenze dieser Region ändert sich das Landschaftsbild und
geht langsam in die gewaltige Gebirgskette des Himalayas über. Die
Region, welche uns in der nächsten Episode willkommen heißt.
Bewertung der Folge 3,5/5 ***‘
>> EPISODE 3: Das Dach der
Welt
Tibet. Das tibetische Hochland bildet ein Viertel der Gesamtfläche
Chinas. Die meisten Regionen sind jedoch aufgrund der rauen
Witterungsbedingungen unbewohnbar. Seit 1965 ist das „Autonome
Gebiet Tibet“ ein Teil der Volksrepublik China. Seitdem sind auch
die Jahrtausende alten Traditionen des tibetischen Buddhismus einem
ständigen Wandel unterworfen. Der stetige Zuzug bzw. die konstante
Ansiedlung von Chinesen nach Tibet verändert das Gebiet von Grund
auf. Eisenbahn und Industrialisierung haben der Region einen sehr
zweifelhaften Wohlstand und Fortschritt beschert. Dennoch gibt es
speziell in Tibet viele uralte Riten und Bräuche an denen die
Bewohner bis heute festhalten. Die traditionelle Lebensweiße
zwischen Mensch und Natur prägt das Verhalten der tibetischen
Bevölkerung im Alltag. In dieser Episode finden sich einige der
besten landschaftsaufnahmen der gesamten Serie. Da mich die
Landschaft, die Bewohner Tibets und deren Kultur - die der Unseren
nicht unterschiedlicher sein kann - immer wieder aufs Neue zu
verzaubern wissen, gehört diese Episode zu meinen liebsten
überhaupt und bildet sowohl die chinesische als auch die filmische
Krone von
Wildes China.
Bewertung der Folge 5/5 *****
>> EPISODE 4: Jenseits der
großen Mauer
Die 6530 Kilometer lange Chinesische Mauer durchtrennt den Norden
des Landes wie einen Speer. Seit 1987 ist das Wahrzeichen Chinas
Weltkulturerbe der UNESCO und markiert die äußerste Grenze des
alten China zum Norden hin. Über zweieinhalb Jahrtausende wurde die
Mauer auch auf Kosten von unzähligen Menschenleben erbaut. Sie
führt durch sibirische Eislandschaften, trockene Steppen, heiße
Wüsten und hügelige Graslandschaften, ebenso wie durch steinerne
Gebirgsketten. Ursprünglich von mehreren chinesischen Kaisern zum
Schutz vor kriegerischen Nomaden aus dem Norden erbaut, dient die
Mauer heutzutage als beeindruckendes Erbe chinesischer Hochkultur
und ist Anlaufpunkt vieler Millionen Touristen. Die Folge führt den
Zuschauer vom östlichen Ende der Mauer, entlang der angrenzenden
Gebiete, bis an die äußerste westliche Grenze – einer der Routen
der Seidenstraße. Jene legendäre Handelsstraße über die Gewürze,
Juwelen und vor allem Seide in den Westen transportiert wurden. Sie
war Grundstein und Wurzel des chinesischen Reichtums im
altertümlichen China.
Es scheint als habe die Dokumentation nach der Episode über Tibet
an Fahrt aufgenommen. Zwar ist die Folge „Jenseits der großen
Mauer“ meiner Meinung nach nicht ganz so gut wie die letzte,
präsentiert sich jedoch überaus informativ und beeindruckt durch
gewaltige Panoramen.
Bewertung der Folge 4,5/5 *****
>> EPISODE 5: Im Reich der
Pandas
Die Reise führt in den Osten Chinas zwischen Jangtsekiang und dem
Huanghe – dem Gelbem Fluss. Eine Beschreibung dieser Episode fällt
äußerst schwer. Es handelt sich um einen verzweifelten
dokumentarischen Versuch, der Natur inmitten einer dicht
bevölkerten Region ihren Platz einzuräumen. Dieser Spagat glückt
zeitweise jedoch erstaunlich gut und verschafft auch den letzten
wild und frei lebenden Pflanzen und Tieren in dieser Gegend die
nötige Anerkennung. Umso verblüffender ist es, dass hier
tatsächlich noch einige wenige große Pandas leben. Seltene
Aufnahmen dieses scheuen Tieres wechseln sich mit Eindrücken aus
Beijing und anderen städtischen Einzugsgebieten ab und führt
mitunter zu unschönen (aber vielleicht gewollten) Kontrasten. Am
Anfang dieser Episode verlässt
Wildes China merklich die
Schiene der Natur- und Tierdokumentation und widmet sich
überwiegend dem Menschen sowie deren Lebens- und Essgewohnheiten.
Glücklicherweise aber besinnt man sich später wieder auf die
Stärken des Formats und setzt die Reise entlang des Gelben Flusses
fort. Bei aller Kritik an dieser Episode findet sich mein kleines
und kurzes inoffizielles Highlight jedoch genau hier. Jiuzhaigou.
Mehr als 100 Seen, allesamt andersfarbig entspringen einem
nahegelegenen Kalkgebirge. Deren glasklares Wasser sorgt selbst in
1080i für einige beeindruckende Aufnahmen.
Bewertung der Folge 3/5 ***
>> EPISODE 6: Neue
Ufer
Chinesische Küsten erstrecken sich vom östlichen Ende der Großen
Mauer 14.000 Kilometer rund um das Nord-Süd-Östliche Land. 700
Millionen Menschen leben mittlerweile an dieser Küste – sowohl in
Mega-Metropolen als auch in einigen der wenigen verbleibenden
dünner besiedelten Abschnitten. Nirgendwo hat es das „wilde“ China
so schwer wie hier. Umweltverschmutzung und Übersiedlung setzen der
Natur sehr zu. Vom Gelben- über das Ostchinesische- bis hin zum
Südchinesischen Meer folgt diese Episode dabei dem Flug der
Kraniche. Es ist zugegebenermaßen sehr schwer in dieser Region mit
filmischen Mitteln einen Eindruck von der natürlichen Schönheit
Chinas zu vermitteln, wurde Mutter Natur doch durch Überfischung
und Bebauung stark zugesetzt. Umso verblüffender erscheint es, in
einigem Abstand zur Küste, auf eine ausschließlich von Schlangen
bewohnte Insel zu stoßen. Weniger verblüffend ist dagegen der Blick
auf den Jangtse, den längsten Fluss Asiens. Dieser ist mittlerweile
die größte Einzelquelle für Umweltgifte im Pazifischen Ozean und
damit so verdreckt, dass nur noch wenige Arten darin überleben
können.
Die Serie klingt mit einem Ausblick auf die gigantische Migration
in Chinas „Boomtown“ Shanghai , einem Abstecher zu alten
Teeplantagen und einem Besuch in Hong Kong langsam aus und gipfelt
gegen Ende in einem hoffnungsvollen Appell der Regisseure. Wachstum
und Natur müssen für langfristigen Wohlstand wieder in Einklang
gebracht werden, so wie es für tausend Jahre üblich war. Ob dieser
Ruf erhört wird bleibt in Anbetracht der gezeigten Bilder jedoch
sehr Fraglich.
Bewertung der Folge 3,5/5 ***‘
>> BILDQUALITÄT
Auf der Verpackung thront ein kleines aber prägnantes Full-HD 1080
Logo. Da das Bildmaterial zwar in 1080i (interlaced) vorliegt, dies
aber nicht dem aktuellen Full-HD Standard von 1080p entspricht, ist
dieses Qualitätsprädikat durchaus fragwürdig. Dementsprechend ist
auch die Bildqualität nur bestenfalls mit gehobenem Mittelmaß zu
bewerten. Wer „Aha-Effekte“ á la Planet Erde oder Galapagos
erwartet der wird leider enttäuscht werden. An der Bildgewaltigkeit
einiger Szenen ändert das allerdings nichts. Die beeindruckenden
Szenerien sind auch in 1080i durchaus sehenswert. Was man
allerdings deutlich merkt ist, dass
Wildes China in Sachen
Schärfe, Plastizität und Schwarzwert leider nicht mit anderen
aktuellen Produktionen (u.a. ist hier wieder Planet Erde zu nennen)
mithalten kann. Ein Pluspunkt ist hingegen das Bildformat von 16:9
das ohne störende Balken oben und unten auskommt.
3/5 *** (drei von fünf chinesischen
Bildqualitäts-Pandas)
>> TONQUALITÄT
Am Sound gibt es hingegen
grundsätzlich nichts zu mäkeln. An
Tonspuren bieten die beiden Blu-Ray Discs sowohl den deutschen
DTS-HD 5.1 als auch den englische Dolby Digital Track zur Auswahl
an. Der Sprecher Otto Clemens führt den deutschen Zuschauer mit
seiner gewohnt ruhigen und ausdrucksstarken Stimme angenehm durch
die Episoden. Absolut negativ ist hingegen die nicht vollständige
Synchronisation der erweiterten Fassung. Die Frage, ob der
zeitliche oder monetäre Aufwand einer nachträglichen
Synchronisation der geschätzten 25-30 Minuten O-Ton zu hoch gewesen
wäre, bleibt unbeantwortet. Dieser Umstand kostet der ansonsten
dokumentarisch soliden Vertonung in meinen Augen trotzdem zwei
volle Punkte.
3/5 *** (drei von fünf tibetanische
Hochgebirgs-Gnus)
>> EXTRAS
Als Extra gibt es auf der letzten Disc eine 20-minütiges Making-Of
das in SD durch die Produktion einiger schwieriger Szenen leitet.
Alles in Allem aber nicht weiter erwähnenswert und daher was die
Zusatzausstattung betrifft sehr verbesserungswürdig.
0,5/5 ' (0,5 von fünf gemakingten
Making-Ofs)
>> FAZIT
Ob Absicht oder Zufall,
Wildes China wirkt mit seiner
Struktur wie ein Abbild der jüngsten chinesischen Geschichte.
Anfänglich beeindruckend durch viele wundervolle Naturaufnahmen hat
die Serie seinen Höhepunkt in der Mitte erreicht und baut dann
wieder an Qualität ab. Ebenso verhält es sich mit der Natur des
Landes. Einst glorreich und vielfältig hat ein Prozess begonnen,
der nur sehr schwer zu stoppen sein wird. Der Siegeszug der
Industrialisierung ist schier unaufhaltsam und die Natur hat dem
nur ihre Jahrmilliarden andauernde Beständigkeit und ihre Geduld
entgegenzusetzen.Da der westeuropäische Blick viele Jahre lang nur
gen USA gerichtet wurde, lohnt sich der Blick über die östlichen
Grenzen umso mehr.
Wildes China erlaubt es, trotz einiger
längen, einen neuen, distanzierten Blick auf die Lebensweise von
1,3 Milliarden Erdenbewohner zu erhaschen.
Wer Spaß am entdecken neuer Kulturen, am erforschen fremder
Lebensarten, Bräuche und Sitten hat, dem sei ein eindringlicher
Blick auf die teils faszinierende, teils erschreckende, teils
langatmige Dokumentation
Wildes China empfohlen. Alle
anderen sollten abwarten und einen Blick auf die nächste ARD
Ausstrahlung der Serie werfen.
Gesamtwertung 3/5 ***
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