Hallo zusammen!
Zunächst: Ich schließe mich der Meinung an, dass deutsche
Synchronfassungen gegenüber den Originalen oftmals weniger
authentisch klingen, weil die Stimmen der Synchronsprecher nicht
ausreichend sorgfältig in den angelieferten M&E-Track (die
Tonspur mit Musik und Geräuschen) eingebettet worden sind.
Zur "Schuldfrage" ist jedoch das eine oder andere anzumerken:
Das Problem ist üblicherweise, dass weder die zur Verfügung
stehende Zeit noch das Geld ausreichen, um erstklassige
Übersetzungen, Sprachaufnahmen und eben auch Tonmischungen
herzustellen. Wenn man bedenkt, dass für die deutsche
Synchronsprachmischung eines aufwendigen amerikanischen
Blockbusters gerade mal um die zwei Tage zur Verfügung stehen, die
Mischung der Dialoge im Original aber mehrere Wochen in Anspruch
nehmen darf, muss man sich nicht wundern, wenn das ein wenig anders
klingt. Die Zeit für die Übersetzung des Dialogbuches und danach
die Übertragung in eine möglichst lippensynchrone Sprache ist oft
ein Witz, wenn man einen gewissen Anspruch zugrunde legt. Ebenso
ist es mit der Auswahl der Stimmen und der eher fließbandartigen
Situation bei den Synchronaufnahmen.
Das liegt übrigens nicht nur an den Kosten, die fortlaufend immer
weiter eingespart werden sollen, sondern auch an den immer kürzer
werdenden Zeitfenstern zwischen endgültiger Fertigstellung des
Films und dem Kinostart. Diese wiederum resultieren zum einen
daraus, dass gerade bei Special-Effects-Filmen gerne immer noch an
Bildeffekten gebastelt wird, während bereits die Tonspur in der
Mache ist, zum anderen aus der hysterischen Angst der Hersteller
vor möglichen Raubkopien innerhalb dieses Zeitfensters.
Es gibt hierzu einen sehr interessanten Artikel, der zeigt, dass
das Problem zumindest in den USA mittlerweile auch schon erkannt
worden ist:
http://www.variety.com/article/VR1117970061.html
Dass deutsche Mischtonmeister ihre Synchronmischung einer
fremdsprachigen Vorlage immer "toll finden", wie Mike sich
ausdrückte, halte ich für die Ausnahme. Die sind eher frustriert,
weil die Herstellung deutscher Synchronmischungen für
anspruchsvolle Mischtonmeister eine Tortur ist, da in viel zu
kurzer Zeit ein hochqualitatives Ergebnis erzielt werden soll. Die
würden viel lieber heimische Kinoproduktionen mischen, für die sie
wesentlich mehr Zeit erhalten.
Zumal der deutsche Synchrontonmeister kaum Möglichkeiten hat, die
Musik- und Geräuschspur aus dem Ausland zu beeinflussen. Er kann
sie bestenfalls lauter oder leiser im Verhältnis zur deutschen
Sprache machen. Er erhält keine Toneffekte oder Atmosphären separat
angeliefert. Damit soll ja gerade vermieden werden, dass sich
jemand an einem Werk verkünstelt, an dem Wochen, ja manchmal Monate
gebastelt wurde.
Es sollte auch nicht verschwiegen werden, dass die Toncrew des
Originals bei der Erstellung des vermeintlich unwichtigeren
M&E-Tracks auch gerne mal fünfe gerade sein lässt. Denn für
diese Tonspur müssen ja alle Geräusche, die im Originalton unter
den Dialogen waren, gegen Geräusche ohne Dialoge ausgetauscht
werden. Das geschieht einerseits durch Einsatz von am Drehort
nachträglich aufgenommenen Tönen, zum anderen durch Archivgeräusche
sowie Schritte und Bewegungen, die Geräuschemacher erzeugen.
Hierbei kann man sehr aufwendig und zeitintensiv ein künstlerisch
und technisch hochwertiges Produkt erstellen oder aber unter
Zeitdruck und/oder bei Geldmangel und/oder aus Desinteresse an der
Auslandsfassung eine schlampige Arbeit abliefern. Darauf hat der
deutsche Synchronmischtonmeister keinerlei Einfluss. Er muss nehmen
was er kriegt. Hin und wieder kommt es vor, dass sich aufmerksame
Toncutter und Tonmeister hierzulande noch das eine oder andere
Geräusch aus Archivtönen basteln müssen, weil die Hersteller der
M&E-Tracks es schlichtweg vergessen haben!
Der Hauptunterschied beim Hörerlebnis beider Fassungen entsteht
aber wohl dadurch, dass es innerhalb von zwei Tagen unmöglich ist,
den deutschen Dialogen dieselbe aufwendige technische und
künstlerische Prozedur angedeihen zu lassen, wie sie der
Originalton in Wochen im Herstellungsland erfahren hat. Wer jemals
die Dialogmischung eines deutschen Spielfilms miterleben durfte,
weiß wie lange sich die Tonmeister von Satz zu Satz quälen, um sie
qualitativ kinotauglich hinzubekommen. Bei Synchrondialogen hat man
zwar nicht die Problematik von schlechten Originalaufnahmen, dafür
muss jede im Film vorkommende Räumlichkeit künstlich mit einer
Vielfalt technischer Gerätschaften hergestellt werden. Gerade wenn
bei aufwendigen Science-Fiction- und Actionspektakeln noch allerlei
Gimmicks mit Tonhöhenverschiebung, Halleffekten und Mehrkanaligkeit
in die Vorlage gebastelt wurden, wird die deutsche Fassung bei der
knapp bemessenen Zeit niemals eins zu eins so perfekt klingen, wie
im Original. Oft fehlt ja schon die Zeit, das Original permanent
gegenzuchecken, um herauszufinden, wie dieser oder jene
Spracheffekt überhaupt hergestellt wurde.
Hinzu kommt, dass seitens der Synchronregisseure (aber auch des
seit Jahren hierzulande so konditionierten Publikums) die
Sprachverständlichkeit oberste Priorität hat. Das führt zu der
beschriebenen Überdeutlichkeit bei allen Dialogsegmenten (siehe das
genannte Beispiel aus "Donnie Darko"). Bei der finalen Abnahme wird
dem Tonmeister jeder nicht hundertprozentig verständliche Satz um
die Ohren gehauen. Das ist übrigens bei deutschen Filmen, also
einer hierzulande hergestellten Originalfassung, nicht anders. So
bald "Nuschler" wie Til Schweiger oder Götz George es im Spiel
etwas menscheln lassen, steigen die Verantwortlichen sofort auf die
Barrikaden, weil dem Zuschauer ein Quäntchen Dialog entgehen
könnte.
Zusammenfassend kann man also feststellen, dass unzureichende
Synchronfassungen aus einer Vielfalt von ungünstigen Umständen
resultieren. Das vorrangig auf das angenommene Unvermögen der
deutschen Tonmeister zu reduzieren, halte ich für unfair. Gemessen
an anderen Sprachfassungen sind die deutschen Synchronmischungen
sogar noch mit die besten. Eine absolut perfekte
Eins-zu-Eins-Umsetzung kann es aus oben beschriebenen Gründen nie
geben.